Online-WerbungFirmen greifen jede Minute Daten ab

Technologieunternehmen machen ihr Geld mit Online-Werbung. Ein neuer Bericht zeigt, in welchem Ausmaß sie dafür Daten abgreifen – und wo diese Daten landen.

die welt bei nacht aus dem weltraum fotografiert
Ein neuer Bericht zeigt, wie persönliche Daten dank Google und Co. bei Firmen in der ganzen Welt landen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com NASA

Eine Person, die in Deutschland im Internet unterwegs ist, wird im Schnitt jede Minute vermessen. Was schaut sie an? Wo geht sie hin? Auf das so geschnürte Datenpaket können Tausende Firmen zugreifen. Das geht aus einem neuen Bericht des Irish Council for Civil Liberties (ICCL) hervor. Firmen auf der ganzen Welt haben demnach Zugang zu teils sehr privaten Daten wie sexuellen Vorlieben oder politischer Haltung. Die Bürgerrechtsorganisation prangert die Aktivitäten der Tech-Giganten als „größtes Datenleck“ an.

Anhand interner Dokumente aus der Werbeindustrie beleuchtet der Bericht das so genannte Real-Time-Bidding, ein Verfahren, mit dem in Echtzeit Anzeigenplätze auf Webseiten oder Apps versteigert werden. Dafür wird erhoben, welche Inhalte sich Nutzer:innen ansehen oder wo sie sich befinden, um ihnen zielgenau passende Werbeanzeigen zeigen zu können. Die Zahlen des Berichts beziehen sich auf Europa und die Vereinigten Staaten. Pro Tag würden in Europa demnach 197 Milliarden mal Daten abgegriffen.

„Google und Microsoft größte Datensammler“

Der größte Akteur ist dem Bericht zufolge Google. Doch auch Microsoft sei in die obere Liga aufgestiegen, seit es Ende 2021 die Real-Time-Bidding Firma Xandr kaufte. Zwei weitere Unternehmen, die ebenfalls im großen Stil mit Daten handeln – Facebook und Amazon – sind in den ausgewerteten Dokumenten nicht berücksichtigt, so der ICCL. Laut den recherchierten Zahlen ist Google in Deutschland und Europa der größte Händler. Pro Jahr beläuft sich der Wert des Real-Time-Bidding dem Bericht zufolge auf 117 Milliarden Dollar in den USA und Europa. In der EU sollen es 2019 23 Milliarden Euro gewesen sein. Aus den Dokumenten geht außerdem hervor, dass der Umfang des Datensammeln in Europa deutlich geringer ist als in den Vereinigten Staaten.

Technisch ist das Real-Time-Bidding leicht nachvollziehbar: Sobald man eine entsprechende Seiten öffnet, sammelt ein Dienst im Hintergrund Gebote für die Anzeigenplätze. Die Bietenden analysieren sämtliche Daten der Person, die die Anzeige sehen soll und entscheiden, ob und wie hoch geboten wird. Der höchstbietende Dienst bekommt anschließend den Anzeigenplatz. All das läuft in Echtzeit, also innerhalb weniger Millisekunden ab. Zu den Daten, die alle Dienste während des Prozesses abgreifen können, zählen nicht nur Standort oder Alter. Sie beinhalten oft auch persönliche Vorlieben oder religiöse Orientierung.

Daten enden auf der ganzen Welt

Die Daten, die gesammelt werden, sind nicht nur für die Bieterdienste zugänglich. Laut dem Bericht des ICCL teilt in Europa allein Google die gesammelten Daten mit 1.058 Unternehmen. Darunter seien auch Firmen aus China und Russland. Ein weiteres Dokument aus der Tracking-Industrie zeigt, welche privaten Informationen gesammelt werden, darunter zum Beispiel, ob eine Person Suchtprobleme oder Geschlechtskrankheiten hat. Welche Konsequenzen das haben kann, zeigte erst kürzlich ein Fall in den USA, bei dem ein katholischer Newsletter-Dienst mithilfe von kommerziell zugänglichen Daten aus der Dating-App Grindr einen Priester als homosexuell outete.

4 Ergänzungen

  1. Dem Treiben kann man ein brutales Ende bereiten, wenn man JavaScript abschaltet, oder einzelne Scripts blockiert. Dann verdienen die Datenbroker nix.

    Mehr Fun wäre es, gezielt teure Auktionen zu provozieren. So könne man den gierigen Kapitalisten Verluste bescheren. Vielleicht sollten kluge Köpfe mal nach solchen Möglichkeiten suchen, die Preise in die Höhe zu treiben. Wenn Auktionskunden teuer zahlen, und zwar für nichts, dann könnte das etwas bewirken.

  2. Guten Tag,
    kann ich mich mit Werbeblockern (ich habe Pihole auf meinem Raspberrypi) diese Echtzeitwerbung umgehen oder können diese Firmen das umgehen?
    Mich würde es interessieren, ob es dafür blocklisten gibt.
    Es hört sich in deinem Text so an, als ob man den Firmen ausgeliefert ist…

    Viele Grüße,
    greentomato

  3. >> Es hört sich in deinem Text so an, als ob man den Firmen ausgeliefert ist… <<

    … ist man aber nicht. Leider geht der Artikel nicht auf die Abwehrmassnahmen ein.
    Ohne Javascript keine Auktionen. Daher sollten gute Ad-Blocker IMO ausreichend sein.

    Ich fände es besser, wenn Netzpolitik mehr auf technische Abwehrmaßnahmen hinweisen würde.

  4. Ich hab immer noch nicht kapiert, wie das genau aussieht. Könnt ihr euch dem Thema nicht mal aus Sicht eines Unternehmens widmen mit Grafiken?
    Ich habe bis heute, obwohl alle darüber sprechen, nicht begriffen wie so eine Internetdatei aussehen kann, welche Daten alles dein stehen und wie man als Unternehmen an die Daten rankommen kann?
    Ist es als Unternehmen möglich eine bekannte IP Adresse mir einer IP Adresse aus diesem Datenpool zu suchen?
    Also so richtig transparent macht ihr leider nicht wie so eine Internetakte aussieht. Das die alle Daten sammeln hat mittlerweile glaub ich jeder verstanden

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