EU-Kommission: Prepaid-Karten-Erfassung und Identifizierungspflicht sogar bei Kleinstbeträgen

Die Metadaten bei Online-Bezahlvorgängen sind nun auch für eine Vorratsdatenspeicherung vorgesehen. Mit der Begründung, gegen Geldwäsche vorgehen zu wollen, sollen finanzielle Online-Transaktionen künftig einer generellen Identifikationspflicht unterliegen und erfasst werden. Diese Pläne der EU-Kommission sind mit dem deutschen Grundgesetz unvereinbar, stellt Peter Schaar in einem Gutachten fest.

Hacker der Polizei (Symbolbild). CC-BY-ND 2.0 jannekestaaks via flickr

Die Europäische Kommission plant eine umfassende Identifizierungspflicht für Bezahlvorgänge, die anonymes Transferieren von Beträgen sogar bei kleinsten Summen unterbinden soll. Künftig sollen alle Zahlungsvorgänge erfasst werden, auch von Kleinstbeträgen beim sogenannten Micropayment. Dazu sind Änderungen der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (RL 2015/849) vorgesehen.

Von Geldwäsche spricht man, wenn eine illegale Herkunft von Geldbeträgen verborgen werden soll. Häufig wird auf Drogengelder verwiesen, um Geldwäsche-Regelungen zu begründen, in jüngster Zeit auch auf Terrorismusfinanzierung. Es existieren in Deutschland bereits umfängliche Melde- und Überwachungspflichten für Banken und Versicherungen, die mit dem Geldwäschegesetz eingeführt wurden.

Peter Schaar, der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte und heutige Vorsitzende der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), hat sich in einem Gutachten (pdf) mit diesen Plänen auseinandergesetzt und heute in Frankfurt auf dem Prepaid-Kongress über die geplante Identifizierungspflicht gesprochen:

Die Kommission will die ohnehin niedrig bemessene Höchstgrenze des in anonymen Prepaid-Produkten zu speichernden Betrags weiter begrenzen, was den Einsatzbereich von anonymen Zahlungsmitteln auch außerhalb des Online-Bereichs weiter einschränken würde.

Er nennt das Vorhaben aber auch schlichtweg eine „unzulässige Vorratsdatenspeicherung“. Die Bekämpfung der Geldwäsche soll nämlich Begründung dafür sein, europaweit alle Transaktionsdaten und Angaben über die Nutzer zu erfassen und zu speichern.

Daten von vielen Millionen Menschen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung vom 2. März 2010 hatte die Bedeutung des Telekommunikationsgeheimnisses hervorgehoben und auch die Metadaten der Kommunikationsnetze für schützenswert erachtet. Telekommunikationsnetze dürften nicht als „Plattformen der Verdachtsschöpfung“ missbraucht werden.

Das Urteil lässt sich auf Metadaten von Geldtransfer-Plattformen übertragen, wenn anlassloses Speichern vorgeschrieben wird. Denn nichts anderes als eine „Verdachtsschöpfung“ wäre auch die geplante EU-Richtlinienänderung. Aber auch andere Aspekte des Vorratsdatenspeicherungsurteils ließen sich übertragen, etwa die Frage der Kosten-Nutzen-Effizienz der riesigen Datenhalden oder die Sicherheit vor dem Zugriff Dritter auf die Datenmengen von vielen Millionen Menschen europaweit.

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Anonym nur noch offline bezahlen?
Foto-Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0, von Charles Crosbie.

Keine verfassungskonforme Umsetzung der Richtlinie möglich

Schaar verneint im Fazit seines Gutachtens die Frage, ob das Vorhaben der Kommission mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar wäre:

Wenn den Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen würde, bestimmte für Online-Transaktionen geeignete E-Geld-Produkte mit niedrigem Risikopotential von der Identifikationspflicht auszunehmen, wäre dem deutschen Gesetzgeber eine verfassungskonforme Umsetzung der GW-Richtlinie nicht mehr möglich.

