Transparenzregister gegen Steuerhinterziehung: Nebelkerze statt Offenheit

Finanzminister Olaf Scholz will das Transparenzregister öffnen, meldeten gestern diverse Medien. Das stimmt – aber nur unter der sehr eigenen Definition des Ministers. Der Zugang zu den Daten von Unternehmenseigentümern wird nämlich Geld kosten. Und wird weiter von einer privaten Firma verwaltet.

Briefkastenfirmen helfen dabei, die Herkunft illegaler Gelder zu verschleiern.

Wenn es einen weiteren Beweis dafür bräuchte, warum es eine schlechte Idee ist, über Gesetzentwürfe zu berichten, sie aber nicht zu veröffentlichen, dann lieferte das Redaktionsnetzwerk Deutschland gestern Abend ein eindrückliches Beispiel: Es berichtete „exklusiv“, Bundesfinanzminister Olaf Scholz wolle das Transparenzregister „öffentlich zugänglich“ machen. In dem Register werden die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen gesammelt, um als Reaktion auf Enthüllungen wie die Panama Papers effektiver gegen Steuerhinterziehung ermitteln zu können.

Dabei war das Netzwerk allerdings auf einen Trick des Finanzministeriums hereingefallen. Das zeigt der Gesetzentwurf, den wir hier veröffentlichen. Die Nachricht – und danach auch Meldungen der dpa, von Spiegel Online und diversen anderen Medien – war in mehrfacher Weise irreführend. Es mag zwar stimmen, dass der Zugang zu den Registerdaten „öffentlich“ wird. Allerdings nur nach der eigenen Definition des Finanzministeriums. Tatsächlich wird der Zugang pro Eintrag Gebühren kosten und damit das Register für seinen eigentlichen Zweck untauglich machen. Auch eine Registrierung zur Einsichtnahme ist erforderlich.

Scholz blockiert

Für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche ist es nötig, den gesamten Datenbestand des Transparenzregisters mit anderen Datensätzen etwa aus den Panama Papers und den Paradise Papers abzugleichen. Auch Analysen zu Häufungen von Namen oder Orten, die auf Verschleierungsmechanismen hinweisen, sind nur mit Open Data möglich. Kostet der Zugang zu einzelnen Einträgen wie beim Handelsregister 4,50 Euro, würde eine größere Analyse automatisch hunderttausende Euro kosten.

Zudem „will“ das Finanzministerium das Register nicht öffnen – es muss. Die Vorgabe der Öffentlichkeit kommt nämlich von der Europäischen Union. Sie schreibt den Mitgliedsstaaten vor, Register zu schaffen, die miteinander verknüpft werden können. Das Finanzministerium hatte sich in den Verhandlungen auf EU-Ebene dazu jahrelang gegen den offenen Zugang zu Daten gewehrt. Im vergangenen Jahr hatte das Ministerium auf Betreiben der Lobbyisten von Familienunternehmen wie BMW und Merck das Transparenzregister noch ganz verschlossen.

Keine Kosten für die Verwaltung, sondern Kosten für die Öffentlichkeit

Das Finanzministerium verpasst damit eine historische Chance, effektiv gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Grund dafür sind offenbar kurzfristige Kostenüberlegungen. Das Register soll nämlich nicht vom Ministerium selbst, sondern vom privaten Bundesanzeiger-Verlag und damit dem Dumont-Verlag verwaltet werden, der etwa auch das verschlossene Bundesgesetzblatt verwaltet. Der Deal zwischen Ministerium und Verlag ist klar: Keine Betriebskosten für die Verwaltung, dafür Gebühren für die Öffentlichkeit.

Das kurzsichtige Vorgehen führt dazu, dass nicht mal die Verwaltung Zugriff auf den vollen Datensatz hat. So muss etwa das Bundeskriminalamt bei Ermittlungen gegen Steuerhinterzieher erst einmal eine Anfrage beim Bundesanzeiger-Verlag stellen, statt die Datenbank selbst analysieren zu können. Dementsprechend hätte das Vorhaben eines tatsächlich offenen Registers durchaus Sympathie beim Justiz- und Innenministerium. Sie könnten in der Ressortabstimmung mit dem Finanzministerium noch versuchen, das Register zu öffnen.

Signal an andere EU-Staaten

Die Entscheidung von Finanzminister Scholz hat bereits Auswirkungen auf andere EU-Staaten. So überlegt offenbar auch die Niederlande, sein Transparenzregister durch Gebühren zu verschließen. Dabei zeigt ausgerechnet Großbritannien seit Jahren, wie ein Register als Open Data den Kampf gegen Steuerhinterziehung stärken kann.

Finanzminister Scholz hat aber offenbar kein Interesse daran, Briefkastenfirmen mithilfe von offenen Daten zu bekämpfen. Damit ist er auf einer Linie mit den Familienunternehmern von BMW, Merck und Co. Die gut vernetzten Lobbyisten wollen sogar grundsätzlich verhindern, dass die Öffentlichkeit überhaupt Zugriff auf die Daten erhält – selbst gegen Gebühren.

