Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Obwohl ich seit über fünf Jahren und bereits in zweiter Periode Mitglied des ZDF Fernsehrats bin, durfte ich noch nie an einer Intendantenwahl teilnehmen. Thomas Bellut, Intendant des ZDF seit Juni 2011, wurde bereits am 18. September 2015 (!) für seine zweite und aktuelle Amtszeit ab März 2017 gewählt. In der gesamten letzten Fernsehratsperiode – der ersten nach der Neuordnung des Gremiums in Folge des BVerfG-Urteils zum ZDF-Staatsvertrag – fand deshalb keine Intendantenwahl statt.
Der ZDF-Staatsvertrag (PDF) sieht vor, dass der Intendant mit einer Mehrheit von „drei Fünftel der Stimmen der gesetzlichen Mitglieder“ des Fernsehrats „auf die Dauer von fünf Jahren“ gewählt wird. Im März 2021 beginnt also das letzte Jahr der laufenden Intendantenperiode und es dürfte noch dieses Jahr neu gewählt werden. Denn heute hat Thomas Bellut per Mail an alle Mitglieder des Fernsehrats bekannt gegeben, dass er keine dritte Amtszeit als ZDF-Intendant anstreben wird:
[Z]weimal wurde ich vom Fernsehrat zum ZDF-Intendanten gewählt. Deshalb möchte ich mich heute zuerst direkt an Sie wenden. Meine Amtszeit endet am 14. März 2022. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mich nicht um eine dritte Amtszeit bei Ihnen bewerben möchte. Meinen Vertrag erfülle ich gerne, die kommenden 12 Monate bieten noch zahlreiche Herausforderungen: Corona, Digitalisierung, Finanzausstattung des ZDF und die Bundestagswahl, um nur einige zu nennen. Am 15. März 2022 ist es dann nach 40 spannenden Jahren im Mediengeschäft vorbei. Zeit für den nächsten Lebensabschnitt.
Diese Erklärung erfolge laut Bellut „ein Jahr vor Ablauf des Vertrages“, um so dem Fernsehrat ausreichend Zeit zur Regelung der Nachfolge einzuräumen. Spätestens in seiner Sitzung im Dezember diesen Jahres dürfte also der Fernsehrat über Belluts Nachfolge entscheiden, vielleicht auch schon in der Sitzung davor.
Wer bringt sich in Stellung?
Gleichzeitig wurde außerhalb der offiziellen Gremien bereits vor dieser Erklärung von Thomas Bellut diskutiert und es machen Gerüchte die Runde. Wenn eine prominente ZDF-Journalistin im „schwarzen Freundeskreis“ zu Besuch ist, um über ihre jüngste Arbeit zu sprechen, wird das als ein Sich-in-Stellung-Bringen gewertet. Von einem anderen hochrangigen Mitglied der ZDF-Führungsmannschaft wiederum heißt es, er habe den Freundeskreis bewusst nicht besucht, obwohl er durchaus ebenfalls im Rennen für die Bellut-Nachfolge sei.
Während also die Namen einer Reihe von „logischen“ Nachfolgekandidat:innen aus dem ZDF selbst kursieren, werden von manchen auch zwei Personen genannt, die nicht nur für einen Generations-, sondern auch für einen digitalen Strategiewechsel stehen würden. Ihre Namen kursieren vor allem unter jenen, die jenseits traditioneller politischer Lager denken und den Bedarf nach mehr Digitalkompetenz sehen. Und weil ich beide für eine außerordentlich gute Wahl halte, möchte ich sie hier auch explizit nennen.
Bereit für digitalen Umbruch?
Juliane Leopold, geboren 1983 in Halle/Saale, schreibt auf ihrer Webseite, sie habe ihre „Leidenschaft für das Internet zum Beruf gemacht“. Sie hat nicht nur Erfahrung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell bzw. zuvor Redaktionsleiterin von Tagesschau.de, sondern zeichnete sich auch unter anderem verantwortlich für den Aufbau von BuzzFeed Deutschland.
Im Unterschied zu Leopold hat Florian Hager noch nicht einmal eine eigene Wikipedia-Seite, was allerdings vor allem gegen die (Relevanzkriterien der) Wikipedia spricht. Er ist seit Kurzem stellvertretender Programmdirektor bei der ARD, hat davor aber als Geschäftsführer gemeinsam mit Sophie Burkhard das öffentlich-rechtliche Jugendangebot funk aufgebaut. Der Branchendienst DWDL porträtierte ihn Ende letzten Jahres als „digitalen Weichensteller der ARD“.
In der bisherigen Besetzungslogik von Intendantenposten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wären beide wahrscheinlich als „zu jung“ gar nicht in Betracht gezogen worden. Angesichts der bevorstehenden digitalen Transformationsaufgaben könnte genau das kein Bug, sondern ein Feature der beiden sein.
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