Gewerkschafter Chris SmallsDavid gegen Goliamazon

Amazon behauptet, es brauche keine Gewerkschaften. Die Angestellten sehen das offenbar anders – und stimmen in New York für die erste US-Gewerkschaft bei Amazon. Dazu haben besonders die Erfahrungen eines ehemaligen Mitarbeiters beigetragen.

Chris Smalls ist eine schwarze Person, trägt ein rotes Tshirt, auf dem ALU steht, und hat die Faust erhoben. Im Hintergrund stehen mehrere Personen.
Amazons Angstgegner: Gewerkschafter Chris Smalls – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / MediaPunch

In Deutschland war es Freitagnacht, als die Niederlage für Amazon in New York feststand. Mit 2.654 Ja-Stimmen votierte die Belegschaft im Warenhaus JFK8 auf Staten Island für eine Gewerkschaftsvertretung. Damit entsteht dort die erste Gewerkschaft bei Amazon in den USA.

Die Amazon Labor Union (ALU), die nun den Sieg davontrug, ist keine erfahrene oder etablierte Gewerkschaft. Der Gründer Chris Smalls wurde vor zwei Jahren von Amazon gekündigt, angeblich wegen Verstößen gegen Abstands- und Quarantäneregeln. Zuvor hatte er Proteste für mehr Schutz der Angestellten vor Covid-19 initiiert.

Mittlerweile leitet Smalls die ALU, ein Leichtgewicht verglichen mit der etablierten Retail, Wholesale and Department Store Union, die seit 1937 existiert. Die hatte Belange von Angestellten im wachsenden Onlinehandel lange vernachlässigt, kämpft aber nun auch in Alabama für die Organisierung der Amazonbeschäftigten.

Smalls Strategie

In New York aber hat sich die ALU gegen Amazon durchgesetzt, trotz einer aufwändigen Anti-Gewerkschaftskampagne des Unternehmens. Angestellte wurden beispielsweise von externen Antigewerkschaftberater*innen über negative Effekte einer Organisierung informiert, wofür Amazon mehrere hunderttausend Dollar ausgab.

Wortführer für die Amazon-Belegschaft war der Mitdreißiger Chris Smalls. Er kam 2015 zu Amazon und hatte davor bereits in mehreren Warenhäusern gearbeitet. Mit Beginn der Covid-19-Pandemie forderte er von den Vorgesetzten bessere Schutzmaßnahmen, organisierte einen Protest und wurde anschließend gefeuert.

Chris Smalls und seine Mitstreiter:innen setzten für die Wahl auf TikTok und Twitter und posteten dort Videos von Essensverteilungen, Aufklärungskampagnen und den ständigen Versuchen von Amazon, die Organisierung zu verhindern. Immer wieder machte Smalls auf seine Geschichte aufmerksam und wurde so auch zu einem Symbol in den Medien. Dass Vorgesetzte ihn intern als „nicht schlau oder wortgewandt“ bezeichnet hatten, erregte viel Aufmerksamkeit, nicht nur in den USA. Vor der Wahl wandte er sich per Video an die Angestellten und warf Amazon vor, Profite über Menschen zu stellen.

Auch in Deutschland fordern Gewerkschaften seit Langem bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. In der Zustellung wurde Amazon in einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des DBG-Bildungswerks Thüringen vorgeworfen, die Verantwortung für das Einhalten von Mindestlohnstandards an Subunternehmen abzugeben, die diese nicht erfüllen. Nach dem Bekanntwerden der Gewerkschaftsgründung in New York hat Amazon angekündigt, in seinen Logistikzentren in Deutschland 6.000 neue Mitarbeiter*innen einzustellen.

Was passiert jetzt?

Bis die ALU die Arbeitnehmer:innenschaft offiziell vertreten kann, wird es allerdings noch dauern. Amazon erwägt, gegen die Wahl Einspruch einzulegen. Wohl auch, um Staten Island nicht zum Vorbild für andere Standorten zu machen. Dennoch wurde in Bessemer im US-Bundesstaat Alabama ebenfalls über eine Gewerkschaft im dortigen Amazonlager abgestimmt. Das Ergebnis ist aufgrund angefochtener Stimmen noch offen.

Sobald die Wahl in New York bestätigt wird, beginnen Vertragsverhandlungen zwischen Amazon und der ALU über Löhne und Arbeitsbedingungen der Angestellten, die Amazon bisher eigenständig diktieren konnte. Chris Smalls hat bereits gehandelt und Amazon zu Verhandlungen im Mai aufgefordert.

Korrektur vom 5. April 2022: Nachträglich wurde klargestellt, dass Amazon einen Einspruch bislang nur erwägt, aber noch nicht angekündigt hat.

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