Airbus knackt den Jackpot: Deutscher Rüstungskonzern führt Konsortium für europäisches Drohnenprojekt

Mit dem Verteidigungsministerium wird Airbus Hauptauftragnehmer der zweijährigen Vorstudie für eine Waffen tragende europäische Langstreckendrohne. Die Vertragsunterzeichnung ist noch vor der Sommerpause geplant, im September soll es losgehen. Die Gesamtkosten des Projekts liegen über einer Milliarde Euro.

Der frühere "Talarion" von EADS (Modell) war der erste Versuch, eine "europäische Drohne" auf den Weg zu bringen.
Der frühere „Talarion“ von Airbus (Modell) war der erste Versuch, eine „europäische Drohne“ auf den Weg zu bringen.

Das Bundesministerium der Verteidigung konkretisiert die Beschaffungspläne für eine bewaffnungsfähige Langstreckendrohne. Unter Leitung des Rüstungskonzerns Airbus Defence & Space (ADAS) soll eine erste Definitionsstudie für ein „Europäisches MALE RPAS“ durchgeführt werden. Die Abkürzungen stehen für „Medium Altitude Long Endurance“ und „Remotely Piloted Aircraft System“, das Drohnen samt der Systeme für Steuerung und Empfang von Aufklärungsdaten bezeichnet.

Eine solche Vorstudie ist nötig, um die Möglichkeiten der Drohne zu definieren und die späteren Kosten abzuschätzen. Später könnte eine Entwicklungsphase und anschließend eine Realisierungsphase folgen. Bis 2025 soll die Drohne serienreif sein. Aus dem Verteidigungsministerium verlautet, dass das Gesamtprojekt der „Europäischen MALE RPAS“ die Milliardenmarke knackt. Nicht eingerechnet sind Gelder in hoher dreistelliger Millionenhöhe, die Airbus bereits für die zivile und militärische Drohnenforschung erhielt. Die Bundesregierung, aber auch die Europäische Union haben außerdem hohe Summen in die Entwicklung der benötigten Satellitenkapazitäten durch Airbus investiert.

Airbus endlich erfolgreich

Derzeitige Marktführer für Langstreckendrohnen sind der Rüstungskonzern General Atomics aus den USA („Predator“) und Israel Aeronspace Industries („Heron“). Seit Jahren favorisiert die Bundesregierung eine europäische Entwicklung, konnte sich aber nicht zu einer Zusage für eine spätere Abnahme erst nach 10 Jahren serienreifen Drohnen durchringen. Airbus Defence & Space (ADAS) unternahm dennoch mehrere Versuche, um das Verteidigungsministerium von einer eigenen Entwicklung zu überzeugen. Zuerst entwarf der Konzern die Drohne „Talarion“, später folgte das Projekt „FEMALE 2020“.

Nun will die Bundesregierung zusammen mit Frankreich, Italien und Spanien einen verbindlichen Vertrag zur Durchführung einer Definitionsstudie abschließen. Eine erste Vereinbarung über ein „multilaterales Drohnenprojekt“ wurde bereits im Mai vergangenen Jahres unterzeichnet. Zuerst waren die Firmen Airbus, Dassault Aviation (Frankreich) und Alenia Aermacchi (Italien) an Bord, im November kam Spanien hinzu. Weil kein spanisches Unternehmen größere Erfahrung mit Langstreckendrohnen hat, wird die Regierung in Madrid lediglich finanziell an dem Projekt beteiligt.

Das „Europäische MALE RPAS“ soll als „System zur abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes“ (SAATEG) zum Einsatz kommen. Damit wird bei der Bundeswehr eine Drohne zur luftgestützten Überwachung und Aufklärung bezeichnet. Die noch zu entwickelnde europäische Drohne soll leistungsfähiger sein als jene des Typs „Heron 1“, die von der Bundeswehr derzeit in Afghanistan und bald auch in Mali geflogen werden. Bis das „Europäische MALE RPAS“ endgültig zur Verfügung steht, will das Verteidigungsministerium als „Überbrückungslösung“ die Drohne „Heron TP“ beschaffen und bewaffnen. Auftragnehmer ist wieder Airbus, die Systeme werden durch die Bundeswehr geleast. Auch die Fähigkeiten der „Heron TP“ sollen von dem „Europäischen MALE RPAS“ übertroffen werden.

Weitere Aufträge für deutsche Unternehmen

Die neue Drohne könnte mit Lenkwaffen des ebenfalls europäischen Rüstungskonzerns MBDA eingerüstet werden. (Bild: MBDA)
Die neue Drohne könnte mit Lenkwaffen des ebenfalls europäischen Rüstungskonzerns MBDA eingerüstet werden. (Bild: MBDA)

Der Auftrag für die zweijährige Definitionsstudie soll noch vor der Sommerpause vergeben werden, die Arbeitsaufnahme ist für September angekündigt. Zuerst ist eine „Konzeptphase“ geplant, später folgt eine „Entwurfsphase“. Dabei dürfte auch die Anforderung an die Bewaffnung mit gelenkten Bomben und Raketen eine Rolle spielen.

