Gegen Multi-CookieFinger weg von unserem Privatleben

Die größten Unternehmen der Welt beuten im Netz unsere Privatsphäre aus, angeblich nur zu Werbezwecken. Doch über Databroker fließen intimste Daten an alle, die danach fragen. Dank Deiner Spende decken wir das auf – und kämpfen gegen werbebasierte Massenüberwachung.

Hauswand mit Graffiti und Plakatwand mit Großplakat „Gegen Multi-Cookie“
CC-BY-NC-SA 4.0

Niemand im Internet hat die Kontrolle über die eigene Privatsphäre. An jeder Ecke warten Cookie-Banner und Privacy-Pop-ups darauf, dass wir in einem schwachen Moment auf „Akzeptieren“ klicken. Die meisten Nutzer*innen haben ohnehin resigniert. Zermürbt geben wir tausenden Firmen die Lizenz, unser Privatleben zu durchleuchten. Denn wer hat schon die Energie, jeden Tag dagegenzuhalten?

Oftmals warten schon hinter einer einzigen App oder Website Tausende Firmen und gieren nach personenbezogenen Daten. Es fließen zum Beispiel GPS-Koordinaten, Geräte-Kennungen, E-Mail-Adressen und URLs besuchter Websites. Im Visier sind potenziell alle Menschen, die online unterwegs sind. Es geht um Abermiliarden Datenpunkte.

Aus den Daten lassen sich Profile erstellen – fast so, als wäre man als Verdächtiger ins Visier eines Geheimdiensts geraten, und auf einer mit kalten Leuchtröhren angestrahlten Pinnwand rekonstruieren Fremde das eigene Leben.

Aus Standortdaten formen sich detaillierte Bewegungsprofile. Der Weg zur Arbeit, zum Supermarkt, zur Suchtklinik oder ins Bordell. Aus genutzten Apps und besuchten Websites formt sich ein Bild der Persönlichkeit. Wer hat viel Geld in der Tasche, wer ist ein armer Schlucker? Wer hat gerade Kinder bekommen, wer schämt sich für sein Gewicht, wer ist leicht zu beeinflussen?

Solche Beispiele haben wir uns nicht ausgedacht – wir haben sie aufgedeckt.

  • Versehentlich veröffentlichte Daten von Microsofts Datenmarktplatz Xandr enthüllten 650.000 teils wenig schmeichelhafte Schubladen, in die uns die Online-Werbeindustrie steckt. Zum Beispiel: fragile Senior*innen. Unsere Xandr-Recherchen zeigten, wie eng uns Datenhändler auf die Pelle rücken.
  • Als Kostprobe verschenkte Standortdaten eines US-Databrokers offenbarten uns genaue Bewegungsprofile von Millionen Menschen in Deutschland. Die 3,6 Milliarden erfassten Standorte, die wir mit dem BR analysierten, bedeckten nahezu jeden Winkel des Landes. Ob in Kasernen oder Geheimdienst-Stützpunkten, Gefängnissen oder Swinger-Clubs – überall fanden wir Bewegungsprofile. Anhand dieser Daten konnten wir Menschen identifizieren; darunter sogar Personen, die für den Staat in sicherheitskritischen Bereichen arbeiten.

Werbe-Tracking und Profilbildung verbieten

Die angeblich nur zu Werbezwecken angehäuften Daten sind ein gefundenes Fressen für Ermittlungsbehörden und Geheimdienste. Expert:innen warnen, dass feindliche Mächte wie Russland oder der Iran damit Spionage betreiben könnten. Dass auch US-Behörden solche Werkzeuge einsetzen, ist inzwischen nachgewiesen. Sie nutzen Datenhändler zum Beispiel, um vermeintlich illegale Migrant*innen aufzustöbern.

Deutsche Geheimdienste schweigen sich dazu aus. Fachleute signalisieren jedoch: Sie würden sich wundern, wenn sich deutsche Dienste diese Chance entgehen lassen.

Doch nicht nur Polzei und Geheimdienste können mit den Werbedaten ihr Unwesen treiben. Was wäre, wenn Rechtsextreme mithilfe von Datenhändlern Menschen identfizieren wollen, die auf Demos gegen Rechts gehen? Was, wenn sie Menschen aufspüren wollen, die regelmäßig in die Moschee oder die Synagoge gehen? Und was, wenn sie politische Gegner*innen ausspionieren wollen? Dass mit den Daten eine große Verletztlichkeit einhergeht, ist kein Zufall: Sie werden von der Werbe-Industrie schließlich genau zu dem Zweck gesammelt, Menschen zu analysieren und ihre Schwächen auszunutzen.

Fragt man die Unternehmen der Werbe-Industrie, dann legen sie angeblich hohen Wert auf Datenschutz und Privatsphäre von uns Nutzer*innen. Aber unsere Recherchen entlarven solche Versprechen als Nebelkerzen, die von der werbebasierten Massenüberwachung ablenken sollen.

Fachleute aus Politik und Wissenschaft, Verbraucherschutz und Zivilgesellschaft fordern Konsequenzen aus unseren Enthüllungen. Zu den Forderungen gehört, Profilbildung und Tracking zu Werbezwecken zu verbieten. Solche Forderungen sind zwar nicht neu, aber sie scheiterten bislang an Lobby-Kampagnen großer Tech-Konzerne.

Deshalb braucht es beharrliche Recherchen, die aufzeigen: Überwachungswerbung und Databroker gefährden die Grundrechte von uns allen – und zu allem Übel auch noch die nationale Sicherheit.

Das sehen übrigens nicht nur wir so: Für unsere Recherchen zum Datenhandel wurden wir in diesem Jahr mit dem Alternativen Medienpreis und dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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Scherz!!

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