Sie sehen dich und du siehst sie: Crossmediales Überwachungstheater in Köln – und in der Mediathek

supernerds_header_neu_2Supernerds- der Titel des neuen crossmedialen Theaterprojekts von Angela Richter am Schauspiel Köln spielt ironisch(?) mit dem Spannungsfeld zwischen Glorifizierung und Verachtung politischer Akteure sowie der eigenen Rolle im Überwachungskomplex. Am 28. Mai findet die Premiere im Theater statt- und weniger ortsgebunden auch im Fernsehen (/in der Mediathek).

Wie fühlt es sich an, bespitzelt zu werden? Verkürzt könnte man sagen, dass man das Gefühl kennen sollte, da es auf beinahe jeden zutrifft. Regierungen, Geheimdienste oder Konzerne speichern Daten, überwachen die Kommunikation und analysieren Bewegungen. Ob man am Computer arbeitet, mit dem Smart-Phone einen Messenger-Dienst nutzt oder am Bankautomaten Geld abhebt.

Dass die Gesellschaft ein Bewusstsein von dieser Form der alltäglichen Durchleuchtung hat, verdankt man den Whistleblowern: Hackern, Journalisten, Internetaktivisten, Geheimdienstmitarbeitern – modernen Aufklärer, die Rechtsbrüche von Regierungen, Geheimdiensten und Konzernen öffentlich machen, die eigentlich geheim bleiben sollten. Sie sind in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, ob sie wollten oder nicht, und an ihrem Beispiel werden Standards verhandelt. Ein wenig zeitversetzt natürlich auch in der Kultur und auf den Bühnen.

Die Regisseurin Angela Richter, die schon lange im Themenfeld arbeitet, hat einige dieser Dissidenten des digitalen Zeitalters getroffen und mit ihnen gesprochen – mit Julian Assange und Daniel Ellsberg, mit Jesselyn Radack und Thomas Drake, mit dem ehemaligen NSA-Direktor William Binney und mit Edward Snowden und aus den Gesprächen ein Theaterprojekt entwickelt. Am 28. Mai findet die Uraufführung statt, in Köln- und im Internet: supernerds.tv (noch totgeschaltet, aber sicher bald live…)

Der WDR produziert im eigens eingerichteten Studio eine Livesendung, während zeitgleich nebenan das Theater spielt. Das Theater ist dabei Teil der Sendung, das Fernsehen reagiert auf das Theater und greift ins Theaterspiel ein. Nur wer persönliche Daten wie Geburtsdatum und Handy-Nummer auf der obigen Webseite angibt, soll zur Zielscheibe digitaler Kontrolle werden. Gleichzeitig soll das Publikum auch immer wieder die Gelegenheit bekommen, per Abstimmung in die Show einzugreifen. Ergänzt durch besondere Gäste und Ausflüge ins digitale Netz entsteht so eine neue Erzählweise in der die Überwachung in ihrer Komplexität erlebbar wird.

9 Ergänzungen

  1. Also wenn der teuerste Spartensender des ARD das anpackt dann muss das ja was werden. Schließlich und endlich muss man ja sparen. Und da es ja im Theater nebenan läuft. Wieso nicht? Malen wir den deutschen die Überwachungswelt wie sie uns gefällt denken sich die Herren der Schöpfung. Noch ein Grund um die Kopfsteuer zu bagatellisieren und geräteunabhängig und vor allem NUTZUNGSUNABHÄNGIG abzuzocken.

    Das hat aber nichts mit dem Thaterstück zu tun. Das sollte man sich vll „afk bis live“ geben. Wieso nicht.

  2. @ Netzpolitik-Redaktion

    Ist Euch aufgefallen, dass man nur eine Eintrittskarte kaufen und im Theater als Zuschauer Platz nehmen darf, wenn man sich vorher „akkreditiert“?

    Ist das nicht eine Ironie der Geschichte, dass man ausgerechnet beim sensiblen Thema Überwachung die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung für alle Ewigkeiten mittels persönlicher Registrierung protokollieren soll?

    Angeblich ist diese „Akkreditierung“ wegen „spezieller Sicherheitsbedingungen“ und „besonderer Gäste“ erforderlich. Oder ist dies bereits Teil des Spiels?

    Jedenfalls führt dieser Identifizierungszwang dazu, dass das Theater eine Besucherin weniger hat. Schade, aber auf das Eintrittsgeld kann man dort offenbar verzichten…

      1. @Markus

        Da Du vermutest, weißt Du es also auch nicht? Ich dachte, Ihr hättet vielleicht Hintergrundwissen aus dem Umfeld von Angela ;)

        Aber mal im Ernst: Diese „Akkreditierungs“pflicht hält mich tatsächlich von einem Besuch der Veranstaltung ab. Dass das dort alles gefilmt und live übertragen werden soll, stört mich weniger – man kann sich ja verkleiden ;) – als dass ich dort meinen Datensatz hinterlassen soll. Listen der Teilnehmer an kritischen politischen Veranstaltungen sind ja bekanntlich begehrte „Handelsware“ auf dem Markt der Geheimen.

    1. Das verstehe ich zwar, aber die Frage bleibt ja, wie Du Überwachung _persönlich_ erlebbar machen willst, ohne persönliche Daten einzusetzen. Ob die Daten live verwendet oder irgendwie gespeichert bleiben, wissen wir nicht. Aber Deine Bedenken zeigen ja, dass es auch so schon funktionieren würde, oder? ;-))

      1. @Klna

        Klar, wenn die Zwangsdatenpreisgabe bei Ticketkauf und Theaterbesuch Teil des Konzepts sein soll, sollte man es aber irgendwie kommunizieren. Alles andere ist eine Frechheit! Die Leute, die sich bewusst eine Karte für so ein Event kaufen, haben bereits ein gewisses Awareness-Level erreicht und müssen nicht mehr durch hinterhältigen Datenabgriff „bekehrt“ oder aufgeklärt werden.

        Vielleicht will Angela Richter tatsächlich zeigen, wie bereitwillig die Zuschauer ihre Daten bei der „Akkreditierung“ offenlegen, ohne Nachfrage oder Protest. Aber dieses Exempel an bereits einigermaßen aufgeklärten und kritischen Theaterbesuchern zu statuieren, ist fragwürdig. Mich schreckt es vom Theaterbesuch ab und macht mich zornig. Die Zielgruppen, die wirklich mit solchen Events erreicht werden sollten, werden noch nichtmal mitbekommen, dass da überhaupt was veranstaltet wird.

  3. Bei Anke Engelke hat Angela Richter Supernerds als die Typen definiert, denen die Zukunft gehört und die uns retten können, in ihrem Affen-Stück Assassinate Assange waren Supernerds die Nerds, die Frauen um ihre Finger wickeln können. Mal sehen, wie Supernerds jetzt definiert werden. Ich finde die Fixierung auf Supertypen ja eher bedenklich.

  4. Also ich habe mich da vor 3 Tagen angemeldet, aber überhaupt nichts bekommen. Keine Mails, keine Anrufe und keine SMS. Wem geht´s auch so?
    Hat wohl nicht funktioniert, da man bis zum 28. Mai 2015 verschiedene Level spielen sollte.

  5. ich bin seit dem 6. Mai angemeldet und habe bis jetzt 1 SMS und eine Postkarte bekommen;
    für die Anmeldung musste ich eine E-Mail Adresse und Mobilfunk Nummer angeben und wahlweise auch meine Adresse.
    Ich hoffe nur, dass meine Daten nach Ende der Aktion tatsächlich wieder gelöscht werden.

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