Liebe Leser:innen,
diese Woche war eines der größten Themen die TikTok-Anhörung vor dem US-Kongress. Meine Kolleg:innen Chris und Sebastian haben über das Spektakel mit wenig Mehrwert berichtet. Und Sebastian hat Anfang der Woche darüber geschrieben, welche Sogwirkung TikTok hat und wie das als Massenberuhigungspille wirken kann. Darüber, wie sinnvoll der neue Reset-Button ist und wie er selbst von Videos überschwemmt wurde, in denen Leute lebendige Meerestiere essen. Sein Kommentar hat mich dazu gebracht, meinen eigenen Medienkonsum zu reflektieren.
Plattformen wie TikTok reizen mich nicht. Immer wenn ich darüber nachdenke, warum das bei mir nicht funktioniert, komme ich zum Ergebnis: Ich bin einfach kein Video-Mensch. Mich nerven die Clips, sie machen mich eher nervös als mich zu unterhalten. YouTube nutze ich auch vor allem zum Musikhören. Was da an Bildmaterial läuft, interessiert mich kaum.
Aber auch ich kenne Plattformen, die mich in ihren Bann ziehen. Wo ich mich nach einer Stunde frage, was mit der Zeit passiert ist. Mir passiert das meist mit Reddit. Dort kommt es immer wieder vor, dass ich ganz tief abtauche in ein Thema, von dem ich vorher nicht mal wusste, dass es existiert – geschweige denn mich interessiert.
Letztens bin ich in der Schreibwaren-Reddit-Nische versunken und habe, ohne es zu wollen, viel über die offenbar sehr unterschiedlichen Eigenschaften von Papier verschiedener Notizbuchhersteller gelernt. Und welche Stifte auf welchen dieser Papiere am angenehmsten schreiben ohne zu verschmieren. Oder ich scrolle endlos durch Threads mit Spezialwerkzeugen und wundere mich über antike Dosenöffner und Treppen, die nur zum Training für Feuerwehrleute da sind. Manchmal will ich aber auch einfach nur niedliche Tiere sehen, um mich selbst aufzuheitern. Und davon gibt es viele. Katzen, die aussehen wie Brathähnchen, wenn sie sich hinsetzen, haben sogar ihr eigenes Subreddit. Genauso wie Tiere mit Sesselohren.
Aber nicht alles ist nur Unterhaltung: In meinen Stunden auf der Plattform habe ich wohl auch mehr über die Probleme des US-Gesundheitssystems gelernt als in allen Artikeln, die ich dazu je gelesen habe. Die vielen hilfesuchende Posts von Leuten, die sich ihre Medikamente nicht mehr leisten können, haben mich fassungslos zurückgelassen.
Und immer wieder freue ich mich, wenn Reddit-Nutzer:innen im größten deutschsprachigen Subreddit r/de einen Artikel von uns posten und diskutieren. Ich kann mir gut aussuchen, ob ich gerade einfach abschalten und mich unterhalten lassen will oder ob ich etwas lernen will.
Reddit schlägt mir auf der Startseite auch immer wieder Inhalte vor und zeigt mir an, warum. Etwa, weil der Inhalt gerade viral geht. Oder weil ich eine Community bereits besucht habe – oder eine andere, die Reddit für ähnlich hält. Einen Komplett-Reset-Button, wie TikTok ihn gerade eingeführt hat, würde auch ich mir wünschen. Dann müsste ich nicht mehr dauernd Finanztipps sehen, nur weil ich mal neugierig war, was Leute so für ihre Hobbys ausgeben.
Klar, auf Reddit gibt es auch Probleme. Man findet Orte, an denen sich Frauenhasser aufstacheln, an denen krude Verschwörungserzählungen getauscht werden oder Nutzer:innen sich gegenseitig beleidigen. In meinem persönlichen Unterhaltungskonsum kommen mir diese Orte kaum unter. Und auch klar, Reddit gehört einem großen Medienunternehmen mit eigenen kommerziellen Interessen. Trotzdem verbringe ich immer wieder Zeit auf der Plattform. Und die meisten von uns haben wohl ihre Guilty Pleasures im Internet, ganz egal ob sie TikTok, Reddit oder Instagram heißen.
Am Ende seines Kommentars schreibt Sebastian: „Wenn man von einer Sache wegkommen will, dann helfen interessante Alternativen.“ Da kann ich ihm nur recht geben. Denn noch viel lieber als über Reddit-Kommentare würde ich in einer Bar über das US-Gesundheitssystem diskutieren und lernen. Und über spielende Hunde im Park freue ich mich noch viel mehr als über die tausenden Vierbeinerfotos im Netz.
Ein sonniges Wochenende wünscht euch
anna