Sir Iain Lobban, Ex-GCHQ-Chef, ist im April 2013 bei der NSA betteln gegangen, um Blankozugriff auf deren Datenbestände zu bekommen. Das geht aus neu veröffentlichten Dokumenten hervor, die Edward Snowden geleakt hat und nun von The Intercept veröffentlicht wurden..
Wieso solch eine Bitte, mag man sich anhand der Meldungen des vergangenen Jahres fragen, die bereits seit den ersten Enthüllungen um PRISM eine intensive Zusammenarbeit von NSA und GCHQ mit bereitwilligem Datentausch demonstrierten? Der Unterschied liegt in der Zugriffsschwelle. Üblicherweise mussten die Daten explizit freigegeben oder geteilt werden, zumindest aber wurde der Zugriff von der NSA beobachtet. Was Lobban wollte, war uneingeschränkter und vor allem unkontrollierter Zugang. Ein Briefing für Ex-NSA-Direktor General Keith Alexander, der sich mit Lobban zuerst zu einem Dinner und dann unter vier Augen treffen sollte, gab ihm folgende Informationen an die Hand:
Unüberwachter Zugriff zu Daten, die unter dem FISA Amendent Act Abschnitt 702 [regelt den Zugriff auf Daten von „Nicht-US-Personen“ und bildet die vermeintliche rechtliche Grundlage für Spähprogramme wie PRISM] ermittelt wurden, so wie damals bei Olympia [2012 in London], stehen weiterhin auf der Wunschliste von GCHQ.
Ob der Bitte stattgegeben wurde, geht nicht aus den Unterlagen hervor. Wohl aber, dass die NSA nicht abgeneigt war. Das passt zum Verhalten in anderen Fällen der Unterstützung durch den großen amerikanischen Bruder – wie in den jüngsten Enthüllungen zur großzügigen Zusammenarbeit mit dem norwegischen Geheimdienst NIS.
Olympia 2012 war ein erster Vorstoß in die grenzenlose Kooperation der beiden Geheimdienste. Das geht ebenfalls aus neu veröffentlichten Dokumenten hervor. Unter dem Namen „Olympic Option“ wurde 100 geschulten GCHQ-Mitarbeitern unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Vollzugriff auf Daten von PRISM gegeben. Aktiv waren dabei 256 Selektoren, die durch automatische Schlüsselwortfilterung relevante Daten auffinden sollten, was zu über 11.000 Mitschnitten von Kommunikationsinhalten innerhalb von sechs Tagen führte, die dann manuell ausgewertet werden mussten.
Außerdem habe es weiteren Datenaustausch über das GHOSTMACHINE-System gegeben. Die Existenz von GHOSTMACHINE ist bereits letzten Dezember durch einen Bericht der Washington Post bekannt geworden. Es dient der Analyse von Metadaten, deren Massen – „Hunderte Milliarden an Einträgen“ man sonst nicht mehr Herr werden könnte. NSA-Analysten schienen überfordert mit zu vielen Treffern, die eine einfache Filterung nach potentiell interessanten Personen ergebe.
In der Präsentation zu „Triage“, das bei den Olympischen Spielen eingesetzt werden sollte, zeigt sich, dass durch diese erste Selektionsstufe grob geschätzt 75% aller Ziele zur Kategorie „Possible Interest“ gehören, nur 20% würden sofort ausgesondert. Folgend werden zukünftige Erweiterungen des Systems vorgestellt und wie man eine bessere Aufgliederung erreichen könne, sodass am Ende nur noch 5% der Ziele als „Definite Interest“ und 15% als „High Interest“ erkannt werden – was den Analysten Unmengen manueller Arbeit ersparen würde.
Genutzt wird dafür eine Reihe von Kriterien wie einer Verhaltensanalyse, dem Kommunikationsverhalten, dem Kontakt zu bekannten Zielen, ist die Person Ausländer und vielen mehr. GCHQ habe sich laut Alexanders Gesprächsnotiz übrigens im Vorfeld des Treffens im April nicht mehr so begeistert gegenüber der Fortentwicklung von „Triage“ gezeigt. Laut NSA mutmaßlich deshalb, weil es Schwierigkeiten bei der rechtlichen Autorisierung gab. Überhaupt hat man mit der bösen Aufsicht zu kämpfen…
GCHQ und seine Tochtergeheimdienste sind durch die zunehmende kritische Beobachtung und Aufsicht über ihre Aktivitäten und Operationen durch ihre Regierung (und die Öffentlichkeit) vor eine Herausforderung gestellt.
Man könnte jetzt wohl wieder damit argumentieren, dass sich die Widerrechtlichkeit solcher Praktiken endlich zwingend zeigt und nun mehr in Richtung Transparenz geschehen muss, dass die Regierungen nun nicht mehr einfach die Augen verschließen können, etc. Aber um ehrlich zu sein dürfte nicht viel zu erwarten sein, denn letztlich gab es bereits mehr als genügend Beweise für die bedingungslose Ignoranz der Geheimdienste gegenüber geltenden Gesetzen und Menschenrechten. Daher sparen wir uns das an dieser Stelle.
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