Beschwerde in BrüsselDeutsche Presseverbände bekämpfen Googles Cookie-Kill

Google möchte Third-Party-Cookies in seinem Chrome-Browser bald generell blockieren. Um das zu verhindern, beschweren sich Medienverlage und Werbefirmen unter Führung von BDZV-Präsident Mathias Döpfner bei der EU-Kommission.

Mathias Döpfner
Hat Angst vor Google: BDZV-Präsident Mathias Döpfner – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sven Simon

Verbände der Presseverlage und der Werbeindustrie haben bei der EU-Kommission eine Wettbewerbsbeschwerde gegen Google eingereicht. Dass der Konzern Third-Party-Cookies in seinem Chrome-Browser generell blockieren will, bedroht aus Sicht der Verlage ihr Werbegeschäft. „Die Verleger müssen weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Nutzer um ihre Zustimmung zur Datenverarbeitung zu bitten, ohne dass Google diese Entscheidung übernimmt“, heißt es in der Beschwerde, aus der die Financial Times zitiert. Eingebracht wurde sie vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft und weiteren Verbänden.

Die meisten Webseiten heute enthalten Cookies von Drittanbietern, die persönliche Daten an Werbefirmen weitergeben. Das ärgert Datenschützer:innen, da die rechtliche Grundlage dafür oft fragwürdig ist, etwa kommen manipulative Cookie-Banner zum Einsatz, die eine Einwilligung der Nutzer:innen quasi erschleichen. Entscheidungen von Gerichten und Datenschutzbehörden haben in den vergangenen Jahren Druck aufgebaut, etwas an der gängigen Datensammelei durch Cookies zu ändern.

Google hat bereits Anfang 2020 angekündigt, in Chrome generell Cookies blockieren zu wollen, die nicht direkt von den Betreiber:innen einer Website stammen. Da Chrome mit mehr als drei Milliarden Nutzer:innen der weltweit meistgenutzte Browser ist, würde dies de facto das Ende solcher Cookies bedeuten. Allerdings sorgte der Schritt Googles für Empörung unter Werbefirmen, aber auch Presseverlagen, die Einnahmeverluste fürchten. Darum hat Google die Einführung immer wieder verschoben, zuletzt von Anfang 2022 auf Ende 2023.

Neue Ideen Googles kritisch beäugt

Für Argwohn sorgen auch Konzepte Googles, Cookie-Tracking durch ein neues System zu ersetzen, bei dem Nutzer:innen aufgrund ihrer Daten einer eng zugeschnittenen Gruppe mit ähnlichen Vorlieben zugeordnet werden. Diese Gruppenzugehörigkeit wird im Browser gespeichert, über sie kann gezielt Werbung ausgespielt werden. Google nennt das „Federated Learning of Cohorts“, kurz FLoC. Googles Konkurrenz kritisiert, das System werde Googles Dominanz am Werbemarkt vermutlich ausweiten, da dem Chrome-Browser des Konzerns dann eine zentrale Rolle beim Ausspielen von Werbung zukommen würde.

Googles Dominanz am Online-Werbemarkt ist bereits Gegenstand eines Kartellverfahrens der EU-Kommission, auch die britische Wettbewerbsbehörde prüft Pläne und Änderungen Googles im Rahmen seiner „Privacy-Sandbox“-Initiative, die vorgeblich dem Schutz der Privatsphäre dienen. Google beteuert, seine geplanten Maßnahmen würden „keine Daten-Vorteile für Google-Werbeprodukte“ bedeuten. Wie die EU-Kommission mit der neuen Beschwerde des BDZV und weiterer Verbände umgeht, war zunächst unklar.

Google betonte auf Anfrage von netzpolitik.org: „Die Menschen wollen ein privateres, sicheres Web, und wir haben Ideen vorgeschlagen, wie man es mit neuen digitalen Werbetools aufbauen kann, um die Privatsphäre zu schützen und verdecktes Tracking zu verhindern und gleichzeitig ein florierendes, werbefinanziertes offenes Web zu unterstützen.“

Druck auf Google machen unterdessen auch US-Justizbehörden. Generalstaatsanwälten mehrerer US-Bundesstaaten behaupten in einer vor einem Gericht in New York eingebrachten Klageschrift, Google habe bei Echtzeitauktionen von Werbeflächen in seinem Werbemarkt Adx systematisch betrogen. Hätten Google und Facebook eine geheime Absprache getroffen, persönlich vereinbart zwischen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Google-Chef Sundar Pichai, die beiden Konzernen Vorteile gegenüber Kund:innen brachte. Aus der Klageschrift geht hervor, dass auch die Generalstaatsanwälte Googles Cookie-Kill vor allem als Maßnahme interpretieren, den Wettbewerb abzutöten.

