Bundesregierung will mehr Transparenz von Mobilfunk- und Festnetzbetreibern

Funklöcher beim Mobilfunk, uneinheitliche Versorgungskarten, von Wettbewerbern überfallsartig überbaute Glasfasernetze: Morgen will der Bundestag das Telekommunikationsgesetz ändern und einige dieser Baustellen in Angriff nehmen. Das sind jedoch nur erste Schritte. Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf.

In mit Mobilfunk stark unterversorgten Gebieten könnte künftig die gemeinsame Nutzung von bestehender Infrastruktur angeordnet werden. CC-BY-NC-ND 2.0 Mo Husseini

Nur wenige Wochen nach der Versteigerung der 5G-Mobilfunkfrequenzen will die Bundesregierung – sanft – nachlegen und mit einer Gesetzesänderung die Netzbetreiber zu mehr Transparenz verpflichten. Über den Entwurf, den wir hier im Volltext veröffentlichen, soll der Bundestag am morgigen Donnerstag Abend abschließend abstimmen.

Die Anbieter sollen künftig detaillierte Informationen über die „tatsächliche, standortbezogene Mobilfunknetzabdeckung“ an die Regulierer der Bundesnetzagentur übermitteln. Diese Daten sollen in eine neue Website fließen, wo sich Kunden über Funklöcher informieren können, „einschließlich lokaler Schwerpunkte für Verbindungsabbrüche bei der Sprachtelefonie“.

Zwar stellen Netzbetreiber bereits Netzabdeckungskarten selbst bereit. Allerdings unterscheiden sich diese teils stark voneinander, etwa in Darstellung, Aktualität und Detailtiefe. Das schränkt ihren Nutzen stark ein. Zugleich sollen die Karten jedoch die Grundlage schaffen für eine mögliche, von den Regulierern angeordnete Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern in erwiesenermaßen „äußerst unterversorgten“ Gebieten.

Grundlage für „nationales Roaming“

Unter gewissen Bedingungen könnten Betreiber mittelfristig dazu verpflichtet werden, in von Funklöchern durchsetzten Regionen ihren Wettbewerbern Zugang zu ihrem Netz zu geben – so sie denn dort eines haben. Das bedeutet beispielweise, dass Kunden der Telekom, die an einem Ort kein Netz haben, dort das Netz von Vodafone nutzen könnten.

Für dieses von den Regulierern angeordnete „lokale Roaming“ oder „Infrastruktur-Sharing“ bedarf es aber nicht nur detaillierter Informationen über den tatsächlichen Ausbaustand, sondern noch einer zusätzlichen Gesetzesänderung, die gegen Ende des Jahres kommen soll.

Die herbstliche Novelle dürfte heiß umkämpft werden. Schon jetzt laufen Klagen von Mobilfunkanbieter, die sich durch die zurückhaltenden Versorgungsauflagen der Bundesnetzagentur ungerecht behandelt fühlen. Ob das Vorhaben der Bundesregierung wie geplant aufgeht, lässt sich noch nicht abschätzen.

„Zu den nötigen regulatorischen Vorgaben, um die Mobilfunkabdeckung zu verbessern, kann die Bundesregierung sich nicht durchringen“, sagt die grüne Infrastruktursprecherin Margit Stumpp. Mehr Transparenz über den Ausbaustand könne zwar nicht schaden, sei aber kein Ersatz für wirksame Regulierung. Aus Sicht der Grünen müsse die Bundesnetzagentur in nicht versorgten Gebieten Roaming anordnen können. „Und zwar unverzüglich und nicht erst in drei Jahren“, fordert Stumpp.

Schließen „weißer Flecken“ durch öffentliche Interventionen?

Auch Andreas Neumann, der am Institut für das Recht der Netzwirtschaften, Informations- und Kommunikationstechnologie (IRNIK) forscht, hält es für einen guten Ansatz, die Transparenz für Verbraucher zu stärken. So könnten sie bessere Entscheidungen treffen.

Auf der anderen Seite sei es ebenfalls sinnvoll, ein vorausschauendes Planungsinstrument zu schaffen. Das erleichtere und fokussiere Beihilfeverfahren – „wenn man wirklich den Anspruch hat, ‚weiße Flecken‘ im Mobilfunk durch öffentliche Interventionen zu schließen, wie es momentan der vorherrschenden politischen Stimmungslage und Öffentlichkeitserwartung entspricht“, sagt Neumann.

Die FDP hält verpflichtendes lokales Roaming als ungeeignet zur verbesserten Flächenabdeckung. Dies würde die Investitionsanreize für Unternehmen mindern und gefährde die Rechtssicherheit, sagt der FDP-Fraktionsvize Frank Sitta.

