Auch in dieser Woche dominiert der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Nachrichten und auch unsere Arbeit. Ein Aspekt dabei ist die Herrschaft über Informationen. Ausländische Social-Media-Plattformen etwa sind in Russland mittlerweile gesperrt – mit Ausnahme von TikTok. Die App ist in Russland weiterhin verfügbar, allerdings sind alle nicht-russischen Inhalte blockiert.
95 Prozent aller Inhalte sind damit nicht mehr abrufbar, schätzen Forscher:innen, und verantwortlich dafür ist TikTok selbst. Auf diese Weise werden kritische Inhalte zum Ukrainekonflikt zensiert, während pro-russische Propaganda verfügbar bleibt.
Derweilen hat Russland zumindest auf Twitter eine Möglichkeit gefunden, die europäische Zensur zu umgehen. Unter der Verwendung von offiziellen Regierungsaccounts verbreitet Russland dort weitgehend ungestört seine Narrative.
Dazu passt eine Untersuchung von Human Rights Watch. Die Menschenrechtsorganisation untersuchte die Maßnahmen der größten Social-Media-Unternehmen und Messenger-Dienste im Zusammenhang mit dem Krieg und macht auf Versäumnisse bei der Achtung der Menschenrechte aufmerksam.
Trotz aller Widrigkeiten versuchen Medien wie Meduza die russische Bevölkerung weiter mit unabhängigen Informationen zu versorgen. Das unabhängige Onlinemedium wurde bereits Anfang März in Russland gesperrt. Dennoch erreicht Meduza über Umwege Millionen Leser:innen in Russland und berichtet über den Krieg. Die Sanktionen stellen das Team jetzt vor Finanzierungsprobleme. Wir haben mit Katerina Abramova von Meduza über die Arbeit im Exil gesprochen.
Warnen und Brücken bauen
Wie weit die Informationskontrolle und Zensur durch Russland geht, zeigt auch der nächste Fall. Eine belarussische Sicherheitsbehörde hatte vergangenen Freitag einen Mitarbeiter der russischen Wikipedia festgenommen, der am Artikel zur Invasion Russlands in der Ukraine mitgewirkt hatte.
Der russische Angriffskrieg schlägt auch in der verschwörungsideologischen Szene Wellen. Nichtsdestotrotz sehen sich große Teil der Szene weiterhin auf der Seite Putins. Josef Holnburger von CeMAS erklärt in einem Interview, wie es dazu kommen konnte.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik warnt neuerdings vor der Verwendung von Virenschutzsoftware des russischen Anbieters Kaspersky. Vor allem im Falle von kritischer Infrastruktur sei der Einsatz gefährlich. Kaspersky hingegen wehrt sich gegen die Warnung. Diese beruhe nicht auf einer technischen Bewertung der Produkte und sei vielmehr politisch motiviert.
Angesichts des Krieges stellt sich schnell das Gefühl ein, selbst machtlos zu sein und nichts tun zu können. Unser Redakteur Markus Reuter hat einen Vorschlag: Im Netz gibt es ein Tool, mit dem man Nachrichten an zufällig ausgewählte russische Mobilfunknummern verschicken kann. Auf diese Weise kann man mit Menschen ins Gespräch kommen. Doch die dort verschickten Standardtexte sind ihm zu konfrontativ. Er macht Vorschläge, wie sich durch mehr Empathie Brücken bauen lassen.
100 Tage Ampel
Krieg und Pandemie – kein einfacher Start für die neue Bundesregierung. Trotzdem ist es nach 100 Tagen Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen. Wie sieht die Bilanz zu netzpolitischen Fragen aus? Wir haben bei zivilgesellschaftlichen Organisationen nachgefragt und das Zeugnis fällt durchwachsen aus.
Klar ist: Im Bereich der Digitalisierung gibt es noch große Baustellen. Die Regierungspartner sind zumeist noch mit den nötigen Vorbereitungen beschäftigt. Wird haben die Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg und Maik Außendorf interviewt und gefragt, wo es in der Sache noch klemmen könnte.
Begonnen hat nun zumindest ein neuer Anlauf für eine flächendeckende, schnelle Internetversorgung. Mit einem Maßnahmenpaket will Digitalminister Volker Wissing Deutschlands digitale Infrastruktur bis 2030 vollständig modernisieren. Die Eckpunkte für eine neue Gigabit-Strategie stehen fest. Doch damit es wirklich klappt mit Glasfaser to every Milchkanne müssen auch die Länder mitziehen.
Für mehr Übersicht im Ampelwald der Koalitionsvorhaben sorgt unterdessen FragDenStaat gemeinsam mit Wikimedia Deutschland und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Ein Koalitionstracker listet rund 250 Ziele der Regierung auf und schafft Transparenz zu deren Umsetzung. Auch wir beteiligen uns und werden einige Digitalthemen monitoren.
