ZensurheberrechtGlyphosat-Gutachten durfte veröffentlicht werden

Das Landgericht Köln hat heute entschieden, dass die Veröffentlichung eines offiziellen Gutachtens zu Glyphosat durch FragDenStaat keine Urheberrechtsverletzung war. Der Fall könnte wegweisend sein, doch das Bundesinstitut für Risikobewertung hat bereits angedeutet, dass es das Urteil nicht akzeptieren will.

Demonstrierende gegen Glyphosat
Eine Demonstration von Glyphosat-Gegner:innen 2016. CC-BY-SA 2.0 BUND Bundesverband

Das Landgericht Köln hat die Informationsrechte gegenüber staatlichen Stellen ein kleines Stück gestärkt. Nach einer Klage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gegen FragDenStaat hat das Gericht heute geurteilt, dass die Veröffentlichung eines amtlichen Glyphosat-Gutachtens auf der Transparenz-Plattform nicht gegen das Urheberrecht verstieß.

Glyphosat ist ein umstrittener Bestandteil von Unkrautvernichtungsmitteln, die von Agrarkonzernen wie Monsanto seit Jahrzehnten vertrieben werden. Seit langem tobt eine politische Debatte um den Einsatz des Pestizids. Weil Glyphosat schädlich für Umwelt und Gesundheit sei, kritisieren Umweltschützer:innen die Zulassung, die 2019 von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erneuert wurde.

Das besagte Gutachten von 2015 unterstützte das Landwirtschaftsministerium in seiner Haltung, nicht von einem Krebsrisiko auszugehen. Kritiker:innen monierten, dass die Einschätzung des Ministerium unterstellten Instituts interessengeleitet und in Teilen von der Industrie abgeschrieben sei. FragDenStaat veröffentlichte deshalb das bis dahin unter Verschluss gehaltene Dokument. Dagegen ging das Bundesinstitut mit dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung vor.

Urheberrechtlichen Schutz verloren

Das Landgericht Köln kommt nun zu dem Schluss, dass das Gutachten zwar grundsätzlich urheberrechtlich geschützt gewesen sei. Da das BfR allerdings nach einer Anfrage-Aktion von FragDenStaat im vergangenen Jahr das Dokument per Allgemeinverfügung an 45.000 Personen zusenden musste, verlor das Gutachten laut Gericht seinen urheberrechtlichen Schutz. Zudem sei auch bereits die ursprüngliche Veröffentlichung von der Zitatfreiheit gedeckt gewesen.

Das Urteil könnte Auswirkungen auf ähnliche Verfahren im Bereich des Zensurheberrechts haben. Immer wieder wollen Behörden die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten mit Verweis auf das Urheberrecht verbieten. Fragen auch in diesen Fällen tausende Personen dasselbe Dokument an, dürfte der urheberrechtliche Schutz dort ebenfalls fraglich werden.

Dem heutigen Urteil des Landgerichts geht ein fast zweijähriger Rechtsstreit voraus. Das BfR hatte FragDenStaat abgemahnt und dann verklagt. Eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung war erst vom Landgericht erlassen, dann wegen Formfehlern der Behörde aber zurückgezogen worden. Die Bundesregierung ging in den vergangenen Jahr auch gegen Veröffentlichungen anderer Medien zu diesem Thema vor.

Fall geht wahrscheinlich in nächste Instanz

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das BfR hatte in der mündlichen Verhandlung zum Fall bereits angedeutet, gegen die Entscheidung des Landgerichts in Berufung zu gehen. Es ist wahrscheinlich, dass der Fall durch alle Instanzen zum Bundesgerichtshof verhandelt wird und möglicherweise auch dem Europäischen Gerichtshof zur Schaffung einer europäisch einheitlichen Lösung vorgelegt wird.

Zuletzt hatte der Bundesgerichthof im Zusammenhang mit den „Afghanistan-Papieren“ der Geheimhaltung mit Mitteln des Urheberrechts eine deutliche Absage erteilt und das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung von Originaldokumenten betont.

Organisationen wie Wikimedia, Reporter ohne Grenzen, der Deutsche Journalistenverband (DJV) und FragDenStaat fordern seit langem, das Urheberrecht so anzupassen, dass amtliche Dokumente nicht mehr unter Berufung auf das Urheberrecht geheimgehalten werden können.

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Eine Ergänzung

  1. Es muss sichergestellt werden, dass sämtliche Dokumente, die eine Regierung, Beamte und Angestellte im Rahmen ihrer Arbeit anfertigen frei von Copyright sind. Darüber hinaus ist es unumgänglich dies auch auf Dokumente zu beziehen, die im Auftrag der Regierung angefertigt wurde oder durch öffentliche Mittel unterstützt wurden.

    Das sollte eigentlich schon hierdurch gegeben sein https://de.wikipedia.org/wiki/Amtliches_Werk, doch leider wird das oft einfach ignoriert.

    Anders als in Deutschland hat die amerikanische Regierung sogar eine ganze FAQ Seite zu dem Thema: https://www.usa.gov/government-works

    Ich wüsste nicht, wo ich eine vergleichbares FAQ der Bundesregierung suchen sollte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.