Das erste Handy und die Handygarage

Logo, die Kindernachrichten von Kika, haben sich mit dem Thema „Das erste Handy“ beschäftigt. So lautet die Empfehlung im Beitrag, Schulkinder frühestens im Alter von 9 Jahren mit einem eigenen Handy auszustatten. Das hänge natürlich davon ab, wie dem Kind beigebracht werde mit dem Mobiltelefon umzugehen. Interessant finde ich dabei die Abstimmung auf der Seite von Kika, dass ca. 41% der Befragten (wer auch immer daran teilgenommen hat) ihr Handy nur ab und zu benutzen und nur ca. 21% ohne ihr Handy gar nicht mehr leben könnten. Interessant deshalb, weil sich damit ja eine ganz andere Diskussion verbindet: Das Handy- bzw. Medienverbot an vielen deutschen Schulen. Festgeschrieben ist das meist in den jeweiligen Hausordnungen der Schulen, weil eine Wegnahme des Handys auf dem Schulgelände das Eigentumsrecht nach §903 BGB tangiert.

Genauergesagt, eine Wegnahme des Handys über Nacht, damit die Eltern es am nächsten Tag persönlich beim Schuldirektor wieder abholen können. Allerdings können Eltern zusammen mit den Lehrern in einer Gesamtschulkonferenz ein solches Verfahren beschließen. In der 4. Klasse, also mit 9 oder 10 Jahren, klingt das noch gar nicht so schlimm. Was aber passiert dann in der Oberstufe, wenn ein Medienverbot an der Schule gilt? Dann kann selbst in der Pause oder in Freistunden das Mobiltelefon weder zum Musik hören, noch zum Spielen benutzt werden. Die Schülerschaft der Theodor Storm Schule Husum hat sich gegen ihr Medienverbot gewehrt, aber herausgekommen ist wenig, eigentlich nur ein Glaskasten mit einer einzigen Steckdose, in der dann das Handy genutzt werden darf. Während die Lehrer natürlich ohne weiteres ihr Handy immer nutzen dürfen. Natürlich steht dahinter, dass die besorgte Elternschaft zum Wohle der Kinder „Happy Slapping“ Videos vom Schulhof unterbinden möchte. Und ebenso die besorgte Lehrerschaft „Unterschleif“, so nennt man juristisch wohl „spicken“, auf elektronischem Wege verhindern will.

Die CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinschen Landtag hat sogar erneut den Einsatz von „Handydetektoren“ bei Abschlussprüfungen gefordert. Handydektoren reagieren auf Handystrahlen ähnlich wie Rauchmelder, ohne allerdings das Handy zu orten. Natürlich wieder mit dem Argument, die Entscheidung darüber den Eltern und Lehrern an den jeweiligen Schulen zu überlassen. Hat sich dabei allerdings mal jemand über die Medienkompetenz von Eltern und Lehrern Gedanken gemacht, die über solche Handydetektoren dann abstimmen sollen? Ich bin mir nicht sicher, ob Medienverbot und Handydetektoren so viel dazu beitragen, den kommenden Generationen beizubringen wie man mit seinem Handy sinnvoll umgehen kann. Ich fände es schon gut, wenn der Umgang mit Handys und Smartphones genau wie rechnen, lesen und schreiben in den Schulalltag integriert werden könnte. Dafür bräuchte es wohl mehr Fortbildungen für Lehrer und wie mir scheint auch für Eltern.

Und wie im Kika Beitrag vorgeschlagen, ist die Idee der Handygarage in manchen Situationen doch gar nicht so schlecht. Dann legen eben alle das Handy einfach mal beiseite.

