TV-Ansprache von Angela Merkel zum #coronavirusDurch Solidarität können wir einen Ausnahmezustand verhindern

Angela Merkel hat heute in ihrer ersten außergewöhnlichen TV-Ansprache die Bevölkerung aufgerufen, in der Corona-Krise Solidarität zu zeigen. Ein Kommentar.

Zum Glück keine Blut und Boden Rhetorik.
Zum Glück keine Blut und Boden Rhetorik. – Public Domain Sollte uns allen gehören

Das war wohl die beste Rede von Angela Merkel in ihrer Kanzlerschaft. Historisch und angemessen. Was bin ich froh, dass gerade nicht Friedrich Merz verantwortlich ist. Wir werden aber in der Rückblende diskutieren müssen, warum ihre Regierung so unvorbereitet in diese Krise kam.

Unsere Gesellschaft, das schließt ihre Regierung explizit ein, hat das Thema lange nicht ernst genommen und zu spät gehandelt. Trotzdem fand ich ihre Rede sehr gut. Weil ich viele Reden von ihr verfolgt habe, die nicht so gut waren. Und weil ich ihre Rhetorik angemessener fand, als z.B. die von Macron mit seinen Kriegsmetaphern.

Und vor allem, weil mir bewusst ist, dass eine solche entschlossene Ansprache uns möglicherweise vor einem rechtlichen Ausnahmezustand bewahren kann, wenn wir alle Solidarität leben. Ich will keinen rechtlichen Ausnahmezustand, der ermöglicht die Aushebelung von vielen Grundrechten, wo unklar ist, ob und wie das missbraucht wird. Es liegt auch an uns allen, ob wir das gemeinsam verhindern können.

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12 Ergänzungen

  1. „Das war wohl die beste Rede von Angela Merkel in ihrer Kanzlerschaft. Historisch und angemessen.“

    Da kann ich nur zustimmen. Reden dieser Art hätten wir mehr von ihr gebrauchen können.
    Leider gibt es derzeit nur wenige PolitikerInnen die daran anschließen könnten.

    „Wir werden aber in der Rückblende diskutieren müssen, warum ihre Regierung so unvorbereitet in diese Krise kam.“

    Welcher Politiker hätte schon Anfang des Jahres verkünden wollen, dass Großveranstaltungen (insbesondere Fußball und Karneval) ausfallen müssen? Der Aufschrei wäre riesig gewesen, insbesondere da man in Deutschland und Europa noch nicht so viel von Corona mitbekommen hat („das ist ja weit weg“). Nehmen wir mal an, man hätte sofort gehandelt, Flugreisen eingestellt Großveranstaltungen abgesagt und es wäre keiner oder nur einige wenige erkrankt. Dann hätte es jetzt schon die Ersten gegeben die sich aufregen: „Warum wurden meine Fußballspiele oder der Karneval abgesagt? Das war doch total übertrieben.“ Der Erfolg dieser frühzeitig eingeleiteten Maßnahmen wäre groß gewesen, aber eben nicht messbar.
    Da wartet man als Politiker lieber ab. Wenn es sich von selbst erledigt, hat man nichts riskiert – und wenn die Lage eskaliert kann man immer noch Maßnahmen ergreifen. Das hat den Vorteil, dass man sich profilieren kann und Maßnahmen Resultate zeigen. Außerdem ist die Bereitschaft der Bevölkerung, Kompromisse einzugehen (Großveranstaltungen meiden) höher, als in Zeiten in denen man von der Krise noch nichts merkt.

    Ich würde mir wünschen, dass die gleiche Entschlossenheit den Frau Merkel in ihrer Rede vermittelt hat auch nach Corona weiter wirkt, zum Beispiel zum Thema Klimawandel.
    Wir sehen derzeit, was möglich wird, wenn man nur will!
    Der Klimawandel hat noch größere Auswirkungen als Corona. Aber es muss JETZT gehandelt werden. Ich hoffe, dass die Corona Krise den Menschen klar macht, dass man Maßnahmen ergreifen muss BEVOR die Auswirkungen spürbar sind. Wenn man die Auswirkungen einer Krise spürt, ist es meistens zu spät!

    Daher meine Aufforderung an alle engagierten PolitikerInnen: Traut euch zu handeln! Geredet wird schon genug.

  2. Angela Merkel macht, was Sie fast immer macht: Nichts!

    Das funktioniert nicht – diesmal kann man das Problem nicht einfach aussitzen. Ich sehe Menschen in Eiscafes, Schüler in großen Gruppen und viele, die nichts verstanden haben. Die Aktivitäten wurden nicht unterbunden, sondern nur verlagert. Keine Eigenverantwortung, sondern Verantwortungslosigkeit.

