Entfernung von Internetinhalten: Bundesregierung für mehr Druck auf EU-Ebene

Die Vorgaben des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes könnten auf EU-Ebene Schule machen. Die EU-Kommission droht schon mit gesetzgeberischen Maßnahmen zur Entfernung von beanstandeten Internetinhalten, gefordert wird die Löschung innerhalb einer Stunde. Das ehemals freiwillige „EU Internet Forum“ aus Unternehmen und staatlichen Akteuren wird immer mehr zur Zwangsveranstaltung.

Europol hat bereits 40.714 Internetinhalte bei Facebook & Co zur Entfernung gemeldet. Etwa so hoch ist auch die Zahl der Dateien im „Uploadfilter“ der Firmen. CC-BY-NC 2.0 Delete

Außer dem Bundeskriminalamt (BKA) sind vier deutsche Landeskriminalämter bei Google und YouTube am sogenannten „Trusted Flagger Program“ beteiligt. Das schreibt Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, in der Antwort auf eine Kleine Anfrage. Genannt werden Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Behörden werden damit als „vertrauenswürdige Hinweisgeber“ eingestuft und können den beiden Unternehmen Internetinhalte zur Entfernung melden. Ihren Ersuchen wird gewöhnlich Folge geleistet.

Für die Mitarbeit im „Trusted Flagger Program“ mandatieren die Kriminalämter ihre Koordinierungsstellen für Internetkriminalität. Außer diesem direkten Kanal zu den Unternehmen können sich Polizeibehörden zur Entfernung von unerwünschten Inhalten an die „Meldestelle für Internetinhalte“ bei Europol (EU IRU) wenden. Seit ihrer Gründung im Jahr 2016 hat die „Meldestelle“ 40.714 „terroristische“ oder „extremistische“ Inhalte an insgesamt 80 Internetplattformen zur Entfernung gemeldet. Die Quote, in der die Firmen den Ersuchen nachkommen, betrug in den beiden Jahren stets deutlich über 90 Prozent.

„Meldestelle für Internetinhalte“ verselbständigt sich

Eigentlich war die „Meldestelle“ bei Europol zur Koordinierung von Ersuchen aus den Mitgliedstaaten gegründet worden. So hatten es die Europäische Kommission und die Bundesregierung jedenfalls anfangs erklärt und so entspräche es auch dem Geist der Europäischen Union, deren Strukturen nicht mit den Mitgliedstaaten in Konkurrenz treten sollen. Jetzt heißt es jedoch vom Bundesministerium des Innern, dass bei Europol die „eigenständige Suche nach rechtswidrigen Internetinhalten“ im Vordergrund stehe.

Die Zahl der von der „Meldestelle“ bearbeiteten Internetinhalte entspricht in etwa der des „Uploadfilters“, den Facebook, Google, Twitter und Microsoft eingerichtet haben. Dort sind rund 40.000 Hash-Werte von Dateien gespeichert, die beim erneuten Hochladen gelöscht werden sollen. Der Filter basiert mittlerweile auf einem selbstlernenden Algorithmus. Noch soll jede Löschaktion von einem menschlichen Auge bestätigt werden (das „human-in-the-loop-Prinzip“), die EU-Kommission hält jedoch auch „vollautomatische“ Löschungen für denkbar.

BKA nutzt neues EU-Webportal

Um die Übermittlung von Ersuchen an die Internetdienstleister zu erleichtern, hat die EU-Kommission das Internetportal „Shaping Internet Research Investigations Unified System“ (SIRIUS) eingerichtet. Es enthält Angaben darüber, wo genau die Polizeibehörden bei den Internetfirmen ihre Anfrage zur Entfernung von Inhalten stellen können.

Zwar existieren bereits Listen solcher Kontaktstellen, in SIRIUS werden aber auch weitere Hinweise gegeben. Die EU-Kommission nennt hierzu „Leitfäden, Tipps, Foren, Fragen & Antworten“. Außerdem könnten in SIRIUS „Tools der Strafverfolgungsbehörden zur Unterstützung von Ermittlungen im Internet“ abgerufen werden. Derzeit sind 372 Angehörige von Strafverfolgungsbehörden aus den EU-Mitgliedstaaten als SIRIUS-Nutzer registriert, darunter auch MitarbeiterInnen des BKA.

EU-Kommission droht mit „gesetzgeberischen Maßnahmen“

Im Dezember 2015 hatte die EU-Kommission das „EU Internet Forum“ einberufen, in dem die großen Internetdienstleister zur engeren Zusammenarbeit gewonnen werden sollten. Unter freiwilliger Mitarbeit von Facebook, Google, Twitter und Microsoft arbeitete das „EU-lnternetforum“ zunächst vorwiegend zu „terroristischer Propaganda“. Nach dem Willen der Kommission sollen nun auch „fremdenfeindliche, rassistische oder Hassreden genauso wie Urheberrechtsverletzungen“ auf der Agenda stehen.

Eines der Ziele des „EU Internet Forum“ ist die schnelle und verbindliche Löschung beanstandeter Inhalte. Zwar kooperieren die beteiligten Firmen hierzu bereitwillig, trotzdem droht die EU-Kommission mit „gesetzgeberischen Maßnahmen“. Der EU-Sicherheitskommissar Julian King fordert eine Regelung wie im deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, allerdings mit einer Löschzeit von einer Stunde. Die Firmen könnten deshalb bald verpflichtet werden, Angaben zur Geschwindigkeit der Löschvorgänge protokollieren. Somit könnte sich das ehemals freiwillige Kooperationsprojekt immer mehr zu einer Zwangsveranstaltung entwickeln.

„EU Internet Forum“ wächst

Vor zwei Monaten fand in Brüssel das dritte große Treffen des „EU Internet Forum“ statt, an dem nunmehr auch JustPaste.it, Snap, WordPress und Yellow teilnahmen. Auch das Bundesministeriums des Innern sowie die deutschen EU-Delegierten waren zugegen.

Die Bundesregierung begrüßt die inzwischen rigidere Haltung der Europäischen Union. So schreibt die Staatssekretärin Emily Haber, Facebook & Co müssten nach einem Hinweis auf etwaige Rechtsverletzungen „angemessenen Handlungsdruck erfahren“.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.