 

12 Ergänzungen

  1. Selbst die meisten Erwachsenen können nicht verantwortlich mit ihrem Handy umgehen, aber 9-jährige sollen das lernen können? Nicht mehr als Traube um den einen herumstehen, der ein cooles Spiel mitgeschleppt hat? Mit 14 durchdringen, welche Apps mit welchen Rechten man sich runterzieht, um mitreden zu können? Da verlangst du aber ne Menge „Medienkompetenz“. Die Geschichten mit Raucherecken sind ja inzwischen auch Geschichte. Und Biertrinken wird auch nicht als Schule gegen Alkoholprobleme in den Unterricht eingebunden. Die Schulen bieten im Rahmen ihrer sonstigen Verpflichtungen schon ne Menge an, von der Verkehrserziehung über Suchtpräventionen bis zum Internetführerschein – aber ein Lernort bleibt sie trotzdem und Handys, heute meistens gleichzusetzen mit Smartphones, haben da nichts zu suchen (Ein Handy, das nur zum Telefonieren genutzt werden könnte und das nur zwischen Eltern und Kind genutzt würde wäre nicht Gegenstand der massiven Kritik)

    1. Sind denn Biertrinken und Rauchen essentielle Fähigkeiten, sich in unserer modernen Welt zurecht zu finden? Wohl kaum.

      Die Bedienung von technischen Geräten (und ja, dazu gehören auch Smartphones) und der Umgang mit der „digitalen Sphäre“ schon. Man kann sich darum streiten, ob Kinder bereits als Einstieg unbedingt ein Smartphone mit allem Pi-pa-po haben müssen, aber auch angesichts der Tatsache, dass heutzutage im Notfall nicht mehr an jeder Ecke eine Telefonzelle zur Verfügung steht, rechtfertigt meines Erachtens zumindest ein 20-Euro-Plastikhandy mit Prepaid-SIM im Grundschulalter.

      Darüber hinaus sind Smartphones bereits fester Bestandteil im Leben von Jugendlichen, nicht nur für „endgeil krasse“ Videos oder Spiele, sondern auch zur Kommunikation abseits von telefonieren und SMS. Nur weil wir (da schließe ich mich sogar gerne mit ein) das noch für Humbug halten, muss das nicht heißen, dass es nicht wichtig für das spätere Leben ist. Meine Eltern fanden meine Begeisterung für Rechner und „dieses Internet“ damals auch bedenklich. Heute sind sie froh, dass sie sich nicht gänzlich dagegen gesperrt haben und ich damit heute meinen Lebensunterhalt verdienen kann.

  2. Lol… der war gut: Dann legen eben alle das Handy einfach mal beiseite.

    Inzwischen gibt es genügend Leute, die ihr Handy nicht mehr AUS der Hand legen… Die würden sich am liebsten eins implementieren lassen. Da stehen selbst die Leute auf Klo mit einem Handy in der Hand da. Viele sind aber wirklich mit Handy in der Hand unterwegs, hauptsache andere sehen das Apple Logo: Kaffee holen, zum Kopierer, Raucherpause…

    Auch aus meinem Bekanntenkreis kenne ich genügend Leute, die es nicht mehr schaffen sich mehr als 3 min auf etwas zu konzentrieren ohne auf das Handy zu schauen. Wenn dann 3 mal in Folge nix passiert ist ab auf Facebook, egal ob man grade mitten im Gespräch ist oder zusammen einen Schrank schleppt.

    Überhaupt ist Remote-Kommunikation inzwischen zumindest in meinem Bekanntenkreis beliebter als persönliches Treffen. Es ist halt so anstrengend zum Kaffee vorbei zu kommen, lieber telefoniert man eben eine halbe Stunde.

    Greetz,
    GHad

  3. Als kurze Ergänzung noch eine kleine Anektode aus der „echten“ ™ Welt: In meinem Bekanntenkreis (viele netzaffin/empärt pber NSA, etc.) wird man grade Eltern (so ein Trend halt). Man wettert zwar gegen Überwachung überall aber dafür diskutiert man darüber ob man dem Kind nicht schon ab 1 Jahr ein Handy kauft. Weil damit kann man ja so toll überwachen was das Balg macht… Doppeldenk ist längst Realität…

    Greetz,
    GHad

    1. Der kleine aber feine Unterschied ist, dass Eltern auf ihre unmündigen Kinder aufpassen müssen. Bei staatlicher Überwachung greift diese Ausrede nicht.
      Trotzdem sehe ich es auch eher skeptisch, Kinder so früh an Überwachung zu gewöhnen. Besser man lässt sie ihre eigenen Fehler machen und ein paar mal auf die Nase fallen. Da lernen sie eher was bei als wenn die allwissende Mama alles potentiell gefährliche verbietet.