„Aktuell werden dem Mobilfunkmarkt die Erlöse durch die Frequenzauktion entzogen und versickern im Haushalt“, sagt Sitta. Dieses Geld fehle beim Netzausbau. Helfen könne eine „Weiße-Flecken-Auktion“: Wer einen weißen Fleck mit den geringsten Fördermitteln schließt, soll den Zuschlag erhalten.

Mehr Informationen für Politik und Regulierer

Ähnliche Informationspflichten wie für Mobilfunker kommen künftig auch auf Festnetzbetreiber zu. Das soll nicht nur den Regulierern, sondern insbesondere dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einen besseren Überblick über weiße oder graue Flecken auf der Ausbaukarte verschaffen – und letztlich zu einer besseren Förder- und Ausbaupolitik führen.

Das will den Festnetzbetreibern aber nicht so recht gefallen, die künftig detaillierte Ausbaupläne übermitteln müssten. Die Interessensvereinigung kleinerer Netzbetreiber, der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), kritisiert etwa, nicht ausreichend in den Gesetzgebungsprozess eingebunden gewesen zu sein. Es sei mit „enormem Aufwand“ zu rechnen, sagt ein Breko-Sprecher. Zudem handle es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Allerdings ist keineswegs geplant, diese Informationen als offene Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Hohe Strafen bei gebrochenen Versorgungsversprechen

Auf wenig Gegenliebe stoßen in der Industrie auch neue Zwangs- und Bußgeldvorschriften. Dem Gesetzentwurf nach sollen nicht eingehaltene Versorgungsauflagen, die an die Nutzung von Mobilfunkfrequenzen geknüpft sind, mit einer Geldbuße von bis zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes sanktioniert werden können.

Bislang wären maximal 100.000 Euro fällig gewesen. Diese wurden allerdings noch nie eingefordert, da in der Vergangenheit „sämtliche Versorgungsauflagen zeitgerecht erfüllt“ wurden, wie uns die Bundesnetzagentur vergangenen Herbst mitteilte.

Nach einem Jahr kommt der „Überbauschutz“

Zu guter Letzt schreibt der Gesetzentwurf nach einem guten Jahr der Debatte den sogenannten „Überbauschutz“ fest. Dieser soll verhindern, dass die Businesspläne von Infrastrukturprojekten, die öffentliche Mittel in Anspruch nehmen, über Nacht von Wettbewerbern ausgehebelt werden.

Hintergrund ist das sogenannte Mitverlegerecht, mit dem das mehrfache beziehungsweise wiederholte Verlegen von Kabeln unnötig gemacht werden sollte. In der Vergangenheit soll die Praxis jedoch dazu geführt haben, dass insbesondere große und überregional operierende Betreiber wie die Telekom oder Vodafone Ausbauprojekte von kleineren Anbietern zunichte gemacht oder zumindest erschwert haben, weil sie so deutlich billiger Kabel mitverlegen konnten.

Künftig soll nun eine Unzumutbarkeitsregel Schutz gegen solche Manöver bieten, wenn „ein geplantes öffentlich gefördertes Glasfasernetz, das einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt, überbaut würde“, wie es im Entwurf heißt. Es handelt sich im Übrigen um die wortgleiche Formulierung, über die wir bereits im vergangenen Oktober berichtet hatten.

Öffentliche Unternehmen nicht geschützt

Entsprechend wenig hat sich an der Kritik geändert. So sieht Breko nicht ausreichend klargestellt, dass etwa kommunale Unternehmen wie Stadtwerke geschützt werden sollen. Diese bauen zwar mitunter eigenwirtschaftlich aus, nehmen aber nicht zwangsläufig öffentliche Förderungen in Anspruch. „Die Unzumutbarkeitsregel in puncto Mitverlegung soll demnach stets zum Tragen kommen, wenn in einem Gebiet erstmals zukunftssichere Glasfaser verlegt und Nachfragern ein Open-Access-Zugang angeboten wird“, fordert die Interessensvereinigung.

Diese Leerstelle im derzeitigen Gesetzentwurf kritisiert auch die linke Infrastruktursprecherin Anke Domscheit-Berg. Durch diese Lücke hätten alle Projekte, die ohne öffentliche Fördergelder, aber mit öffentlichen Mitteln ausgebaut werden, auch in Zukunft keinen Überbauschutz, sagt Domscheit-Berg.

„Wenn also Stadtwerke in hunderprozentig öffentlichem Besitz ein kommunales Glasfasernetz ausbauen, ohne Bundesfördergelder, sind sie künftig massiv benachteiligt – solche Projekte werden also künftig nicht häufiger stattfinden, obwohl sie besonders dem Gemeinwohl dienen würden“, sagt Domscheit-Berg. Faktisch würden Kommunen bestraft, die ohne Fördermittel aus eigener Kraft, aber mit öffentlichen Mitteln ausbauen. „Die sinnvollsten Projekte erhalten die schlechtesten Rahmenbedingungen.“

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