„Save The Link“: EU-Parlamentarier gegen Oettingers Leistungsschutzrecht (Update)

Ohne freies Verlinken kein freies Netz: So bewerten deutsche Europaabgeordnete unterschiedlicher Parteien den Vorschlag von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, ein europäisches Leistungsschutzrecht einzuführen. Die Kampagne „Save The Link“ soll beim Mobilisieren gegen die Initiative der Kommission helfen.

Nur wenig Gegenliebe findet Günther Oettingers Vorschlag, ein europäisches Leistungsschutzrecht einzuführen. (Screenshot: Youtube)

EU-Digitalkommissar Günther Oettinger verbindet: Seinem Plan für ein europäisches Leistungsschutzrecht weht im EU-Parlament ein scharfer und parteiübergreifender Wind entgegen. „Wenn das EU-Leistungsschutzrecht verabschiedet wird, dann ist schon das Teilen von kleinsten Ausschnitten aus Artikeln verboten wie zum Beispiel die Überschrift auf einem privaten Blog. Auch das Teilen von Links auf Social Media wie Twitter oder Facebook wäre in der Form nicht mehr möglich“, heißt es im Video der Initiative „Save The Link“.

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Darin fordern Julia Reda (Piratenpartei), Martina Michels (Linke), Dietmar Köster (SPD), Helga Trüpel (Grüne) und Alexander Lambsdorff (FDP), den Vorschlag fallen zu lassen. „Wir haben in Deutschland schon einen ähnlichen Versuch gehabt, und da haben wir gesehen, dass es gescheitert ist.“ Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass das auf der europäischen Ebene anders wäre, erklären die Parlamentarier. Der Plan der Kommission sei absurd, denn er verfehle die digitale Wirklichkeit. „Links mit Anreißern sind Werbung für Artikel und nicht Diebstahl.“

Auch trage das Leistungsschutzrecht nicht dazu bei, die finanzielle Situation von Journalistinnen und Journalisten zu verbessern. Es handle sich um eine Innovationsbremse, es blockiere Start-ups und es trage „dazu bei, Meinungsvielfalt, vor allen Dingen auch kleinerer journalistischer Plattformen zu begrenzen“.

Sehen, verstehen, unterstützen

„Ohne freies Verlinken gibt es kein freies Netz“, betonen die Abgeordneten und lehnen Günther Oettingers Angriff auf die Linkfreiheit entschieden ab. Doch dabei brauchen sie Unterstützung: „Bitte teilen Sie, bitte teilt dieses Video, damit die Freiheit zum Verlinken von möglichst vielen Menschen gesehen, verstanden und unterstützt wird.“

Seit September wirbt Oettinger für ein europäisches Leistungsschutzrecht. Dabei sollen Plattformen wie Google News oder Facebook Geld an Zeitungsverlage überweisen, wenn sie Überschriften und Textschnipsel von Artikeln anzeigen. Der Kommissionsvorschlag, der noch von den EU-Mitgliedsländern und vom EU-Parlament abgesegnet werden muss, stößt bislang nur auf wenig Gegenliebe – selbst bei betroffenen Journalisten. So beschwerte sich Oettinger auf dem Zeitungskongress des Bundes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) darüber, dass ausgerechnet bei Online-Journalisten „die Reaktion relativ negativ“ ausgefallen sei. Zu Recht, meinten wir Ende September:

Die Verlage sind Gasthäuser. Sie bieten eine Vorspeise (Überschrift und Teaser) und eine Hauptspeise (Artikel) an. Die Gasthäuser geben den Promotern (Aggregatoren) die Vorspeise, obwohl sie das nicht tun müssten (Robots.txt). Nun gehen die Promoter mit der Vorspeise in der Hand auf die Straße, bieten sie Passanten (Internetnutzern) an. Wenn dem Passanten die Vorspeise schmeckt, geht er ins Gasthaus – isst und bezahlt dort die Hauptspeise. Manche Promoter verdienen mit ihrer Tätigkeit Geld, das sie nicht vom Gasthaus bekommen. Andere Promoter (Facebook) geben die Vorspeise nur manchen Passanten und verlangen vom Gasthaus Geld, damit sie die lockenden Leckereien mehr Passanten anbieten. Das mag ein fieser Trick des Promoters sein, er zeigt aber: So wichtig sind die verteilten Vorspeisen für das Gasthaus.

