John Oliver erklärte neulich auf großartigste Weise, um was es bei der Netzneutralität eigentlich geht und warum sie gerade in den USA in Gefahr ist. Oliver rief die Zuschauer seiner HBO-Show dazu auf, der US-Aufsichtsbehörde FCC Kommentare zur Rettung der Netzneutralität zu senden und zwang damit den FCC-Server für kurze Zeit in die Knie.
Der Hintergrund: Am 15. Mai startete die Behörde eine öffentliche Konsultation, denn sie muss nun als Reaktion auf eine Gerichtsentscheidung im Fall Verizon vs FCC zwei der drei Regeln für Netzbetreiber über Bord werfenarbeiten. Das Gericht erklärte im Januar 2014 die Transparenzregel für Netzbetreiber weiterhin als rechtmäßig, die beiden anderen Regeln (Blockieren von legalen Inhalten und „unangemesse“ Diskriminierung von Datenpaketen) jedoch für nichtig. Jetzt will die FCC neue Regeln verabschieden – allerdings sieht es mit dem neuen FCC-Vorsitzenden Tom Wheeler (ehemaliger Lobbyist für die Kabelnetz- und Mobilfunkindustrie) eher schlecht aus für die Netzneutralität.
Aber die öffentliche Meinung scheint nicht auf der Seite der Netzbetreiber zu sein. Angesichts der immer breiter werdenden Stimmung gegen die Abschaffung der Netzneutralität werden die Netzbetreiber jetzt sogar ein wenig nervös. Das US-Magazin VICE berichtet, dass einige Firmen zu einem neuen Mittel greifen: dem Astroturfing. Politische Bewegungen, die von unten aus dem Netz kommen (sogenannte Grassroots-Movements), haben – vor allem seit SOPA, PIPA und ACTA – großes Gewicht. Daher gibt es Unternehmen, die sich das Aussehen einer solchen Grassroots-Bewegung erkaufen. Für solche künstlich geschaffenen Bewegungen hat sich der Name eines bekannten Kunstrasens durchgesetzt: Astroturf. Diese ziemlich intransparente Art Lobbying zu betreiben setzt sich leider auch immer stärker in Europa durch, wie es zum Beispiel bei den Diskussionen um die Datenschutzreform der Fall war (pdf).
Die Gegenangriffe der Netzbetreiber in Sachen Netzneutralität sind nun auch in den USA alles andere als transparent. Sie versuchen über diverse Kanäle gegen die Neueinstufung als „common carrier“ („öffentlichen Verkehrsträger“) anzukämpfen, argumentieren mit dem angeblich „chronischen Investitionsmangel“ in Breitbanddienste und drohen mit Verlusten von Arbeitsplätzen.
Die Verbraucherschutzorganisation American Consumer Institute (ACI) macht ordentlich Stimmung gegen die Netzneutralitätsbefürworter. Diese Organisation erklärte das Gerichtsurteil zu einem Sieg für Verbraucher. In ihrer Antwort auf die Konsultation bat sie die FCC (pdf), die Anbieter doch bitte in Ruhe Dienste diskriminieren zu lassen, denn: „The fact is that the broadband market is competitive and becoming more so“.
Warum aber sollte eine Verbraucherschutzorganisation für die Einrichtung eines Mehr-Klassen-Netzes argumentieren? Die Antwort ist einfach: Hinter dieser Organisation stecken die Netzbetreiber. Ein Blick in die Einnahmen (pdf) zeigt, dass die Netzanbieter-Stiftung MyWireless.org das American Consumer Institute seit 2010 finanziert. Auch der Think Tank „Heartland Institute“ meldete sich in der letzten Zeit für das Recht der Netzbetreiber aus, bestimmte Dienste vorrangig zu behandeln – und siehe da, dieses Institut wird ebenfalls von Betreibern wie Comcast, AT&T und Time Warner Cable kräftig unterstützt.
Aber auch Bürgerrechtler und „echte“ Verbraucherschützer machen in den Vereinigten Staaten mobil und versuchen, dem Druck der Unternehmen standzuhalten. Organisationen wie Free Press und Electronic Frontier Foundation koordinieren Antworten an die FCC – bisher sind dort über 72.000 Kommentare eingegangen.
PS: Eure Kommentare zum offenen Internet und dem Erhalt der Netzneutralität könnt ihr bei der FCC hier einreichen oder per Email einsenden.
Ich glaub, ich hab‘ schon mal geschrieben: Die Festsetzung einer generellen Netzneutralität ist gleichzusetzen mit einer Festschreibung des Geschäftsmodels für Anbieter von Internetzugängen (herkömlicher Art).
Glaubt‘ ihr ernsthaft, das die dem einfach zustimmen?
Es geht um die Frage, wem erlaubt wird mit Kommunikation Geld zu verdienen.