Wochenrückblick KW 31: Transparenzgesetze, Urheberrechtsurteile und NetzDG-Zahlen

Die Polizei Berlin erzählt mehr als die Wahrheit, das Bundeskriminalamt weniger. Urteile zum Sampling, Pressefreiheit vs. Urheberrecht, und das Fanal für Günther Oettinger. Der meiste Hass im Netz kommt von rechts, YouTuber verbünden sich mit IG Metall. Kasachstan überwacht, Syrien auch. Niederländer gibt es auf beiden Seiten im Blick über die Woche.

Ein Hund in grün-blauer Fliege
Wo hat Frauchen den Ball hingeworfen? Die Republik fordert Transparenz. CC-BY 2.0 James_Seattle

Bald ist es soweit: Am 13. September feiern wir in der Volksbühne Berlin mit der „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz und einer anschließenden Party unseren 15. Geburtstag. Tickets gibt es im Vorverkauf. Wir haben einen Teil des Programms bereits veröffentlicht.

Zu unseren Geburtstagsgästen gehören der ehemalige Innenminister Gerhard Baum, der Kanzleramtschef Helge Braun, die Klimaforscherin Maja Göpel, die Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann und der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus unserem wachsenden Programm.

Nur keine Eile mit Wahrheit auf Twitter

Zunächst die Lokalnachrichten: Die Berliner Polizei wird verklagt, und zwar wegen Eingriffen in die Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Grund ist ein Tweet, den sie bei der Räumung des linken Kiezladens Friedel54 vor zwei Jahren gepostet hatte. Die Demonstrant:innen hätten einen Türknauf unter Strom gesetzt, hieß es in dem Tweet. Bis die Polizei zugab, dass das nicht stimmte, hatte sich die Falschmeldung schon weit verbreitet. Der Fall zeigt einmal mehr, warum wir mit Twitterern in Blau vorsichtig umgehen müssen.

Das Bundeskriminalamt meldet zwar nicht falsch, aber dafür manchen Menschen gar nichts. Noch immer werden Personen, die auf diversen rechten Feindeslisten stehen, nicht informiert. Markus Reuter spricht mit vier Betroffenen darüber, warum dieses behördliche Verhalten völlig inakzeptabel ist.

FragDenStaat will auch, dass die Menschen auf den Listen informiert werden. Der Fall geht vor Gericht.

Hamburg verwässert Transparenz

Hamburg ist Musterbundesland für Transparenz. Bisher, muss es nun vielleicht heißen: Ein neuer Gesetzentwurf fügt Ausnahmen hinzu, Antworten sollen erst nach einem Monat kommen. Wer einen Antrag stellt, müsste in Zukunft damit rechnen, dass seine Daten weitergegeben werden. Bedenken dagegen äußerte auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Jetzt ist die Hamburgische Bürgerschaft gefragt.

Und damit wieder zurück ins Hauptstadtstudio nach Berlin: Mehr Transparenz fordert dort ab heute ein Bündnis aus Vereinen und Verbänden mit einem Volksbegehren. 20.000 Unterschriften werden benötigt, dann muss der Senat sich zumindest mit dem Entwurf auseinandersetzen. Das Bündnis fordert die Offenlegung von Senatsbeschlüssen, Planungsunterlagen, Bau- und Umweltdaten ohne vorherige Anfrage. So etwas ähnliches steht zwar im Koalitionsvertrag der Landesregierung, passiert ist bisher aber nichts.

Wer erst mal einen Erklärer braucht, bevor er sich durch Informationsfreiheitsgesetze wühlt, soll nicht mehr verzagen: Unser Autor Arne Semsrott betreibt zusammen mit Stefan Wehrmeyer das Portal fragdenstaat.de. Dort können Bürgerinnen ihre Transparenzrechte gegenüber Behörden einfach wahrnehmen. Ingo Dachwitz hat sie eingeladen und eine Podcast-Folge zu Informationsfreiheit und Transparenz aufgenommen.

Urteil in Marathonverfahren

Warten kann Dinge wichtiger machen. So ist es jedenfalls beim seit 20 Jahren erwarteten Urteil im Fall „Metall auf Metall“: Eigentlich geht es um das Urheberrecht für zwei Sekunden eines Kraftwerk-Songs, nach der EU-Urheberrechtsreform ist das Urteil nun aber auch für dessen Umsetzung wichtig.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erlaubt Sampling nun sowohl, wenn die Quelle nicht mehr erkennbar ist, als auch, wenn das Zitat mit der Quelle interagieren will. Die Kraftwerk-Klage geht nun zum dritten Mal an den Bundesgerichtshof.

Und dann sprach der EuGH erneut, und erneut gab es Ausnahmen: Aber nur wenige, und zwar für die Pressefreiheit im Urheberrecht. Staatliche Dokumente unter Urheberrecht dürfen nur von der Urheberin veröffentlicht werden, so das Gericht. Ausgenommen sind nur Zitate oder aktuelle Tagesereignisse. Allerdings fallen nur Unterlagen unter das Urheberrecht, die die Persönlichkeit des Autors durchscheinen lassen – ob das bei Lageberichten der Fall ist, steht in Frage.

Günther Oettinger verschafft sich einen würdigen Abgang. Der EU-Kommissar wird im Herbst direkt ins Beratergeschäft wechseln. Das erscheint auch dem noch-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker etwas voreilig, er forderte ein Gutachten von Oettinger. Wir liefern außerdem einen Überblick über die Karriere des Manns, der wie kein anderer EU-Kommissar fehlendes Fachwissen mit Lobbyfreundlichkeit vereinte.