Eines der Ziele der neuen Regierung ist mehr Klimaschutz, auch bei der Digitalisierung. Aber wie erkennt man eigentlich, ob eine Software nachhaltig ist? Das Umweltbundesamt hat dafür in den letzten Jahren an einen „Blauen Engel“ für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte gearbeitet. Der Dokumentenbetrachter Okular bekommt nun als erstes Programm diese Auszeichnung. Und dabei geht es nicht nur um Ressourcenverbrauch, sondern beispielsweise auch um transparente Schnittstellen. Kein Wunder, dass Freie Software da im Vorteil ist.
Zeitloses und Schönes
Protest auf der Straße kennen wir, aber was sind eigentlich Bildproteste und welche Rolle spielen Soziale Medien dabei? Forscherinnen aus Dresden wollen das untersuchen. Wir haben sie interviewt und reden über erhobene Fäuste, Pinguine und die Frage, ab wann ein Bild selbst zum Protest werden kann.
Und wo wir gerade bei „Was ist eigentlich?“ sind: Was ist eigentlich Künstliche Intelligenz? Unsere Gastautorin Luise Meier findet, der Begriff mache vieles unsichtbar und tut so, als würden Algorithmen aus dem Nichts entstehen. Sie denkt lieber über die kollektive menschliche Intelligenz hinter der KI nach und erträumt sich eine Welt, in der wir gemeinsam Glücksmaschinen bauen.
Glücksgefühle hatten wir auch einige: Das tolle Spendenergebnis des vergangenen Jahres begeistert uns immer noch. Doch schon längst ist das neue Jahr gestartet. Im Mittelpunkt die Frage: Wie können wir eure Unterstützung bestmöglich einsetzen? Stefanie Talaska berichtet im Transparenzbericht zum Januar über unsere Pläne hinter den Kulissen.
Wir berichten ja eher selten über einzelne IT-Sicherheitsvorfälle, aber dieser hat uns dann doch gepackt: In der Nacht auf Mittwoch, kurz nach 2 Uhr, kam es in Wien zu einem eher ungewöhnlichen Hackerangriff. Die Glocken des Wiener Stephansdoms läuteten. Was war passiert? Die Glocken werden mittels eines Tablet gesteuert und das hat eine Internetverbindung. Mittlerweile ist Ruhe eingekehrt, die Glocken sind nur noch per VPN erreichbar.
Was in der EU passierte
Bald können nicht-europäische Behörden Personenlisten an die EU-Polizeiagentur Europol übergeben, um sie im Schengen-Raum zur Einreiseverweigerung, Festnahme oder Beobachtung ausschreiben zu lassen. Bisher wurde das Verfahren bereits „freiwillig“ praktiziert.
Bei Europol gab es weitere Veränderungen: Die Polizeiagentur hat ihre Informationssysteme komplett umstrukturiert. Außerdem ist jetzt der Nachfolger der Palantir-Analysesoftware bei Europol bekannt.
Mit der sogenannten Chatkontrolle sollen Dateien auf Endgeräten schon vor dem Abschicken und Verschlüsseln durchsucht und mit einer Datenbank abgeglichen werden, um Darstellungen von Kindesmissbrauch zu finden. Ende März will die EU-Kommission dafür ein Gesetzespaket vorschlagen. Bürgerrechtsorganisationen sind alarmiert und warnen vor einer neuen Form der Massenüberwachung.
Sind die heutigen sozialen Netzwerke überhaupt noch privat? Diese Frage stellt sich das Projekt „Grundrechte im Digitalen“. Sollten Facebook & Co den privaten Raum verlassen haben, stellt sich die Frage, ob sie auch wie staatliche Stellen Grundrechte garantieren müssten.
Ein Appell und ein Hinweis
Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink und Clarissa Henning haben einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Appell: Öffentliche Stellen wie Polizeien und Kommunen sollen sich von kommerziellen Sozialen Medien zurückziehen. „Raus aus Facebook, raus aus Twitter, raus aus TikTok“, heißt ihre Botschaft. Warum, das erklären sie in einem Gastkommentar.
Und wem letzte Woche unsere Recherchen zu der riesigen Pornoplattform xVideos gefallen haben, hier ein Service-Hinweis: Mittlerweile haben wir die beiden Texte über das Pornoimperium von nebenan und die Missstände auf der Plattform auf Englisch übersetzt. Also leitet sie gern an Leute weiter, die das vielleicht interessieren könnte, die aber unsere deutschen Texte nicht lesen können.
Jetzt bleibt uns nur noch, euch ein sonniges Früh-Frühlingswochenende zu wünschen! Bis zum nächsten Mal!
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