Die Financial Times Deutschland kommentiert die heutige fünfte Niederlage für ACTA, diesmal im Handelsausschuss im EU-Parlament, in einem Leitartikel: Peinlich für Brüssel.
Das ist das Ergebnis einer beispiellosen Internetkampagne. Netzaktivisten und Verbände machten monatelang Stimmung gegen eine Vereinbarung, die den Schutz gegen Markenpiraterie und Urheberrechtsverstöße vereinheitlichen sollte. Einige der Kritikpunkte waren zwar durchaus stichhaltig und diskussionswürdig. [….] Acta sollte gezeigt haben, dass strittige Abkommen am Unwillen von Bürgern und Parlament scheitern – wenn diese daran nicht gebührend beteiligt und umfassend informiert werden.
Abgesehen von dem Artikel: Peinlich ist das vor allem für die EU-Kommission und ihre größtmögliche Intransparenz, sowie für die Gruppe der immer kleiner werdenden ACTA-Befürworter im EU-Parlament. Während das EU-Parlament als Ganzes, unsere Grundrechte und vor allem eine neu entstandende transnationale europäische Öffentlichkeit am Ende als Gewinner dastehen könnten. Wenn denn das EU-Parlament am 4. Juli endgültig im Finale ACTA beerdigt.
Wenn oder Falls?
Naja, ob das ‚peinlich‘ ist wird sich erst noch zeigen. Das Ding mit dem Namen ‚ACTA‘ wird, pun intended, ad acta gelegt, aber in ein paar Monaten wird eine aehnliche Initiative mit anderem Namen auferstehen und dann muss sich zeigen, ob es wieder Proteste gegen ein abgespecktes ACTA geben wird, wenn es nur noch ‚Verordnung 27.2013/2‘ oder so heisst. Die EUI hat aus ACTA gelernt und wird eben geschickter bei den Grundrechtseinschraenkungen vorgehen. Aber gut zu wissen, dass Netzpolitik auf jeden Fall dran beliben wird…
Unverschämt finde ich diesen Zeitungsbeitrag: „Einige der Kritikpunkte waren zwar durchaus stichhaltig und diskussionswürdig.“ unterstellt, dass die Kritik der Vertreter an diesem revolutionären Abkommen unberechtigt ist.
Richtig ist zwar: „Viele Gegner aber missinterpretierten Acta als den Versuch, Datenaustausch zu kriminalisieren und Bürgerrechte auszuhöhlen – und dabei erhoben sie manche Vorwürfe gegen das Vertragswerk, die gar nicht stimmten.“, aber das ist aber auf einer anderen Ebene, unter der die ganz morschen Stümpfe stecken.
Man kann keine Oberflächlichkeit kritisieren, wenn man selbst oberflächlich ist und nicht in die Details steigt.
Die Kommission „vertat die Chance, rechtzeitig Vorurteile zu entkräften. Statt umfänglich zu informieren, lehnte sie jede Kritik pauschal ab.“
Das stimmt nicht. Die Kommission antwortete brav auf alles. Aber es waren eben keine „Vorurteile“ wie der Artikel suggeriert. Sondern allenfalls oberflächliche Angriffe auf einen handfesten Skandal.
„Und schließlich erklärte sie gar, ein Nein im EU-Parlament sei auch nicht schlimm, dann werde Acta eben nach der EuGH-Überprüfung erneut den Abgeordneten vorgelegt.“
Was gar nicht möglich ist aber die Arroganz zeigt. Der EuGH wird voraussichtlich den Fall nicht mehr akzeptieren, wenn der Prozess vom Parlament beendet ist.
“ Vor allem die EU steht als internationaler Verhandlungspartner angeschlagen da. “
Der Schwanz wedelt nicht mit dem Hund. Der Artikel 207 Prozess ist als Schlupfloch beschädigt, was gut für die europäische Demokratie ist. Die EU wurde gestärkt gegenüber einem demokratiefeindlichen Forum Shopping der Handelsadministrationen, und das Parlament hat endlich eine Aushebelung seiner Prärogative abgewendet.
Die EU Kommission versucht, das war auch schon zu Zeiten Verheugens TEC Prozess so, sich durch Erfüllungspolitik als transatlantischer Verhandlungspartner zu positionieren und verbrüdert sich gegen die europäischen Interessen von Rat und Parlament, als sei es ihre Aufgabe das Diktum von Kissinger über die einzige Telefonnummer zu erfüllen und den Single Access Hub für fremde Mächte zu schaffen. Sehr schön die Aufstellung von EDRI:
http://www.edri.org/ACTAfailures