      1. Na wieso? Die Politiker sehen doch ihre Bürger genauso als unmündige Kinder an… Es gibt genügend Beispiele dafür was eigentlich mündige Bürger für sich selbst entscheiden könnten aber nicht dürfen weil aus irgendwelchen Gründen der Staat meint er wüsste es besser.

        Für die Politiker sind wir Kinder!

        Greetz,
        GHad

  4. Wenn Informationen überall so schnell und einfach zugänglich sind, dass es nötig ist High-Tech-Geräte anzuschaffen um die Kinder am Spicken zu hindern, ist es dann überhaupt noch zeitgemäß, Hilfsmittel zu verbieten? Anstatt zu verlangen dass alles auswendig gelernt wird, kann man die Zeit auch sinnvoller nutzen um zu lernen die ohnehin überall verfügbaren Informationen zu nutzen. Wenn es wichtig genug ist und oft genug gebraucht wird, kann man es eh irgendwann auswendig.

    1. Das Problem ist, dass man sich furchtbar abhängig macht. Handynetz gestört und man weiss nicht mehr, wie man sich die Schuhe bindet. Es ist Teil der Medienkompetenzausbildung, klarzumachen, dass man gewisse Dinge durchaus wissen muss und andere gerne nachschlagen darf, wenn man sie braucht. So durfte man „zu meiner Zeit“ zu den Abiklausuren Fachbücher oder Formelsammlungen mitbringen. Die Aufgaben wurden dadurch aber nicht unbedingt trivial.

      1. Ich kenne auch aus dem Studium noch die sogenannten „Kofferklausuren“ – also alle Bücher, Zettel, Notizen, usw dürfen mitgebracht werden. Sehe jetzt nicht, wieso das nicht auf Wikipedia erweitert werden könnte.
        Der begrenzende Faktor ist da nur noch die Zeit, denn je mehr man nachschlagen muss, desto langsamer wird es. Wer noch in der Formelsammlung nachschlagen muss, wie man lineare Gleichungssysteme löst oder die pq-Formel benutzt, wird vermutlich nicht rechtzeitig fertig…

    2. Analyse: Die Unterscheidung zwischen der Nutzung von Hilfsmitteln und Fremdleistungen ist bei Prüfungen der entscheidende Knackpunkt.

  5. Das mit dem Handyverbot ist affig. Hier bei uns in Franken hat die Bayrische Landesregierung (die nicht nur die Hoheit über Bayern hat, sondern daneben auch noch Franken verwaltet) gleich die Handybenutzung an Schulen per Gesetz verboten. Wer es doch tut, handelt ordnungswidrig.

    Mein Eindruck von der ganzen Sache war (inzwischen bin ich kein Schüler mehr), dass die Lehrkräfte an meiner Schule garkeine Lust hatten, das Handyverbot durchzusetzen. Am Anfang wurde zwar noch sehr streng darauf geachtet, und es wurden auch Geräte konfisziert. Aber nach ein paar Wochen hatte sich die Lage normalisiert und es war den meisten Lehrern egal, wenn man in der Pause telefoniert hat.

    Ich habe am Anfang mein Handy auch immer vor dem Schultor ausgeschaltet. Allerdings war das ein fürchterlicher Aufwand, denn die Fahrradständer waren auf dem Schulgelände und ich musste zweimal am Tag auf der Straße stoppen, nur wegen dem Handy. Da ich mein Handy damals nur sehr wenig benutzt habe, bestand die Handybenutzung bei mir fast nur noch aus aus- und einschalten.

    Mir wurde das irgendwann zu blöd. Ich habe das Handy dann dauerhaft auf Vibration gestellt und immer angelassen. Ich hab es auch bei Prüfungen angelassen. Hat eh keiner gemerkt und untergeschliffen (oder wie das heißt) habe ich auch nicht.

