EU-Kommission: Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wird noch weiter verschoben

Letzte Woche kündigte EU-Kommissarin Malmström an, dass die Überarbeitung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie dieses Jahr nicht mehr abgeschlossen wird. Wie wir jetzt erfahren haben, wird es wohl in der laufenden Legislaturperiode nichts mehr. Damit bleibt die alte Richtlinie noch mindestens zwei Jahre gültig – bis zur Europawahl.

Keine Richtlinie in den nächsten Jahren

In der F.A.Z. kündigte die EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström an, dass die Richtlinie über die Vorratsspeicherung jetzt zusammen mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation überarbeitet werden soll. Die schon lange angekündigte Neuauflage verzögert sich damit weiter nach hinten. Wörtlich wurde sie zitiert, das „dauert … bis zum nächsten Jahr.“

Anscheinend war das nicht die ganze Wahrheit. Klar ist, dass das dieses Jahr nichts mehr wird. Aber Malmström meinte wohl auch nicht, dass es nächstes Jahr soweit sein wird, sondern in den nächsten Jahren. Nachdem wir diese Information aus verschiedenen Quellen in Brüssel gehört haben, haben wir jetzt die Bestätigung der Kommission. Derzeit ist nicht geplant, die neue Richtlinie im nächsten Jahr vorzulegen. Das genannte Datum 2013 „ist nicht wahr“, so der für die Überarbeitung der Richtlinie zuständige Mitarbeiter der Kommission gegenüber netzpolitik.org. Derzeit existiere noch nicht einmal ein Zeitplan. Theoretisch könne da zwar 2013 rauskommen, aber leicht auch 2014 oder 2015.

Damit ist recht sicher, dass von der Kommission in dieser Legislaturperiode nichts mehr kommt. Im Juni 2014 ist die nächste Europawahl. Anscheinend will Malmström danach wieder als Liberale zurück nach Schweden und sich nicht vorher noch einmal mit dem Internet anlegen. Das hat sie bereits mit den Netz-Sperren gegen Kinderpornografie erlebt, die ihr prompt den Spitznamen Censilia einbrachten. Mit ACTA haben wir gerade nochmal Zähne gezeigt.

Die EU und die Zukunft der Richtlinie

So viel Respekt schmeichelt, dennoch bleibt damit die alte Richtlinie in Kraft, die durch die Überarbeitung ein bisschen weniger schlecht gemacht werden sollte.

Die angekündigte Überarbeitung der beiden Richtlinien in einem Prozess könnte inhaltlich für uns Vorteile bringen. Bisher war Datenschutz nicht gerade eine Stärke der Vorratsdatenspeicherung. Es könnte aber auch einfach nur die offizielle Ausrede für die weitere Verschleppung sein, und die nächste Kommission behandelt das wieder getrennt.

In dieser Konstellation könnte es sinnvoll sein, unsere Ablehnung gegen jede Art der verdachtsunabhängigen Überwachung durch eine Europäischen Bürgerinitiative deutlich zu machen. Eine gute Gelegenheit, darüber zu beraten und entscheiden könnte das Freedom not Fear Wochenende in Brüssel sein, das vom 14. bis 16. September statt finden wird.

Keine Umsetzung bis zur Überarbeitung oder dem EuGH-Urteil

In der Zwischenzeit wird der Druck auf Deutschland steigen. Auch der deutsche Bundestag wird aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Legislaturperiode kein neues Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie mehr verabschieden. Da Deutschland aber mittlerweile leider der einzige EU-Staat ohne Umsetzungsgesetz ist, wird die EU auf eine Umsetzung pochen. Vor allem falls der Europäische Gerichtshof Deutschland zu Strafzahlungen verurteilt, besteht die Gefahr, dass der neu gewählte Bundestag im nächsten Jahr sehr schnell ein neues Gesetz auf den Weg bringt.

Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass sich die Parteien im kommenden Wahlkampf gegen die Vorratsdatenspeicherung aussprechen. Und ja, hier gucke ich vor allem auf die SPD.

Auch der Europäische Gerichtshof hat Entscheidungsspielraum. Neben der deutschen Nichtumsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob die Vorratsdatenspeicherung überhaupt mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Bis dahin kann er auch mit Strafen warten.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

19 Ergänzungen

      1. man könnte meinen die möchten es halt solange hinauszögern,
        um deutschland noch verklagen + strafzahlungen vom EuGH zuschreiben zu lassen.

    1. Die Vorschläge sind sehr komplex, es muss umfangreich intern konsultiert und abgewogen werden. Übersetzungskapazität in einigen Sprachen ist knapp.

  1. Was wäre denn eine Wahlkampfaussage der SPD schon wert? Die würfeln ihre politischen Positionen doch sowieso nach jeder Wahl neu aus (man denke allein an MwSt oder Zensursula)

    Wenn die SPD an der nächsten Regierung beteiligt sind, gehe ich davon aus, dass sie die VDS auch wieder unterstützen werden. Klar, ein paar Alibinetzpolitiker wird man vorschicken. Mehr erwarte ich aber nicht—völlig egal, was sie im Wahlkampf erzählen.

  2. So lange nach hinten schieben, bis der Druck auf Deutschland so groß ist, dass die Richtlinie umgesetzt wird.
    Danach kann man die Richtline ja abschwächen, die entsprechenden Gesetzte betrifft das dann ja nicht mehr.