4 Ergänzungen

  1. Könnte man dadurch Druck aufbauen, indem man sein eigenes Portal betreibt, in das die Daten aus den Abfragen des Handelsregisters eingepflegt werden und alle Leute via Crowdfunding weitere Abfragen finanzieren? So könnte man Schritt für Schritt weitere Datensätze hinzufügen und damit größere Analysen ermöglichen.
    Oder untersagt das Handelsregister die Veröffentlichung der abgefragten Daten? Dann müsste man prüfen, wie man die Daten trotzdem einem breiten Publikum zugänglich machen kann, ohne sich juristisch angreifbar zu machen. Ich hätte großes Interesse daran mitzuwirken.

  2. Es fragt sich, wozu die Öffentlichkeit Zugang zu den Daten haben muss. Der Zweck Steuerhinterziehung zu bekämpfen erfordert das nicht. Oder sind neuerdings die Steuerfahnder Private? Mal abgesehen davon, dass das Transparenzregister eher untauglich sein dürfte, Steuerbetrüger aufzuspüren. Denn wer Steuerhinterziehung begehen will, wird einfach nichts an dieses Register melden. Klar das ist auch buß-/strafbewehrt, aber das ist die Steuerhinterziehung auch. Im Ergebnis werden also wohl eher nur die dorthin melden, die legitime und legale Ziele mit den sog. Briefkastenfirmen verfolgen, wie bspw. ihre Privatsphäre zu schützen. Nun jedermann Zugriff auf das Transparenzregister zu ermöglichen, zerrt insbesondere auch diese in die Öffentlichkeit, ohne das es für das (angebliche?) Ziel der Bekämpfung der Steuerhinterziehung irgendetwas bringt.

    1. Alleine die Beispiele Panama Papers und Paradise Papers zeigen, welche Bedeutung investigativer Journalismus für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung hat. Dass nur (teils unwillige oder auch technisch unbedarfte) Behörden Zugriff auf die Daten haben, verschenkt sehr viel.

  3. Ermittelt das BKA überhaupt bei Verdacht der Steuerhinterziehung? Wofür gibt es dann SteuFa, BuStra/StraBu, etc.? Letztere dürfen übrigens schon jetzt auf die Daten zugreifen, genauso wie die Finanzbehörden insgesamt. Warum also gerade die Aufregung iZm. der Steuerhinterziehung?

    Entgegen öffentlicher Wahrnehmung ist die Zahl der Steuerstrafverfahren in Deutschland wegen Panama/Paradise-Papers, Lux-Leaks, etc. übrigens ziemlich übersichtlich, was vermutlich auch daran liegt, daß Steuerhinterziehung nur eine von vielen Motivationen sein kann, eine Gesellschaft im Ausland zu gründen. Zudem sind Briefkastenfirmen per se nicht illegal, nicht einmal im steuerlichen Kontext. Aber diese Erkenntnis zu gewinnen bedürfte eines erheblichen Abstraktionsvermögens und der intimen Kenntnis der tatsächlich ohne Frage ziemlich komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen, die leider den meisten Teilnehmern am Diskurs fehlen. Und auch die vermeintlich so wichtigen investigativen Journalisten verfassen durch die Bank im (steuer)rechtlichen Kontext (allgemein, nicht nur in diesem engen Zusammenhang) leider für die gesamte Zunft wenig schmeichelhafte Texte, die allenfalls das Stammtischgerede auf entsprechendem Niveau bedienen.

    Was für eine Horrorvorstellung übrigens: alle sollen über alle alles wissen können, alle Datenbanken dürfen geöffnet und verknüpft werden; ernsthaft? Das ist nämlich die oben geäußerte Forderung einmal konsequent zu Ende gedacht. Steuerhinterziehung wird man dadurch zwar vorhersehbar nicht effektiver bekämpfen, denn den Tatbestand korrekt zu subsummieren fällt sogar nicht wenigen Ermittlern erkennbar schwer. Aber als vermeintliche Rechtfertigung für die weitere Einschränkung von Grundrechten und die Adelung des Denunziantentums ist § 370 AO natürlich genauso gut geeignet, wie OK, Geldwäsche oder Terrorismus. Denn da brüllen alle Hurra und keiner merkt, wie weit wir schon in der totalen Überwachung stecken.

    Gerade auf dieser Seite vehement zu fordern, daß der Überwachungsstaat noch mehr in die Lebensumstände der Menschen bzw. deren rechtliche Ausgestaltung eindringen und verschiedene Datensammlungen zusammenführen und auswerten können soll, verwundert dann doch nicht unerheblich. Ist das wegen des ohnehin vielleicht etwas fragwürdigen Generalverdachts der Steuerhinterziehung gegen alle vermeintlich Reichen oder Konzerne wirklich verhältnismäßig oder zielführend? Alle, die eine immer weitere Verschärfung fordern, sollten einmal die Erfahrung machen, dem psychischen und finanziellen Mahlwerk „Ermittlungsverfahren“ ausgesetzt zu sein. Und den allermeisten ist vermutlich nicht einmal klar, wie leicht sie selbst zum Beschuldigten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung werden können und wie verteufelt schwierig es ist, diesem Wahnsinn als Unschuldiger wieder ein Ende zu bereiten. Aber nur zu, auf weitere Verschärfungen ein Prosit, die insoweit spezialisierten Steuerberater und Rechtsanwälte werden sich über ein dauerhaft gutes Auskommen freuen und die Korken knallen lassen.

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