7 Ergänzungen

  1. Protestiert da die Presse, die gerne für sich in Anspruch nimmt, demokratische Freiheiten zu verteidigen und als Vertreter der Bürger diese vor Überwachung und Zensur zu schützen?

    Die Presse, die sonst immer Marktwirtschaft predigt und survival of the fittest?

    Seit die Medien sich immer stärker hinter Paywalls verstecken und Adblocker sperrt, sollte die Diskussion über Third-Party-Cookies sowieso hinfällig sein: Registrierte Kunden braucht man nicht über Third-Party-Cookies zu tracken, und nicht-registrierte Kunden kann man aussperren, wenn sie keine Cookies akzeptieren.

    Dann entscheiden die Kunden, ob sie lieber auf Chrome verzichten oder auf BILD Online.

    Das ist doch demokratischer als Hinterzimmerdeals zwischen Google und Springer?

  2. Wenn ich Kekse will, back ich mir selber welche!
    Internetseiten und Browser sind heutzutage überfrachtet genug. Weniger ist oft mehr. Zudem benötige ich keine Tracker und Spyware. Davon hab ich nichts.

  3. Jemand schlaueres als ich hat mal geschrieben:
    „Wenn dein Business Model darauf basiert, das alle Daten unverändert ausgeliefert werden, ist es kaputt“.

  4. Wer sagt den Behörden jetzt das Tracking und Cookies nicht notwendig ist, um Werbung zu schalten? Und wer sagt der EU das alle Firmen alle werberelevanten Firmen in die Technischen Cookies gepackt haben? Selbst wenn man „Legitimes Interesse“ deaktiviert sind in den Technischen Cookies vor allem Werbefirmen.

    Das aktuelle Opt-in Modell führt dazu, das zum ohnehin personalisierten Tracking über „Technische Cookies“ noch mehr Firmen die Daten bekommen. Aber das Opt-in Modell führt nicht dazu, das keine personalisierte Werbung stattfindet. Und abgesehen davon: Selbst wenn du zu den wenigen gehörst und allen Cookies zustimmst, sind die meisten Beiträge mittlerweile hinter einer PayWall versteckt

  5. Find ich gut, dass Google das vor hat. Seit geraumer Zeit sind in den Header knd footern Werbeclips eingebaut. Ständiger Autoplay selbst wenn deaktiviert frisst viel Datenvolumen.

    Demganzen Werbetreiben einen Riegel vorzuschieben ist genau der richtige Schritt. Auch wenn es hier andere Beweggründe gibt.

    Als Nutzer kann ich kaum noch im Netz surfen ohne mit Werbung bombardiert zu werden. Zu mL es dann auch noch Betteiber gibt die zu Spenden aufrufen, weil eine Website geldkostet. Aber kräftig Werbung schalten können um damit Einnahmen zu generieren.

    Please stop it!

  6. Verstehe das Problem nicht: bei vielen Presseverlagen ist es schon lange üblich, die Leser vor dem Lesen zum Abschalten sämtlicher Privatsphäre- und Schutzvorrichtungen zu nötigen. Kein Adblocker, kein No Script, alle Cookies akzeptieren. Gleich mit Anleitung, wie man das alles abschaltet. Wenn Chrome die nötigen Cookies nicht unterstützt, können die Kunden halt mit einem anderen Browser zur Medienseite ihrer Wahl surfen.

    Wobei sich ohnehin schon die Frage stellt, wie das alles mit der DSGVO vereinbar sein soll, die ja vorschreibt, dass Kunden nicht zur Abgabe von Daten genötigt werden dürfen, die nicht unbedingt erforderlich sind.

    Und was die Frage aufwirft, ob denn die Presseverlage wohl die Do-not-Track-Einstellung im Browser respektieren, mit der Kunden zum Ausdruck bringen, dass sie einem Tracking ausdrücklich NICHT zu stimmen.

  7. Hm, einerseits bin ich froh, über jeden gesparten Cookie – andererseits: Heißt das nicht wieder, dass Google hier nur sein Monopol ausweitet, indem es alleinig darüber bestimmt, welchem Tracking die User ausgesetzt werden?

    Ich habe den Eindruck, dass Google sich hier zum Schützer der armen, ausgespähten Nutzer:innen aufspielt, wenn die Wahrheit ist, dass es hier um ein feudales System geht: „Ich sorge mit aller Kraft dafür, dass Dich niemand trackt! (… Außer mir.)“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.