    Einmal wurde ich dann doch beim „Handy benutzen“ erwischt, genauer gesagt, ich habe im Unterricht überprüft, ob das Handy aus war (in Wirklichkeit hab ich SMS gelesen, aber das brauchte der Lehrer nicht zu wissen). Ich habe dem Lehrer erklärt, dass die Herausgabe des Geräts gegen mein Grundrecht auf Eigentum verstoßen würde und er die Angelegenheit mit meinem Anwalt klären solle.

    ICh wurde daraufhin zum Direktor zitiert, der mir erklärte, dass ich eine Ordnungswidrigkeit begangen hätte. Obwohl das Handy aus war. Der Vorfall blieb aber ohne weitere Konsequenzen.

    Das man mit dem Handy-Verbot Happy Slapping verhindern kann, halte ich für abwegig. Ich habe noch nie erlebt, dass Schüler Gewaltvideos von Handy zu Handy übertragen hätten. Hinzu kommt, dass die Schüler durch das Handyverbot an sich so sehr kriminalisiert werden, dass mindestens die Hälfte so oder so jeden Tag eine Ordnungswidrigkeit begeht. Wer da Gewaltvideos tauschen will, der weiß, wie man das macht, ohne erwischt zu werden, denn man ist es ja so oder so gewohnt, dass man das Handy verstecken muss.

    Ich habe zweimal an meiner Schule sowas wie Happy Slapping erlebt. Das eine Mal wurde ich auf dem Schulgelände verprügelt und gefilmt. Ich habe es geschafft, dafür zu sorgen, dass zumindest einer der Täter, nämlich der mit der Kamera, einer Lehrkraft vorgeführt wurde und er behauptete daraufhin, das Video gelöscht zu haben (was ich zwar bezweifle, aber ich habe danach keinerlei Gerüchte gehört, dass das Video noch existent sei).

    In einem anderen Fall wurde ein Lehrer im Unterricht fürchterlich gemobbt und dabei gefilmt, das Video danach auf Youtube hochgeladen. Die Täter erhielten mehrere Tage Hausverbot und wurden gezwungen, das Video wieder zu löschen. Hierfür musste der Netzwerkadministrator hinzugezogen werden, da Youtube im Schulnetz eigentlich gesperrt war. Ich habe das Video später auf einem USB-Stick erhalten, vollständig konform zum Handyverbot.

    Es gab dann irgendwann noch den Fall, wo ich dringend mit dem Kreiswehrersatzamt telephonieren musste. Leider waren die Bürozeiten der vorgenannten Behörde so gelegen, dass sie an jedem Wochentag ziemlich genau mit meinem Stundenplan kollidierten. Ich habe mehrere Wochen lang jeden Tag nach der Schule versucht anzurufen, und bin immer bei der Zentrale in Schlagmichtot gelandet, die mir nur erklären konnte, dass ich außerhalb der Bürozeiten anrufen würde. Ich hab mich dann irgendwann in der Pause aus dem Schulgelände geschlichen (was für die älteren Schüler neuerdings nicht mehr erlaubt war), da ich nur so das Telephonat führen konnte. (Oder hätte ich dafür eine Unterrichtsbefreiung beantragen sollen?)

    Kurz: Das Handyverbot ist Unfug. Lieber Landtag, bitte schafft diesen Schwachsinn ab.

  6. Hallo in die Runde,
    das mit dem Handyverbot ist tatsächlich schwierig durchzusetzen. Die Praxis in vielen Schulen, in denen ich Workshops für Schülern und Eltern gebe, zeigt, dass die Geräte dennoch gentzt werden trotz Verbot!!!

    Noch etwas anderes ist mir wichtig. ich habe auch den Beitrag von KIKA gesehen und finde den Begriff der „Handygarage“ bei jüngeren Kinder zwischen 9- 12 Jahren durchaus sinnvoll. Wir Eltern sollten mit unseren Kids darüber reden und genau das ist das gute an dem Beitrag. Die Kids werden selbst gefragt! Mein Lesetipp: Das Buch Netzgemüse beschreibt ja auch sehr schön, wie so ein Umgang und Gespräche mit jungen Menschen gelingen kann.

    Pros für die Handygarage sind:
    – Abschalten / Abends „runterkommen“
    – Nicht immer per WhatsApp & Co erreichbar sein.
    Fallen euch noch weitere Argumente ein?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.