    Für alle, die selber zur Risikogruppe gehören oder schon jetzt auf die eine oder andere Art massiv betroffen sind, schwer zu ertragen. In Deutschland muss man scheinbar erst alles komplett vor die Wand fahren, bevor sich etwas bewegt. Dabei was alles einfach vorhersehbar, zumindest für die, die es sehen wollten. Die Folge: Wir werden auf Monate massive Einschränkungen haben, die sich vermutlich erst ändern, wenn ein Impfstoff gefunden wurde. Alle die denken, in ein paar Wochen hat sich das meiste wieder normalisiert, sind unglaublich naiv.

    Und nein, ich wünsche mir nicht Friedrich Merz, sondern jemanden wie Helmut Schmidt. Jemand der verantwortungsvoll und konstruktiv handelt und keine wohlfeilen Reden schwingt.

    1. >Angela Merkel macht, was Sie fast immer macht: Nichts!
      Ich finde sie macht außerordentlich viel um die Bürger zu informieren und den aktuellen Stand des RKI und anderen Wissenschaftlern irgendwie in den Vordergrund zu schieben. Dazu werden etliche Verhaltensempfehlungen immer und immer wieder wiederholt.
      Und wenn sie dann noch versucht die Wirtschaft auch nur irgendwie am laufen zu halten wir sofort rumgehetzt sie würde sich nur um die Wirtschaft kümmern. Was soll sie machen, wenn (noch) keine Zwänge ausgesprochen werden wollen, außer zu informieren? Irgendwie schade.

      >Die Aktivitäten wurden nicht unterbunden, sondern nur verlagert. Keine Eigenverantwortung, sondern Verantwortungslosigkeit.
      Das ist meiner Meinung nach das Problem der Bevölkerung und nicht ihrs. Es wäre ein unglaubliches Versagen der Bevölkerung wenn hier mit Zwängen gearbeitet werden muss. Scheint aber nicht anders möglich. Einen Versuch war es wert. Irgendwie erhofft man sich ja doch in einem (minimal) solidarischem Land zu wohnen.

  3. Die Rede war gut, der Vollständigkeit halber, hier eine Antiperspektive:
    – Die übliche Erpressung: „Spurt ihr nicht, gibt’s eben auf die Omme“ :).

    Immer beide Seiten sehen, Macht ist nicht verflossen, Wirkprinzipien auch nicht. (Noch nicht.)

  4. Schon krass, was da teilweise so an Ordnungsphantasien geaeussert wird.

    Man koennte ja auch auf Aufklaerung setzen: wenn es Ansammlungen gibt, Personal hin, das mit den Leute redet, Verstaendnis, etc, pp. Zur Not Gruppen durch Polizeianweisung aufloesen. Ausgangssperren erlauben keine sinnvolle Abwaegung, sind zT kontraproduktiv was Akzeptanz angeht und haben massiv negative Nebenwirkungen. Das betrifft den Eigenheimbewohner mit Garten nicht so, das sieht in den Staedten ganz anders aus.

    Und an die, die gerade rechts und links von der Bundeswehr oder meldende Nachbarn phantasieren: da schwingt schnell das Gedankengut des gewaltsam aus dem Volkskoerper zu entfernenden Schaedlings mit, das nennt man dann Faschismus.

    1. Ergaenzung: ich finde es erschreckend, wieviele vermeintlich „Linke“ nach „einfachen und alternativlosen“ autoritaeren Zwangsmassnahmen „im Namen des Guten“ rufen. Witzigerweise oft die gleichen, die Zwangsmassnahmen im Goerli oder anderen sozialen Brennpunkten riguros ablehnen und dafuer gute Gruende und Alternativen nennen koennen.

      Da scheint in Teilen ein Klassisismus und ein Autoritarismus durch, es ist zum heulen. Leute, so ist kein Staat zu machen, den nicht auch die Rechten wollten.

    2. Im Moment so …
      Land 1: Ausgangssperre.
      Land 2: Strenge Kontrollen mit empfindlichen Strafen.
      Schleswig Holstein: Wir schicken Ordnungshüter herum, die die Leute ansprechen.

      (Ärzte, Psochologen, … sageten)

  5. „Ich finde sie macht außerordentlich viel um die Bürger zu informieren“
    Die Entwicklung war für jeden anhand der Zahlen seit Wochen absehbar. Angela Merkel ist aber bis zu Ihrer Fernsehansprache komplett weggetaucht. Das sieht man auch im Vergleich mit anderen europäischen Staatschefs. Was ist an Ihrem Verhalten soll denn „außerordentlich viel“ sein?!

    „Das ist meiner Meinung nach das Problem der Bevölkerung und nicht ihrs“
    Stimmt, die Menschen sind verantwortungslos – leider. Nur wenn’s auf freiwilliger Basis nicht geht, dann bleibt (leider) nur Zwang. Und den könnte Sie ausüben. Ich find’s auch nicht gut, dass Zwang nötig ist, erkenne aber die Realität an.