Hasspostings und das NetzDG

Beinahe 1.500 Hasspostings hat das Innenministerium letztes Jahr gezählt. Davon gehen mehr als drei Viertel von Rechten aus. Bei der Hasskriminalität sind es sogar zwischen 80 und 90 Prozent aller erfassten Fälle.

Gegen solche und andere Inhalte geht das NetzDG mehr oder minder erfolgreich vor. Twitter hat seine jüngsten Zahlen veröffentlicht: 44.752 Mal ist das Unternehmen von Anfang Januar bis Ende Juni gegen Posts oder Accounts vorgegangen, weil sie unter eigene Regeln oder das NetzDG fielen. Wir fassen zusammen, warum dieses gebetsmühlenartige Abarbeiten von nicht aussagekräftigen Zahlen niemandem weiterhilft. Nächste Runde: Von irgendwem, irgendwann, irgendwo.

Windows 10 besser, aber nicht gut

Zumindest Microsofts Datenschutz hat sich gebessert – ein bisschen. Nach einer Überprüfung durch die niederländische Datenschutzbehörde im November hat Office 365 zusätzliche Datenschutzoptionen bekommen. Excel, Word und Powerpoint senden aber immer noch Daten, ohne das darüber aufgeklärt wird. Zumindest bei Windows 10 Enterprise bietet der „Sicherheits“-Modus wohl verlässlichen Schutz.

Die größte Gewerkschaft Deutschlands unterstützt eine Facebook-Gruppe, geführt von einem Bastler von überdimensionierten Schleudern. So passiert diese Woche mit dem Bündnis zwischen der Youtubers Union und der IG Metall. Ihre Forderungen an YouTube: Offenlegung von Moderation, klare Regeln und ein Beirat, in dem YouTuber über die Zukunft des Konzerns mit entscheiden können. Gewagte Forderungen, manche Einschätzungen sind wenig optimistisch. Am 23. August wissen wir, wie es weitergeht mit FairTube.

Die Amazon-Tochter Ring baut mit seinen smarten Klingeln ein Überwachungsnetzwerk auf, dass sich die Menschen selber an die Häuser montieren. Die Polizei in den USA hilft Amazon dabei als Vertriebspartner: Man solle Leute doch dazu ermutigen, sich Ring zuzulegen, heißt es in einem Vertrag mit einem Revier in Florida. Dafür erhalten die Polizisten kostenlose Exemplare zum Verteilen – und Zugriff auf die so gewonnenen Daten.

Lesestoff

E-Books und digitale Zeitungen müssen in Zukunft weniger Mehrwertsteuer zahlen, zusammengestutzte Redaktionen in Deutschland atmen ein wenig auf. Damit gilt der gleiche Steuersatz wie für analoge Produkte, sieben Prozent statt 19. Das stand so auch im Koalitionsvertrag der großen Koalition.

Wir haben ein Buchkapitel ganz umsonst veröffentlicht, und zwar aus dem Konferenzbuch „Bits und Bäume“. In „Alle Macht den Plattformen?“ geht es aber darum, dass die „Plattformisierung“ des Internets ganz und gar nicht umsonst ist, sondern eine neue digitale Arbeiterklasse schafft, Treibhausgase erzeugt und kleine Anbieter in unhaltbare Konkurrenz zu den Riesen zwingt. Dagegen steht die Bewegung für freie und offene Software. Nächste Woche werden wir ein weiteres Kapitel veröffentlichen.

Überwachung zwischen Nursultan und Amsterdam

Das Auswärtige Amt hat zwar keine Reisewarnung für Kasachstan, wir aber schon. Seit zwei Wochen zwingen kasachische Internetprovider ihre Kundinnen dazu, ihnen Zugang zu verschlüsseltem Verkehr zu geben. US-Forscher haben diese Überwachung nun analysiert und herausgefunden, welche Domains betroffen sind: Bisher sind das hauptsächlich Dienste von Google, Twitter, Facebook und VK. Außerdem ist bisher nur ein Provider betroffen.

Nach Syrien sollte man im Moment definitiv nicht reisen. Auch vor dem Bürgerkrieg war das Land aber bereits ein Überwachungsstaat, andere Länder der Region wie Saudi-Arabien oder Ägypten sind es noch immer. Dabei hat ihnen das niederländische Unternehmen Fox-IT geholfen, es verstieß dabei gegen Verbote zum Export von Überwachungstechnologie und dem Embargo auf Syrien. Dazu hat das niederländische Investigativteam Buro Jansen & Janssen einen Haufen Dokumente veröffentlicht: Einladungen, E-Mails, Rechnungen. Über das deutsche Partnerunternehmen AGT berichteten wir bereits 2016.

Einfach dem Geld folgen

Ebenfalls über Zahlungen, und zwar in den dunkleren Teilen des Internets, redete der Blockchain-Forensiker Jakob Hesse mit uns. Im Interview erklärt er, wie Spuren auf der eigentlich nur pseudonymen Blockchain ausgelesen werden können, welche Kryptowährungen sich dafür besser eignen als andere und wer das ganze wofür nutzt.

Außerdem haben wir noch den letzte Woche erschienenen Artikel zu Paypal-Zahlungen für Stalkerware auf Englisch übersetzt.

Wir wünschen ein schönes Wochenende!

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