Brüderle vergleicht Wikileaks mit Stasi (oder war es die USA?)

Der nationale IT-Gipfel ist vorbei und Ihr habt überhaupt nichts verpasst. Bis auf eine Sache, die ich erstmal live verpasst habe, die aber bereits gut dokumentiert ist. In seiner Begrüssungsrede hat unser Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auch Wikileaks die USA bedacht, mit einem mehr als unpassenden Vergleich:

Brüderle kritisierte in dem Zusammenhang Wikileaks scharf. Das Vorgehen der Enthüllungsplattform bereite ihm Unbehagen, sagte er. „Manches, was ich Wikileaks da entnehme, erinnert mich an die Sammelwut, die früher Institutionen im Osten hatten, die Stasi dabei.“

Lieber Herr Brüderle, vielleicht sollten Sie sich das nochmal erklären lassen, aber nicht Wikileaks hat diese Daten gesammelt und erhoben, sie wurden der PLattform lediglich zugespielt und man hat sie dann veröffentlicht. Das ist ein kleiner und feiner Unterschied gegenüber totalitären Organisationen wie der Stasi.

Gibts eigentlich das Redemanuscript von Brüderle irgendwo online? Finde leider nichts.

Update: Es gibt etwas Unklarheit, ob Brüderle nun Wikileaks oder die USA mit der Stasi verglichen hat. Vielleicht liegt es an den Formulierungen des Artikels der Süddeutsche Zeitung. (Daher fragte ich ja nach dem Transcript als Originalquelle). Auf die Idee mit den USA bin ich ehrlich gesagt gar nicht gekommen. Wenn das stimmt, reicht das rhetorisch immer noch fast an Herta Däubler-Gmelin heran, die als Justizministerin vor einigen Jahren George W. Bush mit Hitler verglichen hatte und dann Bundesjustizministerin war. Aber die FDP hat ja noch was gut nach den Depeschen.

Nochmal Update: Nachdem am Dienstag die mehrheitliche Meinung war, Brüderle hätte die USA gemeint und Brüderle laut FAZ in der anschließenden Pressekonferenz nach der Rede auf die Sammelwut verwies, ist am Mittwoch beim Bildblog ein Statement seines Pressesprechers zu lesen. Und da sind wir wieder bei Wikileaks meets Stasi-Vergleich angelangt:

Aber wer ist denn nun wirklich gemeint? BILDblog hat beim Wirtschaftsministerium nachgefragt und von Pressesprecherin Beatrix Brodkorb die Bestätigung erhalten: Brüderle habe tatsächlich nicht die US-Botschafter mit der Stasi vergleichen wollen, sondern den Überbringer der Nachricht, Wikileaks. Der Wirtschaftsminister sei unter anderem wegen der Ankündigung weiterer Veröffentlichungen zu den Geschäftspraktiken amerikanischer Großbanken in Sorge.

Alle Unklarheiten beseitigt? Dann empören Sie sich jetzt!

54 Ergänzungen

    1. @Jo: Er wird sicherlich Sprechzettel gehabt haben und es ist nicht unüblich, dass eine Minsiterrede bei einem nationalen Event im Anschluß transcribiert und auf der Ministeriumsseite online gestellt wird.

  1. Danke liebe FDP,
    fast hätte man eure Inkompetenz über der ganzen Kritik an Grünen/SPD/Linken vergessen (schliesslich erwartet man von euch Umfallern z.B. schon lange nichts mehr).

    Egal was man von den Parteien hält, aber anscheinend schaffen es nur PIRATEN und CDU eine konsequente und klare Linie zu fahren – wenn auch eben komplett gegensätzliche.

    Lama

  2. Totalitäre Vergleiche sind immer ungut. Ob nur DDR oder Hitler oder andere Diktatoren. Dies vorweg, dann kann er eigentlich er nur die USA mit der Stasi verglichen haben. Denn die haben die Berichte geschrieben, Wikileaks wäre dann – bleibt man konsequent bei dem schrägen Bild – die Gauck-/Birthler-Behörde, nur ohne die Schwärzungen.

    Also, wie man es dreht und wendet: Höchst unglücklicher Vergleich.

  3. Ehrlich gesagt lese ich daraus keinen direkten Vergleich mit der Stasi – er vergleicht die Datensammelwut, nicht die Veröffentlichung (in diesem Statement) mit der Stasi und damit dürfte er dann eher das Kommunikationssystem der Amerikaner meinen.

  4. Herr Brüderle, Sommerloch ist schon vorbei. Sieht man auch am Wetter.

    Davon mal abgesehen, dass ich solche Vergleiche als „stumpf“ und „unter der Gürtellinie“ betrachte.

