Heute vor 33 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und es hat nur knapp zehn Monate gedauert, bis sie von genug Staaten ratifiziert wurde und in Kraft treten konnte. Viele denken bei der Kinderrechtskonvention vor allem an das Verbot, Kinder als Soldaten einzusetzen und das ganze andere Gräuel.
Sie beinhaltet aber auch Verpflichtungen von Staaten gegenüber Kindern, zum Beispiel in Artikel 6 Absatz 2: „Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.“
Oder: „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“ So steht es in Artikel 12.
Mal was Schönes zum Teilen
Ich wollte diesen Sonntag über etwas Schönes schreiben. Etwas, das gelesen wird und dann den Lesenden ein wohlig warmes Gefühl im Magen verursacht. Etwas, das man den Eltern auf WhatsApp schickt, auf Facebook teilt und am Ende noch einen Toot und einen Tweet absetzt. Denn schlechte Nachrichten haben wir ja zur Genüge.
Elon Musk hat Twitter gekauft und wir können alle der Clown-Show live zusehen. Das ist mehr Schadenfreude als wohlig warmes Gefühl im Magen und andere schrieben das besser auf, weil sie mehr Zeit auf Twitter verbringen. Für die Distinktion bin ich momentan mehr am tooten als am tweeten und hab gar nicht alles mitbekommen, sondern nur zwei Drittel der ganzen Shitshow. Ich geh schon mal in Deckung, falls gleich wieder irgendwo ein Musk-Fan aus dem Nichts kommt und sich vor mein gehässiges Geschwafel wirft, um seinen Meister zu beschützen. Spoiler: Du wirst nie so reich wie er, und Musk bist du egal.
Artikel 16 der Konvention setzt noch ein paar Pflichten obendrauf: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung […] zu schützen, so lange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils befindet.“
Probleme mit Pronomen
Heute vor 63 Jahren wurde von der Vollversammlung der Vereinten Nationen die „Deklaration über die Rechte des Kindes“ verabschiedet. Sie hat immerhin dreißig Jahre lang gehalten. Ob Musk sich so lange bei Twitter hält?
Es bleibt auf jeden Fall spannend. Und ja, Musk hat von einer Sache noch nicht genug: Häme. Wir sollten bei Milliardären eh alle mehr Häme zeigen. Vor allem bei einem Milliardär, der den Kommunismus dafür verantwortlich macht, dass seine Tochter Vivian nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Vivian musste 18 Jahre alt werden, um sich von ihrem Vater distanzieren zu können und staatlich anerkannt zu bekommen, dass sie eine Frau ist.
Artikel 24 Absatz 1: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit. Die Vertragsstaaten bemühen sich sicherzustellen, dass keinem Kind das Recht auf Zugang zu derartigen Gesundheitsdiensten vorenthalten wird.“
„Zur Wiederherstellung der Gesundheit“ – da kann doch niemand was gegen sagen. Ist doch gut, wenn unsere Kinder und Jugendlichen gesund sind, oder? Mitte 2018 erst wurden alle mit trans zusammenhängenden Kategorien aus dem ICD gestrichen, der international gültigen Liste von Krankheitsdiagnosen. Die eigene geschlechtliche Identität wurde bis dahin als Krankheit bewertet und die Gesundheit musste wieder hergestellt werden. Auch heute, jetzt gerade, versucht wieder jemand, queeren Menschen zu erzählen, dass sie sich selbst einfach nur falsch sehen. Dass es nur zwei Geschlechter gibt. Ja gut, schwul oder lesbisch geht, aber alles andere ist doch krank.
Elon Musk hat schon länger ein Problem mit Pronomen und ich kann mir wirklich nicht vorstellen, warum seine Tochter nichts mit ihm zu tun haben will und deswegen vor Gericht geht.
Wir zünden Kerzen an, ihr hört zu
Und ein weiterer Jahrestag: Heute vor 23 Jahren wurde der Transgender Day of Remembrance ins Leben gerufen. Er erinnert an die Mordopfer von Transphobie. Wir zünden Kerzen an, lesen ihre Namen vor. Auch von denen, die sich selbst getötet haben.
Trans Jugendliche haben ein erhöhtes Suizid-Risiko. Sie bekommen weder die medizinische Versorgung, die sie brauchen, noch werden sie vor Eltern geschützt, die sie ablehnen und im schlimmsten Falle gewalttätig werden. Alles Dinge, die ihnen laut Kinderrechtskonvention zustehen. Die Vertragsstaaten gewährleisten ihnen nicht im größtmöglichen Umfang das Überleben und die Entwicklung, wie es doch Artikel 6 vorschreibt.
Es muss nicht immer gleich das Schlimmste sein. Es muss nicht mal körperliche Gewalt sein. Die Konvention will im Endeffekt ein Umfeld für Kinder und Jugendliche schaffen, in dem sie sich entwickeln können, aufblühen und sich nicht verstecken und selbst verleugnen müssen.
Die Realität ist aber, wie es der Zaunfink auf Mastodon beschreibt: „Queer sein kann heißen, Lebensjahre zu betrauern, die man damit verbracht hat, eine Spur zu finden, unsichtbar zu bleiben, die Luft anzuhalten, sich wegzufühlen, im Nebel zu stochern, nach Worten zu suchen, Fragen kaum zu wagen und vor Antworten zu fliehen. Jahre, in denen man einfach hätte leben können. […] Ich hoffe, dass es jüngeren Generationen irgendwann erspart bleibt.“
In einer Welt, in der Kinder und Jugendliche den Raum haben, Fragen zu stellen, sich selbst in Frage zu stellen, uns Erwachsene in Frage zu stellen und – egal, welche Fragen sie stellen – von uns unterstützt werden, in so einer Welt müssten wir nicht über verlorene Jahre und Leben trauern.
Wir zünden heute Kerzen an und lesen ihre Namen vor. Und ihr hört gefälligst zu.
Korrekturhinweis: Wir haben einen Absatz der Kolumne gelöscht.
si tacuisses, philosophus mansisses
Als alter weißer Hetro-Sack kann ich dem kaum mehr etwas hinzufügen – sowieso nichts als weitgehende Zustimmung!.
Vielleicht jedoch eine eigentlich selbstverständliche Klarstellung für kleine Dummerchen wie mich, wo du auch von den Selbstmorden geschrieben hast. Es wäre möglich das misszuverstehen.
Depressiv oder suizidgefährdet wird man nicht weil man etwa eine andere Vorstellung vom eigenen „Geschlecht“ (im weitesten Sinn) hat.
Depressiv kann man werden, wenn man andauernd Diskriminierung, ungerechtfertigten Erwartungen und Schubladendenken ausgesetzt ist.
Weil, wir neigen dazu die „Schuld“ bei den Opfern zu suchen, um die eigenen Hände in Unschuld zu waschen. Das ist so menschlich wie falsch. Leider ist der Umkehrschluß nicht so einfach zulässig (… ich bin schuld und hänge mich nun auch auf bringt niemanden weiter, ist genau so fatal).
Kurz: Diskriminierung heißt das Übel, schafft unglaubliches Leid. Lass uns die zusammen weg machen.