Das Konsortium wird von Airbus angeführt, im bayerischen Manching entsteht dafür eine neue Abteilung für die Entwicklung des „Europäischen MALE RPAS“. Die Bundesregierung beabsichtigt, weitere Aufträge an deutsche Unternehmen zu vergeben. Unter anderem sollen die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG) und das Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt technische Beraterverträge über mehrere Millionen Euro erhalten.

Das Management des Projekts obliegt der multilateralen Gemeinsamen Organisation für Rüstungskooperation (OCCAR) mit Sitz in Bonn, eine entsprechende Vereinbarung wurde bereits im Frühjahr unterzeichnet. In der Organisation kooperieren Verteidigungsministerien aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien in großen Rüstungsvorhaben. Davon soll nun auch das „Europäische MALE RPAS“ profitieren. Die OCCAR betreibt bereits Büros in allen vier Teilnehmerländern der Definitionsstudie, nun soll eine weitere Abteilung in Hallbergmoos bei München entstehen.

Bei der OCCAR handelt es sich um eine multilaterale Organisation die eng mit der NATO kooperiert. Sie mit Leitungsaufgaben zu betrauen kann als Absage an die Verteidigungsagentur der Europäischen Union verstanden werden. Die damalige Vorsitzende des Europäischen Auswärtigen Dienstes hatte vor drei ein Konzept zur Militarisierung der EU vorgelegt, das unter anderem die Entwicklung einer europäischen Drohne forderte. Auf diese Weise sollte Europa auf der „Weltbühne“ gestärkt werden. Die EU-Mitgliedstaaten hatten zudem verabredet gemeinsame Anstrengungen militärischer Zulassungsverfahren für Drohnen zu unternehmen.

Musterzulassung für europäische Lufträume

Die wegen fehlender Zulassung gegroundete Euro-Hawk-Drohne der Bundeswehr in Manching. (Bild: Maximilian Schönherr/CC-BY-SA-3.0)
Die wegen fehlender Zulassung gegroundete Euro-Hawk-Drohne der Bundeswehr in Manching. (Bild: Maximilian Schönherr/CC-BY-SA-3.0)

Schließlich haben die vier Partnerländer die Einrichtung einer gemeinsamen Zulassungsorganisation verabredet. Das Projekt soll die Fehler der deutschen Skandal-Drohne „Euro Hawk“ vermeiden, die aufgrund einer fehlenden Zulassung keine Musterzulassung für den deutschen Luftraum erhält. Das „Europäische MALE RPAS“ soll eine Lizenz zum Betrieb in allen europäischen Lufträumen erhalten.

Die Kosten für die Definitionsstudie werden mit maximal 83 Millionen Euro veranschlagt und unter den beteiligten Ländern aufgeteilt. Weil die Bundesregierung und Airbus das Projekt anführen, entfallen für Deutschland 31 %. Mit den weiteren Studien für IABG und DLR liegt das Vorhaben über der 25 Millionen-Marke, weshalb es im Bundestag behandelt werden muss.

2 Ergänzungen

  1. Airbus Defence and Space darf weder abgekürzt werden, noch mit „&“ geschrieben werden. Soweit die Corporate Identity.
    Inoffiziell wird dann oft doch mit ADS abgekürzt, trotz der Verwechselbarkeit. ADAS sehe ich hier zum ersten mal. Würde ich auch nicht verwenden, weil niemand etwas damit anfangen kann.

    Alenia Aermacchi ist eine ehemalige Tochterfirma von Finmeccanica und ist seit 1.1.2016 nicht mehr existent. Das Geschäft mit Flugzeugen und Drohnen läuft nun direkt unter dem Namen Finmeccanica, genauer gesagt Leonardo-Finmeccanica, da die Firma ab dem 1.1.2017 nur noch Leonardo heißt.

    Es ist übrigens nicht so, dass Spanien nur finanziell beteiligt ist, vielmehr besteht Airbus Defence and Space zu einem guten Teil auch aus spanischen Mitarbeitern – die ehemalige CASA.
    Die Arbeit wird dabei, soweit nicht von Kundenseite unterbunden (Tornado, EFA), auch frei innerhalb der Firma verteilt (A400M, MRTT). Es gibt organisatorisch fast keine Ländergrenzen mehr innerhalb der Airbus Defence and Space – Fachabteilungen haben grundsätzlich Mitarbeiter in mehreren Ländern (u.a. auch Frankreich und UK).

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