    Herr Brüderle, was kommt als nächstes? Nazi Vergleiche?

  5. Hohohohoho, und das von einer Partei, die Zensus 2011 nicht aufhalten, oder ELENA, oder das SWIFT-Abkommen, oder den ePerso, die eGesunndheitskarte, INDECT…

    ganz zu schweigen, wie diese Äußerung demokratisch und historisch zu werten ist…

    Und solche Leute veranstalten einen IT-Gipfel… als wenn man eine geladene Waffe ins Affen-Gehege tut…

  6. Das ist genau das Gesülze was einem mittlerweile schon aus den Ohren quillt. Der denkt immer noch er könnte durch solche Äusserungen die Meinung anderer manipulieren. Ekelhaft. Ändern kann man den ja leider nicht mehr. Zu alt!

  7. Ich habe das vorhin nebenbei im Radio gehört und hatte eher den Eindruck, dass sich die Kritik von Brüderle auf die USA (und deren Sammelwut) bezieht.

  8. Brüderle korrigiert sich lt. FAZ selbst:

    „Mit einem nach eigenen Worten „vielleicht etwas überpointierten Vergleich“ hat Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einen Bogen von den Wikileaks-Enthüllungen zum ehemaligen Staatssicherheitsdienst (Stasi) der DDR gespannt. Auf dem IT-Gipfel in Dresden sagte Brüderle am Dienstag: „Manches was ich bei
    Wikileaks entnehme, erinnert mich an die Sammelwut, die früher Institutionen im Osten hatten – die Stasi dabei“. Auf einer späteren Pressekonferenz räumte er ein, dass der Vergleich hinke.“

    http://www.faz.net/-01l59q

  9. @Lama
    Klare Linie bei den Piraten?
    Also bitte! Die haben doch noch keine Verantwortung. Warte doch erstmal ab, bis sie mal in ein Parlament kommen, wenn überhaupt. Und erst wenn sie in Regierungsverantwortung kommen, dann kannst du etwas von klarer Linie fabulieren. Aber doch nicht jetzt, wo die Piraten bundesweit noch bei 2% rumdümpeln.

  10. Manches, was ich Wikileaks da entnehme, erinnert mich an die Sammelwut, die früher Institutionen im Osten hatten, die Stasi dabei.

    Das Zitat ist – abgesehen davon, dass es von seinem ihn umgebenden, mutmaßlichen Kontext sehr isoliert worden zu sein scheint – eindeutig kein Vergleich zwischen WikiLeaks und der Stasi. Weder grammatikalisch, noch inhaltlich. Brüderle vergleicht schlichtweg die Sammelwut des U.S.-amerikanischen Außenministeriums mit der des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Das mag in anderer Hinsicht skandalös sein, aber jedenfalls nicht in dem durch die Überschrift konstruierten Zusammenhang.

    Wie kommt die Süddeutsche zu dieser reißerischen Überschrift?

  11. Ich finde den Vergleich sehr treffend.
    a) wikileaks wird auch autoritär geführt, wer assange nicht passt fliegt raus
    b) es werden daten gesammelt, die Menschen schaden
    C) auch die Stasi hatte freie Mitarbeiter

    Natürlich ist der Vergleich nicht 100% aber darum geht es auch gar nicht. Brüderle bringt nur zum Ausdruck, daß die Veröffenlichungen besorgniseregend sind.

    Die Repressalien gegen Wikileaks jedoch auch.

  12. Schön, dass auch die FDP (die sich nebenbei „freie Partei“ nennt) eine Meinung verkündet. Aber was will man auch von einer Partei erwarten, bei der Lügen vor der Wahl System hat? Mal schauen, was bei Wikileaks über die FDP noch interessantes zu lesen ist.

  13. Richtig verstanden hat übrigens auch Spiegel Online den Satz:

    Mit einem Nebensatz, in dem er möglicherweise versehentlich die USA mit der Stasi verglich, sorgte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für Irritationen. …

    Der Fall erinnert damit stark an den Vergleich Bush-Hitler von Hertha Däubler-Gmelin, der sie im Oktober 2002 ihr Amt als Justizministerin kostete.

  14. „Manches, was ich Wikileaks da entnehme, erinnert mich an die Sammelwut, die früher Institutionen im Osten hatten, die Stasi dabei.“

    Markus, da war mal wieder Wunsch Vater des Gedanken, oder? Ich bin ja nun auch kein Fan von Brüderle, aber er bezieht sich doch bei der Sammelwut eindeutig auf die Inhalte – nicht auf Wikileaks. Diese Dossiers über bestimmte Politiker legen die Assoziation doch auch nahe. Und dass der Vergleich hinkt, hat er ja nun auch eingeräumt.

