Wie die New York Times gestern berichtete scheint die amerikanische Regulierungsbehörde FCC kurz davor zu stehen die rechtliche Basis für eine echte Absicherung von Netzneutralität vorzuschlagen. Laut mehreren Quellen der Times überlegt die FCC Breitband-Internet endlich unter Titel 2 als „common carrier“ zu deklarieren. Das ist eine langjährige Forderung von Befürwortern der Netzneutralität, da damit der Charakter von Internet als fundamentale Vorraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe anerkannt wird und die rechtlichen Vorbedingungen für ein neues Netzneutralitäts-Gesetz in den USA geschaffen werden. Die alten Open Internet Rules wurden ja vom DC Circuit Court im Januar 2014 mit der Begründung aufgehoben, dass die FCC nur unter Titel 2 die Kompetenz hat Internet-Providern Regeln zur Netzneutralität vorzuschreiben.
Der FCC Vorsitzende Tom Wheeler folgt damit der Empfehlung von Präsident Obama sich für möglichst starke Regeln zur Absicherung von Netzneutralität einzusetzen. Natürlich wird es jetzt die zu erwartende Gegenreaktion der Republikaner geben, welche allein aus Prinzip gegen den Präsidenten und eine Ausweitung staatlicher Befugnisse sind. Bemerkenswert ist in der amerikanischen Debatte jedoch wie auch Republikaner von ihrer eigenen Basis Kritik für ein Abrücken von einem freien Internet bekommen. Dieser Faktor gemeinsam mit den vier Millionen Kommentaren im Konsultationsverfahren der FCC zu ihren vorherigem Regelvorschlag, sowie die gestiegene Medienöffentlichkeit für das Thema an sich, geben Hoffnung für eine ernsthafte Lösung in den USA.
Zuletzt ist es immer noch die autonome Entscheidung der FCC welche Regeln sie beschließt. Aber wenn Tom Wheeler schon in der entscheidenden Frage der Rechtsgrundlage dem Präsidenten folgt, welcher ihn nominiert hat, könnten wir auch in den anderen Punkten einen Fortschritt sehen. Ob damit neben technischer Diskriminierung im Netz auch ökonomische Diskriminierungen, in Form von Zero-Rating, Spotify-Tarifen & Co, unterbunden werden, bleibt abzuwarten. Es wäre nur an der Zeit nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, Slovenien und Canada haben es vor kurzem erst vor gemacht und ökonomischer Diskriminierung im Netz verboten.
Was tun unsere Regierungen?
Die amerikanische Debatte wird in jedem Fall auch Auswirkungen auf die Diskussionen in Europa haben. Zwischen den 28 Mitgliedsländern wird ja seit September 2013 der Vorschlag zur Netzneutralitätsverordnung diskutiert. Nach dem komplett einseitigen deutschen Vorschlag, hat nun auch letzte Woche die neue lettischen Ratspräsidentschaft einen „Kompromisstext“ vorgelegt, welcher komplett in die falsche Richtung geht. Da wirkt es angesichts der Lobbygetriebenen Aussagen von Günther Oettinger fast schon wie eine Entschuldigung, wenn sein Vorgesetzter Kommissar Andrus Ansip einen Gastkommentar von Tim Berners-Lee mit flammenden Plädoyer für Netzneutralität veröffentlicht.
Die Themen unter den Konservativen in Europa sind immer noch die Kosten des Netzausbaus und eine leistungsschutzrecht-inspirierte Neiddebatte gegen Google. In den USA hingegen wurde längst die gesellschaftliche und wirtschaftliche Dimension von Netzneutralität erkannt. Es geht bei Netzneutralität nicht um kurzfristiges Kleingeld für die großen Provider, sondern um grundlegende gesellschaftliche Teilhabe, besonders für einkommensschwache Schichten, und um die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Digitalwirtschaft. Die Amerikaner haben das erkannt.
Oder die Pro-Netzneutralitätsseite hat mehr Geld und Lobbyeinfluss:
http://usdailyreview.com/shocking-figures-on-technology-and-lobbying/
https://www.youtube.com/watch?v=wxB8r8ls_xE
… kann mich meinem Vorredner nur anschließen: Die Netzneutralität nützt den Inhalteanbietern, und deren Industriecharakter ist in den USA einfach stärker. Das Lobbying folgt dann.
This Is How We Will Ensure Net Neutrality | WIRED FCC Chairman Tom Wheeler
http://www.wired.com/2015/02/fcc-chairman-wheeler-net-neutrality/