  3. Vermutlich die Rache der EU-Kommission für ACTA , dann kommt halt die Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zu Sankt Nimmerlein.
    Zumal diese ja wirklich keiner will, außer bei einer Verschärfung, nur diese „Terroristen Freunde“.

  4. Die drei Damen und die zwei Herren versuchen mit einem letzten großen Schlag sich ein Denkmal für ihre Inkompetenz zu schaffen. Dabei muss man ehrlicherweise sagen, dass sie auch Opfer ihrer viel zu guten bezahlten beruflichen Umstände sind. Jeder andere würde vermutlich hinwerfen und sich nicht noch vormachen er oder sie als Person bewege etwas.

  5. Wann wird es denn voraussichtlich zu einem Urteil, des Europäischen Gerichtshofs, ob die Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist, kommen?

    1. Ehrlich gesagt sieht man beim „Europäischer Gerichtshof “ nicht mehr „Durch“ , für mich ist das einfach zu „Hoch“?

      Einerseits will dieser Europäischer Gerichtshof über die Vereinbarkeit der VDS mit der EU-Grundrechtecharta entscheiden.
      Andererseit Erlaubt er in einen jüngeren Urteil die VDS sogar gegen Filesharing einzusetzen….
      https://netzpolitik.org/2012/europaischer-gerichtshof-erlaubt-vorratsdatenspeicherung-gegen-filesharing/

      Nebenbei Verklagt vor dem gleichen „Europäischen Gerichtshof “ noch die EU-Kommission Deutschland wegen fehlender VDS….

      Ist das wirklich ein „Gerichtshof“ oder ein „Hühnerhaufen“ bei dem der eine Richter nicht weiss was der andere gerade Richtet?
      Das dabei etwas „Vernünftiges“ zu stande kommt glaube ich nicht mehr………..
      Vielleich kann das ja mal jemand mit Ahnung von der Materie „Entwirren“ und Verständlich machen?

  6. Und ja, hier gucke ich vor allem auf die SPD.

    Das war ein Scherz, oder? :-D
    Mit der SPD wäre die VDS schon lange umgesetzt.

  7. Also ich bin der Meinung das gerade diese Richtlinie etwas ist, das wieder einmal ganz übel gegen uns Bürger geht, die wir uns nichts vorzuwerfen haben. Ich meine wo führt das denn hin? ACTA, gut ist mittlerweile abgeschmettert, Voratsdatenspeicherung, Handyanbieter müssen schon nachhalten, die Gesundheitskarte und die lieben Abkommen zur Datenfreigabe für Behörden, mir fällt gerade nicht mehr ein, wie die alle heißen.

    Aber unsere Politik war noch nie in der Lage klare Aussagen zu treffen, und sich dran zu halten, klare Richtlinien einzuhalten, und wichtige Entscheidungen zu treffen, egal ob populär oder nicht.

    Gruß von Frankies Testwelt
    euer Frank The Tank

    1. ACTA ist nicht abgeschmettert, sondern lediglich in CETA gecopypastet worden.

      Dran bleiben, ist noch nicht ausgestanden.

  8. Die SPD? Guter Witz. Denen ist Datenschutz nur in der Opposition wichtig. Wenn die regieren ist das ein Thema mit dem sie vom jeweils kleineren Koalitionspartner genervt werden, in den 70ern von der FDP, zuletzt von den Grünen. Am Ende kommt ein Gesetz raus, das Murks ist. Immerhin mehr Arbeit für Juristen. Vielleicht sollte ich auch auf die SPD setzten ;)

  9. Zur Erläuterung:

    In der F.A.Z. kündigte die EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström an, dass die Richtlinie über die Vorratsspeicherung jetzt zusammen mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation überarbeitet werden soll.“

    Die VDS-Richtlinie ändert nur die Datenschutzrichtlinie. Daher ist der richtige Schritt die Datenschutzrichtlinie wiederum zu ändern. Eine weitere Änderunng an der Datenschutzrichtlinie wurde zuletzt im Zuge des Telekompakets getan. Wie ich damals erzählt habe, hätte man also das Telekompaket zum Ausbügeln der VDS Richtlinie nutzen können.

    Es wird nur irgendein Verfahren gebraucht, dass die Datenschutzrichtlinie öffnet. Im ungünstigsten Fall gibt es ein Recast-Verfahren.

    1. Ein „s“ zu viel, peinlich. Zum Verständnis:

      Richtlinie 2002/58/EC gültig ab 30.07.2002 Deadline für Mitgliedstaaten 31.10.2003 veröffentlicht OJ L 201 of 31.07.2002
      Das ist die Datenschutzrichtlinie!

      Diese Richtlinie ist durch zwei andere Richtlinien abgeändert:

      * Directive 2006/24/EC vom 3.5.2006, umzusetzen bis 15.9.2007, veröffentlicht als OJ L 105 of 13.04.2006 („VDS-Richtlinie“)
      und
      * Directive 2009/136/EC vom 19.12.2009, umzusetzen bis 25.5.2011, veröffentlicht OJ L 337 of 18.12.2009 („Neufassung im Rahmen Telekompaket“)

      Sprich, die Leute, die sich so kenntnisreich über die VDS-Richtlinie echauffieren, haben bereits eine Reform verschlafen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.