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Peter Schaar heute in Frankfurt über die EU-Pläne zur Identifizierungspflicht von Prepaid-Produkten, via Twitter.

Insbesondere mit der durch das Volkszählungsurteil etablierten informationellen Selbstbestimmung der Menschen wäre die Geldwäscherichtlinie nicht vereinbar:

Eine durch EU-Recht festgelegte generelle Identifikationspflicht wäre auch nicht vereinbar mit dem durch das Grundgesetz garantierten Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Aber nicht nur das deutsche Grundgesetz ist betroffen, Schaar hat auch große Zweifel, dass die Pläne mit der neuen Datenschutzgrundverordnung (2016/679, DS-GVO) sowie der Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz (2016/680, DS-JI-RL) vereinbar wären. Er begründet außerdem die Europarechtswidrigkeit der Geldwäsche-Richtlinie. Denn die Zwecke der Datenverwendung seien „nicht hinreichend präzise gefasst“ und auch die staatlichen Stellen, die sie nutzen dürfen, nicht hinreichend genau bestimmt.

Übrigens: „Die Wahrscheinlichkeit, dass jeden Tag zwei Drittel aller Deutschen mindestens eine Tat der Geldwäsche begehen, ist 100 Prozent“, schreibt Thomas Fischer.

23 Ergänzungen

  1. Perfekt. Vollstaendige Ueberwachung und jederzeit wird man bei jedem etwas finden, wenn man es braucht. Und kann dann im naechsten Schritt alles einziehen, dessen sauberer Erwerb nicht nachgewiesen werden kann.

  2. Wenn ich mir vortstelle, ich würde einene Kriminalroman schreiben, gerade Handys/Smartphones … da würde meinem Protargonisten eine Kurzstrecke im öffentlichen Nahverkehr genügen und der Prota hätte mindestens eine Handvoll mobiler Geräte entwendet zum missbrauch. Wer wäre schon so doof kriminelle absprachen über ein ihm gehörenden Anschluss zu tätigen?
    Ich bin mir sicher, wer böses im Schilde führt, setzt seine Vorhaben sicherlich fern der Totalüberwachung durch.

    Diese Gesetze, die alle Menschen ständig zu verdächtigen machen, sind imho nicht mit dem freiheitlichen Grundgedanken einer ordentlichen Gesellschaft zu vereinbaren. Als ich jung und naiv war, dachte ich der Verfassungsschutz würde uns vor solchen „Gesetzgebern“ schützen. Aus heutiger Sicht, unglaublich wie doof ich war.

    1. Tauschbörsen von Kryptowährungen unterliegen zukünftig ebenfalls Identifizierungspflichten. Steht im selben Gesetzesvorschlag,

  3. Der Artikel behandelt, meiner Meinung nach, zu sehr den datenschutzrechtlichen Aspekt des entsprechenden Gesetzesentwurfes, dabei stellt sich doch die ganz grundlegende Frage, wie eine solche Identifikation praktisch umgesetzt werden soll. Welche Identifikation ist überhaupt gemeint? Dass man Name, Adresse und ähnliche Daten übermittelt oder doch, und das befürchtete ich, man für jede Zahlung seinen Personalausweis hervorholen muss. Ich lade meine Konten stets mithilfe von Geschenkgutscheinen auf, die man an Tankstellen, Postfilialen oder im Elektronikfachhandel findet. Für alles andere nutze ich PayPal. Denn eine Kreditkarte steht mir als Student nicht zu. Niemals musste ich dafür meinen Personalausweis benutzen, beziehungsweise: Ich kann es überhaupt nicht, jedenfalls nicht in hier. Denn als ausländischer Student in Deutschland, entspricht meine Adresse auf dem Personalausweis nicht meiner aktuellen Adresse, weswegen mir bereits zahlreiche Leistungen, etwa Handy-Verträge, selbst Prepaid-SIMs, die Eröffnung eines Bankkontos oder die Benutzung einer DHL-Packstation, etc. verweigert wurden. Entsprechend freue ich mich richtig, künftig noch weniger tun zu dürfen.

