BibliothekenInternet Archive verliert Klage gegen Großverlage

US-Verlage wollen verhindern, dass Bibliotheken Bücher selbst einscannen und dann im Internet verleihen. Vor einem Gericht in New York hatten sie Erfolg gegen die Bibliothek des Internet Archive. Doch die Archivierungsplattform will sich nun wehren.

Eine Hand nimmt ein Buch aus einem Regal.
(Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Christin Hume

Das Internet Archive, das die wichtigste Organisation für die Archivierung des Internets und seiner Inhalte ist, hat ein Gerichtsverfahren gegen vier große Verlage verloren. Ein Richter am Bezirksgericht in New York hatte am Freitag entschieden, dass die gemeinnützige Organisation gegen das Urheberrecht verstoßen habe, als sie eingescannte Bücher im Internet auslieh. Sie habe nur das Recht, gemeinfreie Bücher, die nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind, einzuscannen und zu verleihen. Das Internet Archive kündigte umgehend an, die Gerichtsentscheidung (PDF) juristisch anzufechten.

Die US-Verlage Hachette Book Group, HarperCollins, John Wiley Sons und Penguin Random House hatten 2020 das gemeinnützige Internet Archive verklagt. Das Archiv hat in der Vergangenheit Millionen von Büchern digitalisiert, darunter auch 33.000 Titel der klagenden Verlage, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Das Internet Archive nutzt für seine Online-Ausliehe nicht die übliche kommerzielle Infrastruktur und Lizenzmodelle der Verlage, sondern ein Modell, das „Controlled Digital Lending“ (CDL) heißt. Die EFF beschreibt das Verfahren so: „Über CDL erstellen und verleihen das Internet Archive und andere Bibliotheken digitale Scans von gedruckten Büchern aus ihren Beständen, wobei sie strengen technischen Kontrollen unterliegen. Jedes Buch, das über CDL ausgeliehen wird, wurde bereits gekauft und bezahlt, so dass die Autoren und Verleger bereits vollständig für diese Bücher entschädigt wurden.“ CDL stellt sicher, dass nur so viele Bücher verliehen werden, wie auch physisch vorhanden sind, es ignoriert aber, dass die Verlage für E-Books ein anderes Lizenzmodell durchsetzen wollen.

Verlage wollen lukrativere Lizenzmodelle

Auf dem US-Bibliotheksmarkt ist „Controlled Digital Lending“ nicht der Standard. Vielmehr haben sich Geschäftsmodelle durchgesetzt, bei denen Unternehmen wie Overdrive den Bibliotheken die Bücher gegen eine Gebühr verleihen. In der Regel ist das deutlich teurer als bei analogen Büchern, heißt es in einem Artikel des New Yorker. Für Rechteinhaber ist dieses kommerzielle Modell jedoch lukrativer.

In der Corona-Pandemie hatte das Internet Archive von März bis Juni 2020 eine „Nationale Notfall-Bibliothek“ gestartet, welche die Schließung von öffentlichen Bibliotheken kompensieren sollte. In dieser Online-Bibliothek verlieh das Internet Archive allerdings mehrere Exemplare eines digitalen Buches auf einmal. Gegen diese Aktion gingen die Verlage in ihrer Klage vor, zielten aber insgesamt auf das Modell des „Controlled Digital Lendings“ ab.

Das Internet Archive beruft sich in seiner Argumentation auf die Fair-Use-Regel des US-amerikanischen Urheberrechts. Die Verlage hingegen sahen in der Aktion eine massive Urheberrechtsverletzung. Der Richter in Manhattan folgte nun der Sicht der Verlage. Er sagte laut der Agenturmeldung bei Reuters: „Obwohl das Internet Archive das Recht hat, gedruckte Bücher, die es rechtmäßig erworben hat, auszuleihen, hat es nicht das Recht, diese Bücher zu scannen und die digitalen Kopien massenweise auszuleihen.“

„Sie würden Bibliotheken verbieten“

Die Lobbyorganisation „The Authors Guild“ zeigte sich auf Twitter erfreut über das Urteil. „Wie wir schon lange argumentiert haben, ist das Einscannen und Verleihen von Büchern ohne Erlaubnis oder Entschädigung KEINE faire Nutzung – es ist Diebstahl und entwertet die Werke der Autoren.“ Dan Gillmor vom News Co/Lab der Arizona State University kritisierte hingegen laut dem Time Magazine die Entscheidung: „Die großen Verlage würden öffentliche Bibliotheken verbieten, wenn es möglich wäre – oder zumindest Bibliotheken daran hindern, Bücher zu kaufen und auszuleihen, wie sie es traditionell zum großen Nutzen der Öffentlichkeit getan haben. Ihre Kampagne gegen das Internet Archive ist ein Schritt in Richtung dieses Ziels.“

In einer Stellungnahme erklärte Internet-Archive-Gründer Brewster Kahle: „Bibliotheken sind mehr als nur die Kundendienstabteilungen für Datenbankprodukte von Unternehmen. Damit die Demokratie weltweit bestehen kann, müssen Bibliotheken in der Lage sein, ihre historische Rolle in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten – Bücher zu besitzen, zu bewahren und zu verleihen.“

Das Internet Archive hat zusammen mit Fight For the Future unter battleforlibraries.com eine Kampagne für ein bibliotheken- und damit bürgerfreundliches Urheberrecht gestartet.

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2 Ergänzungen

  1. Wenn das Urteil Bestand hat dürfte das weltweite Folgen haben und die Content Lobbyisten überall dazu ermutigen verstärkt gegen Bibliotheken vorzugehen und deren Rechte einzuschränken. Eine wie ich finde durchaus gefährliche Entwicklung des Neoliberalismus welche zu noch weniger Allgemeinwohl und Commons führen würde.

  2. Schon bemerkenswert, was willige Parlamente und durchsetzungsstarke Lobbyisten aus einer (amerikanischen) Verfassung machen können:
    Article I, Section 8, Clause 8, of the United States Constitution grants Congress the enumerated power „To promote the progress of science and useful arts, by securing for limited times to authors and inventors the exclusive right to their respective writings and discoveries.“
    Verleger kamen damals gar nicht vor, Geldverdienen auch nicht. Und um „70 Jahre nach dem Tod des letzten Miturhebers“ noch als „limited time“ interpretieren zu können, braucht es wohl mehr Kreativität als für die Erstellung der geschützten Werke …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.