Databroker FilesSieben Wege, um deinen Standort vor Databrokern zu schützen

Databroker verkaufen die Handy-Standortdaten von Millionen Menschen weltweit. Zehntausende App sind betroffen, wie Veröffentlichungen von netzpolitik.org und Recherche-Partnern aus sechs Ländern zeigen. Das kannst du tun, um dich zu schützen.

Ein Kescher und geflügelte Stecknadeln, die Standortdaten symbolisieren. Nebel. Im Hintergrund Zahlenkolonnen.
Eingefangen. (Symbolbild) – Flügel: Pixabay; Kescher: PNGegg;Montage: netzpolitik.org

Fachleute sprechen vom kompletten Kontrollverlust, Betroffene haben die Schnauze voll. Die Standortdaten von Millionen Handy-Nutzer*innen weltweit stehen zum Verkauf. Databroker sammeln sie in Multi-Milliarden-Paketen. Ja, sie verschenken sie sogar als Vorschau auf Bezahlabos. Das belegen unsere Recherchen zu den Databroker Files, die auf nationaler Ebene begannen und nun auch den weltweiten Handel beschreiben.

In unserem neuen Datensatz mit 380 Millionen Standortdaten aus 137 Ländern gibt es große Unterschiede in der Genauigkeit der Ortung: Viele der gehandelten Standortdaten haben eine Unschärfe von mehreren Kilometern. Andere sind auf den Meter genau. 2024 analysierten wird einen Datensatz mit 3,6 Milliarden hochgradig genauen Standortdaten allein aus Deutschland. Das kann offenbaren, wo eine Person wohnt und zur Arbeit geht, wo sie die Kinder zur Kita bringt, zur Psychotherapie geht oder ins Bordell.

Nicht nur Standortdaten kursieren. Viele weitere Daten können erfasst werden. Etwa, welches Handy man nutzt, welchen Netzbetreiber und welche Apps oder welche Websites man besucht hat. Auf dieser Grundlage wird man auch in Schubladen gesteckt, die einen beispielsweise als angebliche „fragile Senior*in“ outen sollen oder als „Shopping-versessene Mama“.

Wer das eigene Handy – wie die meisten Menschen – ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen benutzt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nach selbst betroffen. Denn über Apps und Website führen viele Wege in den Schlund der Databroker. Hier fassen wir einige simple Schritte zusammen, mit denen sich Handy-Nutzer*innen schützen können.

1. Mobile Advertising ID abschalten

Die „mobile advertising ID“ (MAID) ist eine Art Nummernschild. Die meisten Handys generieren diese Werbe-ID einfach im Hintergrund. Betroffen sind Geräte mit iOS, also Handys und Tablets von Apple, sowie die meisten handelsüblichen Handys mit Googles Betriebssystem Android.

Durch die Werbe-ID sind unsere Geräte – und damit auch wir – für die Werbeindustrie eindeutig wiedererkennbar. Oft steht die Werbe-ID dabei, wenn Apps unseren Standort an Datenhändler verraten oder personalisierte Werbung ausspielen.

Abschalten lässt sich diese Werbe-ID in den Systemeinstellungen. Der genaue Weg kann sich je nach Betriebssystem und dessen Version unterscheiden.

  • Für Google-basiertes Android: Einstellungen > Google (Google-Dienste) > Alle Dienste > Werbung.
  • Für iOS: Einstellungen > Datenschutz > Tracking > Tracking für Apps verbieten.

2. Apps den Standort-Zugriff entziehen

Viele Apps möchten Zugriff auf den genauen Standort des Geräts haben. Wer sich vor dieser Form des Trackings schützen möchte, erlaubt das nicht. Oder nur in den wenigen Fällen, in denen man auf eine Ortung wirklich nicht verzichten möchte oder die App sie für ihre Kernfunktion benötigt. Etwa, wenn man sich von einer Navigations-Apps in Echtzeit den Weg zeigen lassen möchte.

