Die Free Software Foundation Europe (FSFE) berichtet in einer Aussendung davon, dass sich die Stadtverwaltung von Helsinki weigert jene Berechnungsmethoden offenzulegen, mit der die (vermeintlichen) Kosten einer Migration hin zu Freier/Open Source Software angesetzt wurden. Der FSFE zu Folge beharrt die Stadtverwaltung darauf, dass die Berechnungen auf einer geheimen Formel eines Beratungsunternehmens basieren würden. Die FSFE hatte am 10. April eine Anfrage nach dem finnischen Informationsfreiheitsgesetz gestellt, nachdem die überraschend hohen Kostenschätzungen für eine Migration veröffentlicht worden waren.
Die Auseinandersetzung rund um die Migration in Helsinki ist dabei symptomatisch für die Schwierigkeiten, mit denen sich Befürworter eines verstärkten Einsatzes von freier Software in großen Verwaltungskörpern konfrontiert sehen. Der Boom an größeren Umstellungsprojekten in Stadtverwaltung ist schon seit längerem vorbei, auch wenn das deutsche Vorzeige-Migrationsprojekt „LiMux“ in München kürzlich seine Wirtschaftlichkeit vorrechnete („Linux-Umstieg in München zahlt sich aus“). In Berlin wurde der vom Abgeordnetenhaus beschlossene Umstieg bereits 2007 wieder abgeblasen („Rot-Rot in Berlin will nicht mehr Freie Software wagen“), in Wien wurde zwar nach ersten Umstellungen auf „Wienux“ eine Folgestudie erstellt – auch diese ist allerdings bis heute unter Verschluss und das Wienux-Projekt wurde 2009 still und leise beerdigt („Wien verabschiedet sich einmal mehr von Wienux und Openoffice“).
Da es in Österreich kein Informationsfreiheitsgesetz gibt sondern, im Gegenteil, die Amtsverschwiegenheit sogar in der Verfassung verankert ist, kann dort auch nicht so einfach auf Offenlegung der Studie geklagt werden. Beteiligte an der Studienerstellung in Wien haben aber auf Nachfrage erzählt, dass die Studie zwar eine Ersparnis im einstelligen Millionenbereich durch einen verstärkten Linux-Einsatz prognostiziert habe, dieser Betrag aber von den politisch Verantwortlichen als zu gering eingestuft worden sei, um die mit einer Umstellung verbundenen Widerstände und auch nicht-monetären Aufwände in Kauf zu nehmen.
Wie in Helsinki so spielten in all diesen Stadtverwaltungen Kostenschätzungen eine entscheidende Rolle – was die Veröffentlichung der Kalkulationsmethoden umso bedeutsamer macht. Denn im Rahmen der in diesen Kontexten verwendeten „Total Cost of Ownership“ (TCO)-Betrachtungen gibt es enorme Spielräume bei der Auswahl von Parametern und der Anpassung der Berechnungsmethode an den konkreten Anwendungsfall.
Im Netzpolitik-Archiv gibt es zu den (Nicht-)Migrationen in Berlin, München, Wien und Frankfurt ein Podcast-Gespräch von Markus und mir (Netzpolitik068) – damals (2008) noch mit einem etwas optimistischeren Blick auf die Chancen von Linux am Desktop in öffentlichen Verwaltungen. Aber vielleicht gibt es ja im Rahmen von Open Government und Open Data die Chance für neuerliche Anläufe in diesem Bereich.
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