[Update, 25. Oktober 2016]

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat sich bei der dpa gemeldet und versichert, dass sich für private Nutzer nichts ändern werde:

„Uns ist schleierhaft, aus welchem Grund diese Behauptungen aufgestellt werden“, erklärte am Dienstag ein Sprecher des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).

Ein europäisches Verlegerrecht werde in keiner Weise die private Nutzung von Presseinhalten oder die Verlinkung von Artikeln in den sozialen Medien an Freunde und Familie beeinträchtigen, sagte der BDZV-Sprecher. „Die Presse erhält lediglich Rechte, die für die Film- und Musikbranche schon lange gelten.“

Vielleicht ist es nicht die beste Idee, sich auf Industriezweige zu berufen, die gerne das „Recht auf Remix“ einstampfen würden (und damit in Teilen vor Gericht gescheitert sind) oder die sich die längste Zeit erbittert dagegen gewehrt haben, eine kurze Szene aus dem Film „Der Untergang“ für Parodiezwecke freizugeben. Nochmal: Das Verwenden einer Überschrift oder einer kurzen Textpassage aus einem Artikel ist kein „Diebstahl“, der geahndet oder untersagt werden muss, sondern ein elementarer Bestandteil des Internets und Werbung für die ursprüngliche Quelle. Zudem zeigen die Erfahrungen aus Deutschland, dass das fragwürdige Lizenzierungsmodell bisher kaum genutzt wurde – weil es kontraproduktiv ist und nur wenig Sinn ergibt.

Julia Reda betonte uns gegenüber den Unterschied zum deutschen Leistungsschutzrecht und machte zudem darauf aufmerksam, dass die vorgeschlagene EU-Richtlinie auch rückwirkend gilt:

Anders als das deutsche Leistungsschutzrecht enthält der Gesetzesvorschlag von Herrn Oettinger keinerlei Einschränkung des Anwendungsbereichs auf Suchmaschinen oder Nachrichtenaggregatoren. Deshalb wäre dieses Leistungsschutzrecht gegen jeden anwendbar, der kleinste Teile von Nachrichtenartikeln wiedergibt, egal ob Privatperson oder gewerblicher Nutzer. Die Verlage versuchen von dieser Tatsache zuweilen durch Verweis auf einen Erwägungsgrund (Überlegungen, die der Interpretation der Richtlinie dienen sollen) abzulenken, in dem steht:

Erwägungsgrund 33: […] Dieser Schutz erstreckt sich nicht auf das Verknüpfen mit Hyperlinks, da dies keine öffentliche Wiedergabe darstellt.

Mit anderen Worten: das bloße Verlinken eines Artikels stellt so lange keine Verletzung des Leistungsschutzrechts da, wie kein auch noch so kleiner Teil des Artikels mit dem Hyperlink öffentlich wiedergegeben wird (öffentliche Wiedergabe). Das Problem dabei: Die meisten Links zu Artikeln enthalten bereits im Text der URL einen Ausschnitt aus dem Artikel, in aller Regel die Überschrift. Weil anders als im deutschen Leistungsschutzrecht keine Ausnahme für einzelne Worte oder kleinste Textausschnitte vorgesehen ist, wäre das Posten eines solchen Links bereits illegal, weil damit ein Teil des Textes öffentlich wiedergegeben wird. Umgehen ließe sich dieses Problem bestenfalls durch einen Link-Shortener. Außerdem stellen viele soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter einen Link automatisch mit einem Snippet dar, Überschrift und der erste Satz werden also automatisch eingeblendet, wenn man den Link teilt. In beiden diesen Fällen wäre das Leistungsschutzrecht verletzt, und das gilt rückwirkend für alle Artikel, die in den letzten 20 Jahren online gestellt wurden. Der Betreiber einer mehrere Jahre alten statischen Website, die Links zu Artikeln etwa über die Schließung von Napster enthält, könnte sich also plötzlich mit einer Abmahnung konfrontiert sehen.

18 Ergänzungen

  1. Und was hat ein „freies Netz“ damit zu tun, dass Google dafür bezahlen soll, wenn es Mrd. Umsätze mit den Leistungen Dritter macht ? Meint Ihr „Freiheit“ im liberitären Wirtschaftsinne ? Oder Freiheit mit den Leistungen Dritter ungefragt Kohle machen zu dürfen, wie ich will ? Zudem, wieso soll die Leistung eines Buchverlegers nichts wert sein ? Die Diskussion ums Leistungsschutzrecht erscheint mir als eine der letzen Baustellen, in denen die Google Lobbyisten, in Deutschland inbesondere Vertreten durch IGEL, immer noch erfolgreich auf eine brainwashed Netzgemeinde bauen kann.

