Flexibilisieren die Niederlande ihr Urheberrecht?

Bereits im November letzten Jahres haben sich die niederländischen Urheberrechtsexperten Bernt Hugenholtz (IViR) und Martin Senftleben (VU Amsterdam) in einer Studie („Fair Use in Europe. In Search of Flexibilities“) mit den Möglichkeiten auseinandergesetzt, auf nationaler Ebene und im Einklang mit dem bestehenden EU-Recht das Urheberrecht soweit zu flexibilisieren, dass eine Funktionalität ähnlich dem Fair-Use-Prinzip im US-Copyright erreicht wird (via). Ihr Fazit: eine Änderung auf europäischer Ebene wäre zwar wünschenswert, aber auch auf nationalstaatlicher Ebene gibt es noch viele unausgeschöpfte Möglichkeiten. So ließe sich über die die Ausdehnung von bestehenden Ausnahmen („Schranken“) die Flexibilität des Urheberrechts zu erhöhen, um eine bessere Kompatibilität mit digitalen Nutzungspraktiken herzustellen. In der Executive Summary heißt es dazu (meine Übersetzung):

„Der EU-Urheberrechtskorpus lässt viel mehr Raum für Flexibilität als die abgeschlossene Liste an zulässigen Beschränkungen und Ausnahmen nahelegen würde.“

Mittlerweile meldet derStandard.at unter Berufung auf Radio Netherlands Worldwide (RNW), dass es von Seiten der niederländischen Regierung ein Bekenntnis zu einer Urheberrechtsreform in Richtung der von Hugenholtz und Senftleben skizzierten Vorschläge gibt. So zitiert RNW den niederländischen Justizstaatssekretär Fred Teeven, dass er derzeit

„ein flexibleres System von Urheberrechtsschranken, das auch im europäischen Kontext funktionieren würde,“

prüfen lässt (meine Übersetzung).

Sollten die Niederlande tatsächlich eine Flexibilisierung des Urheberrechts durch eine Ausdehnung von Ausnahme- und Schrankenregelungen in Angriff nehmen, hätte das mit Sicherheit auch Folgen für entsprechende Diskussionen  auf europäischer Ebene und in Deutschland. Auf europäischer Ebene würde so die angestrebte Harmonisierung urheberrechtlicher Regelungen, die ja nicht zuletzt auch mittels ACTA vorangetrieben werden soll, nicht mehr automatisch zu einer Verschärfung bestehender Bestimmungen führen. In Deutschland aber würde es den wiederkehrenden Verweis auf die Ohnmacht des deutschen Gesetzgebers in Urheberrechtsfragen zumindest teilweise entkräften.

4 Ergänzungen

  1. Einer muss immer den ersten Schritt machen. Wenn es ein EU-Land macht, werden andere folgen – mit Sicherheit!

  2. Wir rühmen uns doch gerne unserer Innovationskraft. Wäre es nicht schön, wenn wir bei allen wesentlichen rechtlichen Innovationen nicht immer nur hinterherlaufen, sondern für offensichtlich richtige und wichtige Projekte selber mal die Führungsrolle übernehmen würden? Ein substanzieller Vorschlag für ein neues europäisches Urheberrecht aus Deutschland wäre doch mal eine gute Sache. Selbst wenn das heißen würde, Partikularinteressen hintan zu stellen.
    Zugegeben, manche Politiker würden dann auf weniger Lobbyistenpartys eingeladen als vorher. Aber wir haben sie ja auch nicht gewählt, um ihre kostenlose Alimentierung sicherzustellen.

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