Neues aus dem Fernsehrat (38): Impulspapier zur Idee einer „Internetintendanz“

Eine zeitgemäße, öffentlich-rechtliche Medienplattform sollte jenseits der bestehenden Rundfunkanstalten etwa Inhalte kuratieren, Algorithmen entwickeln und Innovationen fördern. Ein gemeinsam mit Christoph Bieber und Jörg Müller-Lietzkow verfasstes Impulspapier skizziert die Eckpunkte einer Internetintendanz.

eine Miniaturbaustelle von oben
Für öffentlich-rechtliche Netzwerkeffekte braucht es eine gemeinsame digitale Plattforminfrastruktur. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Samuel Zeller

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich auf der re:publica 2018 erstmals über die Idee einer Internetintendanz gesprochen. Diese könnte sich jenseits von linearen Senderlogiken ganz auf den Aufbau öffentlich-rechtlicher Plattforminfrastrukturen fokussieren und neue digitale Aufgabenfelder wie Kuratierung von Drittinhalten oder Förderung von Gemeinwohlinnovationen übernehmen.

Gemeinsam mit Christoph Bieber, Professor für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft an der Universität Duisburg-Essen und WDR-Rundfunkrat von 2013 bis 2017, und Jörg Müller-Lietzkow, Professor für Medienökonomie und Medienmanagement an der Universität Paderborn, habe ich in einem Impulspapier im Branchendienst Medienkorrespondenz diese Idee näher ausgeführt (PDF). Konkret könnte eine Internetintendanz die folgenden fünf Aufgaben übernehmen (leicht gekürzt aus dem Papier übernommen):

  1. Aufbau und Betrieb einer öffentlich-rechtlichen Plattform: Auf dieser Plattform sollen im Sinne eines „Public Open Space“ öffentlich-rechtliche Inhalte sämtlicher Anstalten gebündelt und zeitgemäß zugänglich gemacht werden. […] Voraussetzung dafür sind gemeinsame Standards für Metadaten, Formate und Verbreitung von Inhalten, also eine gemeinsame technische Infrastruktur und ein entsprechendes Datenmanagement. Dies unter Einbeziehung der diversen Stakeholder zu entwickeln, ist Teil des Plattformaufbaus und -managements. Auch soll eine breite öffentliche Debatte der Inhalte ermöglicht werden.
  2. Vergabe von Mitteln für die Erstellung öffentlich-rechtlicher Online-Inhalte: Die Internetintendanz entwickelt und realisiert Verfahren zur wettbewerblichen und transparenten Vergabe von mindestens 75 Prozent der für die Internetintendanz bereitgestellten Mittel. Die hierfür eingesetzten Vergabeverfahren müssen schnell, flexibel und ohne großen bürokratischen Aufwand umsetzbar sein, da aufgrund der besonderen Entwicklungsdynamik digitaler Medienumgebungen langfristige Planungs- und Bewilligungsprozesse kontraproduktiv sind.
  3. Kuratierung und Kooperation mit Drittanbietern: Zusätzlich zur Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Inhalten sollen andere Inhalte kuratiert und/oder kooperativ erstellt werden, die dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen. Dieser muss über einen neuen Staatsvertrag definiert werden. Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Plattform sollen die Inhalte zugänglich gemacht werden.
  4. Innovationsförderung: Die Internetintendanz ermöglicht die Entwicklung öffentlich-rechtlicher Angebote auch jenseits klassischer Inhalte wie Text, Bild, Ton, Online-Inhalte, interaktive Angebote, Open Educational Resources und digitale Spielen. […] Gemeint sind damit zum Beispiel Veranstaltungsformate wie Barcamps oder Hackathons, die Entwicklung und Distribution von Hardware und weiterer medienbezogener Dienste.
  5. Aufbau einer begleitenden Feedback- und Kontrollinstanz: Sie bearbeitet insbesondere Fragen des Jugendmedienschutzes, beobachtet neue Formen medialen Verhaltens und sanktioniert sie gegebenenfalls – zum Beispiel Cybermobbing, Desinformation, Identity Theft und andere. Sie kann außerdem Ombudsfunktionen übernehmen.

Das Impulspapier skizziert in der Folge die rundfunkrechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die für die Etablierung einer Internetintendanz mit diesem Aufgabenprofil notwendig wären. Die spezifischen Vorschläge hinsichtlich Wahl, Aufsicht und Dotierung dienen dabei vor allem der Illustration, dass und wie ein solches Vorhaben realisierbar wäre.

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