    1. Niemand und nichts hindert die Verlage daran, sämtliche Websites auszusperren (robots.txt bzw. feingranularere serverseitige Mechanismen).

      Das Leistungsschutzrecht trifft letztlich kleine Unternehmen am stärksten, da diese nicht über die Marktmacht von Google verfügen. Google kann sagen „wir wollen nicht zahlen, also listen wir eure Seiten nicht auf“ – plötzlich kommen die Verlage angegrochen und vergeben kostenlose Lizenzen um nicht aus dem Index zu fliegen. (https://netzpolitik.org/2014/leistung-und-leistungsschutzrecht-datendokumentation-von-axel-springer/). Kleine Unternehmen werden sicherlich keine solche Gratislizenz erhalten.

      1. Ups, im ersten Satz soll es natürlich „Suchmaschinen“ heißen. Kommt davon, wenn man seine Sätze nachträglich umbaut ;-)

    2. An die Logik werde ich mich erinnern. Wenn das nächste Mal ein Kunde per Hansa-Taxi zu mir kommt, verlange ich von den Taxlern einfach eine prozentuale Umsatzbeteiligung – schließlich verdienen die Geld damit, dass sie die Kunden zu meinen Dienstleistungen bringen.

      1. Do solltest lieber gleich den UBER Dienst nutzen. UBER vermittelt Dir selbstständige Unternehmer und bringt diese mit Dir zusammen. Und verlangt dafür nur eine Gebühr von 20 % vom selbstständigen Unternehmer, der vorher vom fiesen hansa Taxi mit lächerlichen Verweis auf Mindestlohn, Sozialabgaben. Kranken- und Altervorsorge, Kündigungsschutz und bezahlten Urlaubstagen fies benutzt worden ist. Das UBER als reine Vermittlungsplattform auf so sozialistischen Schnick- Schnack verzichtet, um miz einer Handvoll Leute ohne Steuerzahlung oder Einzahlung in die Solidar Gemeinschaftskassen MRD. scheffeln, ist doch super. Und das die selbstständigen UBER Vertragspartner in Ihren Auto übernachten, keinen Urlaub haben. und am Arsch sind, wenn Sie krank oder alt werden, kann nicht das Problem von UBER sein, schließlich vermittelt UBER nur. Und dass die Ihren selbststänidgen Partner Preise diktieren, die ggf. der Grund sind, wieso UBER billiger als HANSA Taxi ist, kann schon ursächlich sein, dass halt der ganzen sozialkostengram wegfällt. Gut für Dich,noch eine Branche, Dir am Arsch vorbeigeht, damit in Kalifornien die MRD. gescheffelt werden.

      2. Als schlauer BWL-Student am besten gleich in die USA auswandern. Und tschüss! Aber vorher noch von den Eltern das Erziehungsgeld herausklagen, denn bei Dir haben sie ganz offensichtlich versagt.

  2. Die Wirtschaft ist gegen das LSR. Die Verbraucherschützer sind gegen das LSR. Aber egal, demnächst sind Wahlen in Deutschland und Oettinger hat die großen Verleger an seiner Seite.

  3. der letzte absatz dieses artikels gefällt mir ausnehmend gut. äußerst hilfreicher vergleich für die meisten die nicht so sehr themen versiert sind. toll! ähm der rest ist auch gut geschrieben aber das letzte stach sofort ins auge. :)

      1. Da geht’s um was ganz anderes, nämlich um das Kopieren ganzer Bücher und nicht um das Anzeigen kleiner Textauszüge.

  4. ….kurze Szene aus dem Film „Der Untergang“ für Parodiezwecke freizugeben. …. yo man, und das Bruno Ganz dafür ungefragt als Vollhorn herhalten muss und darüber wie Hund leidet, damit Netzprolls Ihren Spaß haben, der soll sich mal nicht so anstellen… ! Ebenso wie die Mrd. YouTube natürlich zustehen, die sich mit Werbung an die Prolls zu machen, auch da hat sich die Constandin, oder der Regisseur oder sonstwer, der sich als ernsthafter Künstler sieht, nicht so anzustellen ! dieses fucking persönlichkeitsrecht ist so 80. Wo kämen wir hin, wenn wir nicht mehr die tollen videos posten und remixen dürften, die all die lustigen „wasted party Gilrs “ zeigen “ lächerlich.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.