Big Brother AwardsNegativpreise für Karl Lauterbach und Polizei Sachsen

Bei den Oscars für Überwachung werden neben dem Gesundheitsminister, die Polizei Sachsen, die Deutsche Bahn, die Handelsplattformen Temu und Shein sowie der Trend des Technikpaternalismus ausgezeichnet.

Publikum vor Bühne
Der Big Brother Award. (Archivbild) CC-BY-SA 2.0 digitalcourage / Justus Holzberger

In Bielefeld werden heute die Big Brother Awards in fünf unterschiedlichen Kategorien vergeben. Der Datenschutz-Negativpreis, der auch als „Oscars der Überwachung“ bezeichnet wird, existiert seit dem Jahr 2000. Preisträger:innen sind Organisationen, Behörden, Unternehmen und Einzelpersonen, die gegen Datenschutz und Privatsphäre handeln.

Diesjähriger Preisträger in der Kategorie „Gesundheit“ ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er erhält den Preis für den von ihm mit verantworteten Europäischen Gesundheitsdatenraum und dessen nationale Umsetzung, das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Die beiden Gesetze erlauben laut dem Big Brother Award nach einem weitgehend unbestimmten Verfahren mit unzureichenden Schutzvorkehrungen die Verarbeitung hochsensibler Gesundheitsdaten.

In der Kategorie „Trend“ geht der Preis diesmal nicht an eine konkrete Organisation, sondern an den „Technikpaternalismus“. Die Veranstalter verstehen diesen Preis als Hinweis auf ein größeres Problem: „Technik, die uns bevormundet, gängelt und nervt mit Besserwisserei, die Menschen Entscheidungen abnimmt, sie lückenlos überwacht, keinerlei Abweichungen, Ausnahmen oder gar Individualismus erlaubt.“ Als Beispiele nennt die Jury nervtötende Warntöne in Zügen oder Apps und Suchmaschinen, die quasi für uns entscheiden.

Biometrische Überwachung bei Polizei Sachsen

Die Polizei Sachsen erhält den Preis der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ für ihr „videogestütztes Personen-Identifikations-System“, mit dem Tatverdächtige in Ermittlungsverfahren ausfindig gemacht werden sollen. Wir haben darüber schon mehrfach berichtet. Bei dieser Form der Überwachung kommen stationäre und mobile Kameras zum Einsatz, die eine Vielzahl von Unbeteiligten biometrisch erfassen.

In der Kategorie „Mobilität“ erhält die Deutsche Bahn einen Preis für den Digitalzwang. Das Unternehmen setze alles daran, unüberwachtes Bahnfahren unmöglich zu machen: „Immer mehr Fahrkarten bietet die Bahn nur noch digital und personalisiert an, die BahnCard wurde als physische Karte abgeschafft“, heißt es in der Pressemitteilung. Fahrgäste sollten so zur Nutzung der App „DB Navigator“ gedrängt werden, die Tracker einsetzt, die man nicht ablehnen könne.

Der Big Brother Award in der Kategorie „Verbraucherschutz“ geht an die Handelsplattformen Temu und Shein und deren Niederlassungen in Irland. Mit dem Preis soll gewürdigt werden, dass „beide Anbieter die Rechte von Nutzern und Kunden durch ihre Datenschutzgrundsätze und Allgemeinen Geschäftsbedingungen maximal begrenzen oder ganz ausschließen.“

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3 Ergänzungen

  1. Alte Leute verleihen Preise für alte Leute. Digitalcourage hätte sich längst verjüngen sollen und scheint es auch nach den ganzen Turbulenzen nicht zu schaffen. Kein einziger überraschender Preisträger dabei, wo es Hoffnung gibt, dass der Preis irgendwas bewirkt.

  2. netzpolitik hat sich wohl entscheiden, ob sie kritisch über DC berichten, den Laden ignorieren oder promoten wollen. Schade.

    1. Die Entscheidung, über einen langjährigen Datenschutzpreis in Form einer Meldung zu berichten, kann man ganz unabhängig davon treffen, wie man die Auseinandersetzungen im Verein und dessen Strukturiertheit (https://www.heise.de/news/Vorstandswahlen-bei-Digitalcourage-sorgen-fuer-Streit-bei-Mitgliederversammlung-9594030.html und https://www.heise.de/news/Verein-Digitalcourage-Neuer-Vorstand-gewaehlt-alte-Weggefaehrten-treten-aus-9756294.html) bewertet.

      Im Übrigen hat netzpolitik.org seit 2008 immer wieder über den Preis berichtet: https://netzpolitik.org/tag/bigbrotherawards/

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