Den meisten anderen Apps kann man den Zugriff auf Standortdaten getrost verwehren. Gelegentlich möchten etwa Wetter-Apps Zugriff auf den genauen Geräte-Standort haben. Notwendig ist das nicht. Oftmals kann man einfach eintippen, für welche Stadt man gerne das Wetter sehen möchte.

Den Standortzugriff prüfen und nachträglich ändern kann man in den Systemeinstellungen für jede einzelne App (Android / iOS).

3. Ortungs-Technologien abschalten

Der Standort eines Geräts kann über mehrere Quellen bestimmt werden, zum Beispiel GPS, Mobilfunk, Bluetooth oder WLAN. Wer das Tracking-Risiko senken möchte, schaltet davon nur ein, was wirklich gerade gebraucht wird.

4. Ortung via IP-Adresse eindämmen

Auch über die öffentliche IP-Adresse ist eine grobe Ortung möglich. Man bekommt sie über den Anbieter des Internet-Zugangs. Sie wird automatisch übermittelt, wenn man Apps und Websites nutzt und ist zur Kommunikation technisch notwendig. Auf den ersten Blick hat eine IP-Adresse keine direkte Verbindung zu einem Standort. Anders als beim Zugriff auf beispielsweise den GPS-Standort müssen Apps für die IP-Adresse auch nicht gesondert um Erlaubnis bitten.

Aber dennoch lassen sich aus IP-Adressen Standorte ableiten – und unsere Recherchen zeigen, dass genau das massenhaft geschieht. Anbieter wie der US-Databroker MaxMind haben sich darauf spezialisiert, IP-Adressen konkrete Standorte zuzuordnen. Dafür sammeln sie Hinweise, etwa aus öffentlichen Datenbanken zur Internet-Infrastruktur. Nicht immer ist die Zuordnung korrekt, teils ist aber eine ungefähre Ortung bis auf wenige Kilometer möglich.

Um sich davor zu schützen, gibt es mehrere Möglichkeiten.

  • Mithilfe von VPN-Diensten lässt sich die tatsächliche IP-Adresse gegenüber Apps und Websites verschleiern. Sie sehen dann nur die IP-Adresse des VPN-Anbieters. Anderseits müsste man in diesem Szenario auch dem VPN-Anbieter vertrauen – der wiederum kann die tatsächliche, öffentliche IP-Adresse sehen.
  • Einen eher grundlegenden Ansatz verfolgen Tracking- und Werbeblocker, wie Datenschutzexperte Mike Kuketz auf seinem Blog erklärt. Mithilfe von Blocklisten verhindern sie, dass das eigene Gerät überhaupt erst eine Verbindung zu bekannten Trackingdiensten aufnimmt und dabei allerlei Daten übermittelt. Diese Blocklisten müssen jedoch regelmäßig aktualisiert werden und können lückenhaft sein. Teils sind händische Nachbesserungen notwendig, etwa gezielt für die Apps, die man nutzen möchte.
  • Auch auf Ebene von Browsern gibt es Tracking- und Werbeblocker. Diese Blocker sind aber nur auf besuchte Websites im Browser beschränkt. Sie betreffen also nicht das Tracking per Apps.
  • Durch spezielle DNS-Server lässt sich Tracking ebenso unterbinden. DNS ist einer der wichtigsten Dienste im Internet. Er übersetzt Domainnamen in IP-Adressen. Bei den Anti-Tracking-DNS-Servern gibt es zusätzlich Filterlisten. Auf den Listen stehen bekannte Adressen, die Nutzer*innen durch Tracking gefährden. Die Kommunikation mit diesen Adressen wird unterbunden. Hier gibt es ein Tutorial zur Einrichtung.

Schritt 5: Tracking ablehnen, wo es nur geht

Für Websites und Apps gilt, auch wenn es lästig ist: Cookie-Banner und ähnliche Tracking-Begehren konsequent ablehnen.

Oft sind die entsprechenden Abfragen aber bewusst unübersichtlich gestaltet – oder das Ablehnen von Tracking ist gar nicht möglich. Dann bleibt einem nur der Griff zu Alternativen.

