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Kann Hetenfeindlichkeit enthaltenIst das schon Aktivismus?

Ist es politisch, auf Sexpartys zu gehen und im Netz darüber offen zu schreiben? Unser Kolumnist über eine Diskussion, bei der am Ende niemand gewinnt.

Zwei Männer küssen sich
Wo fängt Aktivismus an und wo hört er auf? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Sushil Nash

Wie ich schon mehrfach hinwies, befinde ich mich nicht mehr so viel auf Twitter. Fast jedes Mal, wenn ich meine Timeline öffne, springt mir ein Tweet ins Auge, in dem sich ein Twitterer über einen anderen aufregt. Ich bin schrecklich neugierig und möchte nichts verpassen und frage nach, um wen es geht. Es fällt jedes Mal der Name eines jungen Mannes.

Dieser junge Mann, den ich hier „Max“ nennen will, ist bekannt dafür, regelmäßig auf Sexpartys zu gehen. Er twittert darüber und bezeichnet das als eine Form von Aktivismus. Er argumentiert, dass er sich mit anderen schwulen Männern „vernetzt“, um die sexuelle Befreiung und die Akzeptanz der LGBTQ+-Gemeinschaft zu fördern. Andere kritisieren ihn für diese Wortwahl. Ist das wirklich Aktivismus oder einfach nur eine Tarnung für unverbindlichen Sex?

Ist Sex politisch?

Jeder Mensch hat das Recht, über sein Privatleben und seine Sexualität selbst zu bestimmen. Wenn Max sich dazu entscheidet, auf Sexpartys zu gehen oder seine Sexualität auf andere Weise auszuleben, ist das seine persönliche Entscheidung und muss respektiert werden.

Aber was ist eigentlich Aktivismus? Definitionen dafür gibt es viele, auf der Wikipedia steht, als Aktivist*in wird „eine Person bezeichnet, die mit Taten Ziele fördert“. Aktivismus bezieht sich normalerweise auf Handlungen, die darauf abzielen, soziale oder politische Veränderungen herbeizuführen. Das kann der Kampf gegen die Klimakatastrophe sein, aber auch Diskriminierung zu bekämpfen.

Sexpartys, die ausschließlich auf persönliches Vergnügen ausgerichtet sind, können kaum als echter Aktivismus angesehen werden, auch wenn sie von Max als solcher bezeichnet werden.

Was jedoch ebenfalls bedenklich ist, ist die Tatsache, dass Max und andere behaupten, er werde wegen seiner „Aktivismus“-Sexpartys von Kritikern diskriminiert. Er argumentiert, dass diejenigen, die seine sexuellen Entscheidungen in Frage stellen, nichts besser seien als diejenigen, die sich über die Promiskuität von schwulen Männern aufregen.

Man darf genervt sein

Doch hier liegt eine wichtige Unterscheidung: Die Kritik an Max’s Verhalten basiert nicht auf Homophobie oder Diskriminierung, sondern auf der Frage, ob seine sexuellen Aktivitäten tatsächlich als Aktivismus betrachtet werden können.

Viele schwule Aktivisten fühlen sich von seinem Verhalten angegriffen. Sie fühlen sich davon angegriffen, dass er sich – ob ernst gemeint oder nicht – als Repräsentant einer Bewegung labelt. Am Ende entscheiden sowieso andere (meistens Heten), wen sie als Repräsentanten heranziehen wollen. Ob das den queeren Communities passt oder nicht, interessiert sie nicht.

Aber auch diejenigen, die auf Max drauf hauen, weil er sich als Aktivist bezeichnet, dauernd „vernetzt“ und „Kulturveranstaltungen“ besucht, liegen falsch. Max persifliert diejenigen, die jedes Treffen mit anderen queeren Menschen als „vernetzten“ bezeichnen und das in den sozialen Netzwerken auch so ständig kommunizieren.

Er ist genervt davon, dass gefühlt jeder Schwule automatisch Aktivist ist und alles gleich eine Kulturveranstaltung ist, statt einer (Sex-)Party. Man kann das falsch finden, dass er davon genervt ist, genauso wie man von ihm genervt sein kann.

Den einzig wahren Aktivismus gibt es nicht

Die Definition von Aktivismus ist vielfältig und kann von Person zu Person unterschiedlich interpretiert werden. Während Max seine sexuellen Aktivitäten als Aktivismus bezeichnet, indem er Sexpartys besucht und offen darüber spricht und schreibt, gibt es andere, die diese Ansicht nicht teilen.

Aktivismus beinhaltet normalerweise einen bewussten und engagierten Einsatz für soziale oder politische Veränderungen, um etwa Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Auch das Sprechen über Sex kann Aktivismus sein, denn es öffnet den Raum, um über Sexualität und Beziehungsnormen abseits der heteronormativen romantischen Zweierbeziehung zu debattieren.

Jede*r sollte für sich selbst entscheiden, was er als Aktivismus betrachtet und wie er sich in sozialen oder politischen Angelegenheiten engagieren möchte. Aber niemand kann für sich beanspruchen, den einzig wahren Aktivismus zu leben. Ich nicht, die hier Lesenden nicht und erst recht nicht die Heten.

3 Ergänzungen

  1. Ist diese Kolumne schon Aktivismus?
    Eigentlich ist die Frage ist eher: welch Aktivismus ist sie, bzw. ist ihr Aktivismus den Zielen von netzpolitik.org förderlich?
    Das meine ich gar nicht schnippisch.

    1. „Ist diese Kolumne schon Aktivismus?“
      Ist eine Rubrik in einer Zeitung Aktivismus? Ich finde nein. Demnach wäre das hier kein Aktivismus.

      „ist ihr Aktivismus den Zielen von netzpolitik.org förderlich?“
      Wer ist netzpolitik.org? Ich denke sie haben das zusammen beschlossen. Sie hielten es offensichtlich für förderlich oder sogar notwendig.

      Meine Meinung ist: Das ist förderlich, wenn es um Menschenrechte geht. Das ist förderlich, wenn es um „einander verstehen“ und Aufklärung und manchmal auch um eine andere Meinung geht.

      Und niemand muss das lesen, also schadet es nicht. Deshalb finde ich das förderlich.
      Ich bedanke mich bei NP für diese Kolumne ausdrücklich. Hut ab.

  2. Lieber Jascha Urbach, wo es gerade still hier ist eine Frage zum Text. Die kann auch gerne später, etwa als Randbemerkung in einem neuen Artikel, als Verweis oder auch gar nicht beantwortet werden. Es interessiert mich nur (und sonst ganz sicher nichts, als meine Ahnungslosigkeit).

    Wieso werden im letzten Satz „Heten“ besonders ausgeschlossen von etwas, wozu sowieso niemand das Recht hat. Wie kommt es überhaupt zu den Begriffen Heten und Hetenfeindlichkeit? Hat das eine Geschichte? Wikipedia und Suchmaschinen helfen mir da nicht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.