    „Schon krass, was da teilweise so an Ordnungsphantasien geaeussert wird. Man koennte ja auch auf Aufklaerung setzen“
    Wäre toll, wenn’s funktioniert. Tut’s aber nicht – einfach mal einen Blick vor die Tür werfen. In China, Italien, Spanien und Frankreich hat es (leider) auch nur mit Ausgangssperren funktioniert. Wieso sollte es in Deutschland anders sein? Weil man in Deutschland aufgeklärt und vernünftig ist und sich freiwillig an Regeln hält…? Sind wir besser oder vernünftiger als die anderen?

    Um es klar zu sagen: Aufklärung ist sinnvoll, meist ein guter Weg, im Fall einer Pandemie aber viel zu langsam. Es funktioniert nicht. Wer’s nicht glauben will, braucht einfach nur ein paar Tage zu warten.

    Politisch ist der Weg nachvollziehbar: In einer Woche ist die Akzeptanz für drastische Maßnahmen größer. Sinnvoller wäre es jetzt und gleich zu machen.

    Aber durch Handeln hat sich Angela Merkel -bis auf die Flüchtlingskrise – noch nie ausgezeichnet. Ist halt alte Schule von Helmut Kohl.

  6. „Wir werden aber in der Rückblende diskutieren müssen, warum ihre Regierung so unvorbereitet in diese Krise kam.“
    Ist das so? Diese Frage hätte ich dann bitte gerne zuerst beantwortet.

    Besser vorbereitet scheinen überwiegend die Länder zu sein, die Erfahrung mit Seuchen haben und ich würde vermuten, dass dort auch die Bevölkerung ein anderes Bewusstsein für eine Epidemie hat. Vermutlich gab es keinen konkreten Plan für eine Pandemie durch ein vergleichsweise harmloses Virus, das sich aber wie ein Lauffeuer verbreitet und eine relativ lange Inkubationszeit hat. Da kommen schon ein paar Komponenten zusammen, die so vermutlich in den Plänen eher nicht vorgesehen sind.

  7. @ Markus Beckedahl

    „Unsere Gesellschaft, das schließt ihre Regierung explizit ein, hat das Thema lange nicht ernst genommen und zu spät gehandelt.“

    Ich glaube, Du unterliegst hier einem Fehlschluss. Es ist ausnahmsweise nicht die Regierung, die das Thema verschwitzt hat, sondern die zuständigen Behörden. Also vor allem das RKI. Und es ist auch nicht Aufgabe der „Gesellschaft“, Kernaufgaben zuständiger Fachbehörden zu übernehmen.

    Wenn es irgendwo brennt, erwarten wir, dass die Feuerwehr anrückt. Wenn sie das nicht tut, machen wir nicht die Politik dafür verantwortlich, sondern die Feuerwehr.

    Genauso ist es bei einer Pandemie. Für den Fall einer Pandemie *haben* wir das extrem einschneidende Infektionsschutzgesetz und eine Reihe zuständiger Behörden. Die haben bis weit in den Februar gepennt und offenbar nicht gewusst, dass es heute z.B. Flugzeuge gibt und Menschen nicht auf Eseln von China zu uns reiten müssen.

    Das RKI hat eine seiner Kernaufgaben nicht erfüllt. Es muss in der Nachbereitung der Krise darum gehen, die Gründe dafür herauszufinden. Ich glaube, wie bei den Geheimdiensten haben wir heute nicht mehr die Möglichkeit, Behörden angemessen zu kontrollieren. Sie sind rechtlich und organisatorisch einfach zu komplex. Man müsste entweder die Parlamente massiv vergrößern oder staatliche Aufgaben viel stärker fokussieren.

    Übrigens ist auch das Infektionsschutzgesetz selbst keinesfalls unumstritten. Hier eine interessante Analyse im Verfassungsblog: https://verfassungsblog.de/freiheitsrechte-ade/

  8. Was zurzeit überall Solidarität genannt wird hat mit dieser nichts zu tun. Solidarität ist 1. politisch, sie dient der Durchsetzung von Interessen der Arbeiterklasse gegen die der Bourgeoisie. Zuhause bleiben, um andere nicht zu gefährden ist vernünftig, aber auch weiter nichts.
    2. Solidarität muss international sein. Die dauernd gepredigte corona-„Solidarität“ ist aber eine sehr Nationale. Das Recht auf Asyl wird ganz nebenbei mal in der ganzen EU ausgesetzt, kurz nachdem 9 Menschen in Hanau von einem Nazi erschossen wurden. Und wer sich nach der corona Krise wieder gegen g20, für klimagerechtigkeit, mit geflüchteten oder aus anderen politischen Themen miteinander solidarisiert, ist wieder nur „Störenfried“ oder „Chaot“.

    1. Ist natuerlich geschickt, ein so grundlegendes Konzept wie Solidaritaet exklusiv fuer die eigene Zielvorstellung zu proklamieren. Gibt bestimmt Sonderpunkte in der naechsten Diskussionsrunde und stellt sicher, nie irgendwas mit Verantwortung jenseits dieses Umfelds zu tun zu haben 8)

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