6. Umsatteln auf Tracking-freie Alternativen

Viele Apps, Websites, Dienste und Plattformen des alltäglichen digitalen Lebens basieren auf Tracking und damit auf Überwachung von Nutzer*innen. Nicht für alles, aber für vieles gibt es jedoch datensparsame Alternativen. Braucht es wirklich eine Wetter-, Navi- oder Shopping-App mit Hunderten „Werbepartnern“?

Erschwerend kommt hinzu, dass Daten auch ohne Wissen und Zustimmung der App-Betreiber*innen abfließen können, zum Beispiel weil von Dritten eingebundene Software-Pakete nicht nur das tun, was sie sollen. Gerade bei überladener oder veralteter, bei nicht-quelloffener oder sonstwie fragwürdiger Software ist das Risiko erhöht.

Ein kompletter Umstieg auf datensparsame Alternativen von heute auf morgen kann schnell überfordern. Aber man kann Stück für Stück vorgehen. Empfehlungen für datensparsame Apps gibt es zum Beispiel auf mobilsicher.de oder oder dem Blog von Mike Kuketz. Oft freuen sich die Betreiber*innen nicht-kommerzieller Software über Spenden.

Auch auf Ebene von Betriebssystemen gibt es Optionen. Es muss nicht immer iOS oder Google-basiertes Android sein. Anbieter von Google-freien Android-Versionen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Alternativen zum Tracking-basierten Mainstream zu geben. Das geht oft zulasten des Komforts. Es wird aber kontinuierlich daran gearbeitet, dass nicht nur Nerds damit klarkommen.

7. Sich für politische Lösungen starkmachen

Wer sich sorgfältig um die eigene digitale Selbstverteidigung kümmert, kann die Gefahr durch Tracking deutlich eindämmen. Im Kreis von Freund*innen, Kolleg*innen und Familie kann man Anregungen teilen und Hilfe anbieten. Den meisten Menschen aber lassen sich die vielen, notwendigen Kniffe der digitalen Selbstverteidigung kaum zumuten – sie haben einfach andere Sorgen. Und viele wollen an dem von Tracking durchwirkten digitalen Leben teilhaben, an das sich ganze Generationen längst gewöhnt haben.

Die Massenüberwachung durch Handy-Daten ist ein Problem, dessen Lösung sich nicht auf Verbraucher*innen abwälzen lässt. Deshalb fordern viele seit Jahren politische Lösungen, etwa ein Verbot von Tracking und Profilbildung zu Werbezwecken. Denn Daten, die gar nicht erst erhoben werden, können auch nicht an Databroker gelangen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert das ebenso wie das Bundesverbraucherschutzministerium. Der Ball ist bei der EU, deren Bemühungen jedoch zuletzt am Lobbying durch Konzerne scheiterten.

Der geplante Digital Fairness Act der EU könnte ein Gelegenheit für einen neuen Anlauf sein. Interessierte könnten sich an ihre Abgeordneten wenden oder sich bei NGOs organisieren, die sich als Teil der Zivilgesellschaft für netzpolitische Themen stark machen.

Wer darüber hinaus aktiv werden will, kann sich auf seine Rechte laut Datenschutzgrundverordnung berufen und Auskunftsanfragen an Datenhändler stellen. Die Unternehmen sind verpflichtet, zu antworten, welche Daten sie über einen gespeichert haben. Auch wenn bei solchen Anfragen lange nichts passiert und Unternehmen außerhalb der EU oft schwer zu greifen sind: Anfragen machen sichtbar, dass Nutzer*innen ein Problem haben.

Wer das Gefühl hast, da ist etwas faul, kann daraufhin die zuständige Datenschutzbehörde einschalten, damit sie ein Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen. Hier erklären wir mehr über Datenauskünfte und Beschwerden.

Schon jetzt kommen die Datenschutzbehörden kaum hinterher beim Abarbeiten der Anfragen. Gerade wenn Anbieter im Ausland sitzen, ist die Handhabe oft schwer. Doch auch wenn das Ergebnis einer Beschwerde in einigen Fällen mau sein wird: Es kann verdeutlichen, dass die bisherigen Instrumente nicht ausreichen und damit eine politische Signalwirkung haben.

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