  4. Eine Prepart karte kauft man um nicht in Abo Fällen zu rutschen..gerade für Kinder..das wird mehr und mehr ausgehebelt..warum wird sich nicht vermehrt der Bekämpfung von Schwarzarbeit..und Schwarzgeld gekümmert..wer unerkannt telefonieren will holt sich Karten aus dem Ausland

  5. Es gibt nun mal beim Strafrecht keine „kleine Straftat“. Somit gibt es auch keine „kleine Geldwäsche“. Die Unterscheidung findet in der Findung des Strafmaßes statt. Ermittelt wird aber die Straftat an sich, unabhängig davon ,welches Strafmaß folgt. Zudem gibt es sehr wohl Bagatell grenzen. In unzähligen Fällen wird eine Straftat als Ordnungswidrigkeit klassifiziert. Dann ist dies ein Verwaltungsakt, es finden auch keine Ermittlungen oder gar Erfassung statt. Das betrifft sogar die Mehrzahl der ggf. strafrechtlich relevanten Tatbestände. Das Geldwäsche keinesfalls eine Bagatell ist, ebensowenig wie Steuerhinterziehung, sollte jeden mit halbwegs rechtstaalicher Gesinnung klar sein.

    1. Jedem mit halbwegs rechtstaatlicher Gesinnung sollte klar sein das anlsslosen Datensammeln von jedem Bürger gegen die Verfassung versösst. Es ist immer das gleiche, die Trrorismuskeule rechtferigt alles. Warum wird nicht zu erst Autofahren, Radfahren, Spazierengehen, Schwimmen, Hausarbeit und überhaupt Arbeit an sich verboten. Bei all diese Tätigkeiten sterben wesentlich mehr Menschen als durch Terrorismus.

  6. Das ist ja nur effektiv umsetzbar, wenn man Personalausweise beim Kauf der Prepaidkarten aufzeichnet. Setzt aber voraus, dass jede Dorftankstelle das auch gewissenhaft erfasst! Das wird nie passieren!
    Zur Not kauft man die Nummern der Prepaidkarten einfach online per BTC aus dem Ausland.

    Geld wird man auch dann noch waschen können über Güter oder Edelmetalle.. Das ist doch alles ein Witz.

  7. Kann man dann endlich – ohne auf die Hilfe hessischer Steuerfahnder zurückgreifen zu müssen – die Herkunft der Gelder auf den Schwarzgeldkonten der CDU nachvollziehen?

  8. Und natürlich die Überwachung von Pfandautomaten nicht vergessen! Damit man endlich auch da den Hartz IV-Empfängern jeden Cent „zuviel“ nachweisen und abziehen kann.

    Aber das wird vermutlich mit der Abschaffung des Bargelds erledigt.

  9. Als wenn die bösen Kriminellen mit ihrer Kreditkarte bezahlen würden. Da sind 99,9% normale Bürger ganz klares „Target“. Für die FREIHEIT und so.

  10. Prima, bloß keine Atempause einlegen im Kampf für die totale Sicherheit. Ich warte ja noch auf den Politiker der vorschlägt, in privaten Schlafzimmern Videokameras in installieren. Dieser *Videoschutz* dient schließlich der Verbrechensbekämpfung, und die meisten Gewalttaten spielen sich immerhin im häuslichen Umfeld ab. Ein Zwangsrauchmelder mit optischen Sensor hängt bei mir schon an der Decke. Es wird sicher nicht mehr lange dauern.

    Früher habe ich öfter noch Witze über solche faschistoiden Überwachungsfantasien gemacht. Irgendwann musste ich aber feststellen, dass vieles davon wenige Jahre später tatsächlich in ein Gesetz gegossen wurde…

  11. Mein Gott, ist das erbärmlich.
    Erinnert das nicht nur mich an
    „Ich liebe — ich liebe doch alle — alle Menschen. Ich liebe doch — ich setze mich doch dafür ein.“
    ??

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.