Der letzte Jahresbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) Ulrich Kelber enthält eine lange Liste an Empfehlungen für Bundesregierung und Behörden, um aktuelle Defizite beim Datenschutz zu verbessern. Besonders kritisch sieht der Datenschützer, dass Sicherheitsbehörden immer weitere Befugnisse bekommen, ohne dass frühere Kompetenzerweiterungen evaluiert wurden (wir berichteten). Zwei Monate sind seitdem vergangen und die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke von Die Linke hat bei der Regierung nachgefragt, welche Schlussfolgerungen sie aus der Kritik und den Empfehlungen Kelbers zieht.
Kelber stellte beispielsweise fest, dass er als Bundesdatenschutzbeauftragter Abhilfebefugnisse gegenüber der Bundespolizei benötigt. Er hatte bemängelt, dass zwar im Entwurf für ein neues Bundespolizeigesetz Möglichkeiten wie Anordnungen für ihn vorgesehen sind, die gingen ihm jedoch nicht weit genug: „So soll etwa eine Anordnung nur nach einer Beanstandung möglich sein. Es fehlt zudem an der ausdrücklichen Möglichkeit zur Löschanordnung. Eine wirksame Abhilfe ist so gefährdet“, heißt es in seinem Tätigkeitsbericht.
Laut Fragestellerin Jelpke seien solche Befugnisse „schon lange überfällig“, doch in der Antwort auf ihre Kleine Anfrage verweist die Bundesregierung lediglich auf die geplante Novelle des Bundespolizeigesetzes. Die droht jedoch Medienberichten zufolge an Uneinigkeiten innerhalb der Großen Koalition zu scheitern.
Jelpke dauert das offensichtlich zu lange: „Das könnte auch kurzfristig eingeführt werden, ohne auf den ‚großen Wurf‘ eines neuen Bundespolizeigesetzes zu warten. Aber die Bundesregierung hat offenbar keine große Eile damit, Datenschutzverstöße der Polizei konsequent anzugehen“, so die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
Geheimdienstkontrolle bleibt ein Problem
Neben der Polizei gibt auch die Datenschutzaufsicht über Bundesnachrichtendienst und Bundesverfassungsschutz immer wieder Anlass zur Kritik. Kelber berichtet von Problemen durch die sogenannte Third-Party-Rule. Wenn Datensätze bei deutschen Geheimdiensten etwa von ausländischen Partnerdiensten stammen, kann der Bundesdatenschutzbeauftragte sie aktuell kaum kontrollieren. Die Geheimdienste ziehen sich regelmäßig darauf zurück, dass sie dem Partnerdienst, von dem eine Information kommt, Vertraulichkeit zugesichert haben und sie daher nicht ohne deren Einverständnis weitergeben können.
„Eine Rückmeldung der ausländischen Partnerdienste zu der Frage, ob auch ich Kenntnis von diesen Datensätzen erhalten kann, steht noch aus“, heißt es zur Kontrolle der Anti-Terror-Datei beim BND aus den Jahren 2018 und 2019. Auch was ausländische Partnerdienste mit Daten aus gemeinsamen Dateien tun, bleibt verborgen. Die Bundesregierung erkennt das offenbar nicht als Problem an: „Die Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste bei der Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien unterliegt jeweils der Kontrolle von deren Datenschutzaufsichtsbehörden.“ Dadurch sei eine Kontrolle gewährleistet, heißt es nüchtern.
Jelpke wirft dem BND vor, dass er nicht von seinen Möglichkeiten Gebrauch mache, die Verwendung von Daten durch ausländische Nachrichtendienste nachzuverfolgen, die in gemeinsamen Dateien mit diesen gespeichert sind. „Das unterlässt er aber konsequent, was erneut zeigt, dass Geheimdienste und Datenschutz unvereinbar sind.“
Bei der BND-Kontrolle wird der Gesetzgeber nun gezwungen, zumindest bei der Third-Party-Rule nachzubessern. Denn sie darf die Kontrolle über Geheimdienste – nicht nur was den Bundesdatenschutzbeauftragten angeht – nicht mehr einschränken, formulierte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in seinem Urteil zum BND-Gesetz aus dem Mai. Bis Ende 2021 muss der Gesetzgeber das BND-Gesetz in diesem und vielen anderen Punkten überarbeiten.
Doch währenddessen schafft die Bundesregierung bereits neue Befugnisse. So soll der deutsche Inlandsgeheimdienst im neuen geplanten Verfassungsschutzgesetz beispielsweise Staatstrojaner nutzen dürfen und die Bundesregierung will Geheimdienste aus Anti-Terror-Gesetzen endgültig entfristen. Nach einem „Sicherheitsgesetzmoratorium“, wie es Kelber empfiehlt, sieht das nicht gerade aus.
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