Interview„Niemand soll heimlich mitlesen können“

Ylva ist eine wichtige Person in der Europäischen Union. Sie sagt, dass Kinder im Internet keine schlechten Dinge erleben sollen. Das finden wir auch. Aber sie hat komische Ideen, wie das gehen soll. Die finden wir nicht so gut.

Ein Demonstrant in Stockholm mit einem Schild, das Ylva Johansson zeigt.
Ylva Johansson wird überall herzlich willkommen geheißen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / TT

netzolino: Hallo Ylva, was machst du hier in Berlin?

Ylva: Hallo! Ich bin hier, um mit euch darüber zu sprechen, wie wir Kinder im Internet besser beschützen können. Gerade sind die Kinder nämlich nicht so gut geschützt.

netzolino: Oh, warum denn nicht?

Ylva: Wir mussten vor einigen Wochen in der Europäischen Union ein Gesetz verlängern. Das Gesetz erlaubt es großen Firmen, Nachrichten im Internet zu überprüfen. Die können dann herauszufinden, ob Kinder im Internet belästigt werden. „Belästigen“ bedeutet, wenn jemand etwas Unangenehmes tut oder sagt, das dich stört oder verletzt. Im Jahr 2022 haben Firmen auf der ganzen Welt 32 Millionen Berichte über solche schlimmen Dinge bekommen. Weil meine neuen Regeln nicht eingeführt wurden, können die Firmen jetzt diese schlimmen Dinge nicht mehr so gut finden.

netzolino: Das ist jetzt aber ein bisschen verwirrend. Du spricht doch bestimmt über eine Gruppe in Amerika, die so einen komischen Namen hat: NCMEC. Das spricht man Neck-Meck, oder? So ähnlich wie BigMäc.

Ylva: Genau!

netzolino: Die sammeln Informationen von so großen Firmen im Internet über schlechte Dinge, die Kindern passieren. Und wenn du sagst, 32 Millionen Kinder, dann stimmt das nicht so ganz. Denn fast alle Meldungen kommen nur von einer einzigen Firma und die heißt Meta. Zu der gehört auch Facebook, Instagram und WhatsApp. Facebook, das ist das, was Mutti und Vati immer noch benutzen.

Aber viele von den schlimmen Bildern sind immer wieder die gleichen. Die werden dann auch immer wieder gezählt. Und du sagst jetzt auch nicht, dass du dafür alle Menschen überwachen willst!

Ylva: Auch wenn es manchmal so klingt: Ich möchte nicht, dass alle Nachrichten im Internet kontrolliert werden. Wir sollten nur in bestimmten Situationen Technik verwenden, um für eine kurze Zeit nach schlechten Dingen zu suchen.

netzolino: Das stimmt doch wieder nicht, Ylva. Die EU-Kommission möchte, dass die großen Internetfirmen sogar geheime Nachrichten überprüfen. Also auch wenn meine Mama meinem Papa eine Nachricht schreibt. Oder ich meiner besten Freundin. Und wenn die was finden, was sie komisch finden, sollen sie es an so ein großes Haus in der EU schicken. Dort schauen sich das irgendwelche fremden Leute an. Und die entscheiden dann, ob die Nachrichten wirklich schlecht sind oder nicht.

Ylva: Naja, es ist okay, finde ich, Nachrichten zu überprüfen, wenn es wirklich sehr wichtig ist. Ich sage den großen Firmen, dass sie das tun müssen, um Kinder zu schützen. Aber die Datenschützer mögen das nicht, weil sie keine Regeln wollen. Deshalb streiten wir uns. Aber wir müssen kämpfen, damit die Kinder sicher sind. Im Internet passieren leider viele schlechte Dinge, und es wird immer schlimmer. Wir müssen zusammenarbeiten, um die Kinder zu retten.

netzolino: Aber es gibt doch viele andere Wege, um Kindern zu helfen, denen was Schlimmes angetan wurde. Es gibt so einen Bericht von einer Gruppe, die heißt Internationales Netzwerk für Kinderrechte. Die hat viele Ideen. Zum Beispiel können Kinder spezielle Meldungen machen, wenn sie sich schlecht fühlen oder seltsame Dinge im Internet sehen. Das ist wie sonst auch: Wenn es mir schlecht geht, gehe ich als erstes zu meiner Mama. Oder wenn mich in der Schule jemand ärgert, gehe ich zum Lehrer und der hilft mir dann.

Es ist auch wichtig, dass viele verschiedene Leute zusammenarbeiten, wie Polizei, Lehrer und sogar Ärzte. Aber manchmal haben die nicht genug Geld oder es gibt zu wenige Menschen, die ihnen dabei helfen können. Darum solltet Ihr Euch mal kümmern! Stattdessen aber willst du die Verschlüsselung kaputt machen. Das ist so was wie ein Geheimcode für Nachrichten!

Ylva: Es gibt eine Technik, mit der der Geheimcode geheim bleibt. Das heißt „client side scanning“ im Englischen. Das ist wie ein Detektiv, der Bilder oder Videos anschaut, bevor sie verschickt werden.

netzolino: Häh? Aber das ist doch so, als würde mir jemand auf den Bildschirm gucken!

Ylva: Es ist eher so, als ob ein Polizeihund an Paketen riecht, um zu sehen, ob da etwas Schlechtes drin ist, wie zum Beispiel Drogen. Die Pakete würden nur geöffnet, wenn der Hund sagt, dass da wirklich etwas Schlimmes drin ist.

netzolino: Das verstehe ich nicht. Stell dir vor, du hast ein Geheimnis, das du nur mit deiner besten Freundin teilen willst – so wie wenn ihr heimlich flüstert. Es gibt Regeln, damit niemand euch einfach so dabei belauschen kann. Übers Handy teilen wir jeden Tag ganz viele Geheimnisse. Und niemand soll da heimlich mitlesen, was wir schreiben, weil das sehr privat ist.

Und jetzt willst du, dass ein Detektivhund überall schnuppert! Dann ist doch der Geheimcode kein Geheimcode mehr! Und dann sind die Geheimnisse auch nicht mehr geheim!

Das Interview beruht auf wahren Begebenheiten. Es ist Teil der Ausgabe zum 1. April 2024. Deren Inhalte sind teilweise frei erfunden und unrichtig.

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