    Hauptsache Politiker-Bashing.

  15. PS: Und das Schlimme ist, dass Deine ganzen treuen Fans Dir unkritisch nachplappern – weil es ja so schön in die Fefe-Welt passt.

  16. Durch die bekannten Leaks werden bestimmt viele Leute den Wikileaks Menschen Material zuschieben. J.P.Morgan macht sich Sorgen…

  17. Advent, Advent, nur ein Prozent … Dann Zwei, dann drei und dann bei vier, steht das Christkind vor der Tür.
    (Frei nach WDR2 – die von der Leyens).

    Ob’s als Geschenk ein weiteres Prozent bringt ? Ich weiss ja nicht.

    Über WikiLeaks kann und sollte man bitte Kontrovers Diskutieren, sonst bringt das die brete Masse der Gesellschaft nicht zu einer Lösung. Aber wer DDR Unrecht so „verharmlost“ und mit dem meist belanglosen Zeug auf den bissher veröffentlichten Cables vergleicht, gehört echt nicht als Bürgerrechtspartei in’s Parlament !

    Sorry !

  18. Markus, Ihr solltet die Überschrift wirklich ändern. Das Zitat kann man – wenn es so richtig wiedergegeben ist – beim besten Willen nicht als Vergleich von WikiLeaks mit der Stasi verstehen. Und man muss wirklich kein Brüderle-Freund sein, um solche Überschriften dann in der Konsequenz als reißerisch zu empfinden.

  19. Finde es ja lustig, dass ausgerechnet hier Stasi-Vergleiche als „unpassend“ gebrandmarkt werden. Ist es nicht unter anderem dieses Blog, das Wolfgang Schäuble seit Jahren unter „Stasi 2.0“ abstempelt?

    1. @Pascal: Nun, meinst Du nicht, dass es einen Unterschied macht, ob diese Art Vergleich von einer Privatperson bzw. eine Minister, der die Bundesrepublik Deutschland vertritt, kommt?

  20. Das ist ja echt amüsant was hier so in den Kommentaren steht: Die einen sagen Brüderle sei doof weil er Wikileaks mit der Stasi vergleicht. Andere sagen er sei doof weil er die Amis mit der Stasi vergleicht.
    Liebe FDP/Marktwirtschafts-Hasser Ihr solltet Euch schon für eine Variante entscheiden, sonst wirkt Eure Empörung nur begrenzt glaubwürdig.

  21. Von den US-Pundits lernen

    http://mediamatters.org/mmtv/201012030016
    „National socialism … is what the progressives here in America believe in“

    http://mediamatters.org/mmtv/201012070014
    America would be „doomed to a Marxist hell“ without Fox News

    http://mediamatters.org/mmtv/201012070019
    Communists and anarchists „are going to collapse the whole damn world“

    Hinterher kannst du dann sagen, ich hab’s Euch doch schon immer gesagt.

    In anderen Nachrichten schlägt der frührere EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein orthodoxen Juden vor die Niederlande gen USA und Israel zu verlassen

    Also, der Brüderle ist da noch harmlos und vor allem, nicht schreien, nicht Krawall machen, sonst schreibt der noch ein Buch und zieht mit dem durch die Landen: „Die Wahrheit über UStAsi“. Wer seine Grenzen in Sachen Antiamerikanismus austesten will, dem sei das Buch „Der Moloch“ vom bekannten deutschen Polemiker Karlheinz Deschner empfohlen.

    Lass mal lieber gegen Strommasten protestieren oder gegen das schlechte Fernsehprogramm. Der Brüderle ist doch ganz knuffig und der Murphy klebt ja auch an seinem Amt.

  22. tjaja „truth is stranger than fiction“.

    der einzige sog. fachkräftemangel, den ich beobachten kann, ist dauerhaft in der deutschen politik („unsere volksvertreter“. mir ist übel)

  23. Apropos Stasi. Ich habe gerade mal einen zufällig ausgewählten Mirror ausprobiert. Die Wahl fiel auf wikileaks.psytek.net (zu finden unter den mittlerweile 748 Mirrors erreicht über wikileaks.de). Zu meiner Verwunderung öffnete sich jedoch http://www.cia.gov. Das ist kein Scherz und auch keine Verschwörungstheorie…

  24. Brüderle ist in der anschließenden Pressekonferenz mehrfach nach diesem Satz gefragt worden und antwortete: „Ich habe keinen Vergleich der USA mit der Diktatur der DDR gezogen, ich habe mich auf die Datensammelungen bezogen. Das Sammeln von Informationen löst Unbehagen aus, vor dem Hintergrund unserer historischen Erfahrungen in Deutschland.“

    Skurril war, dass ich in der PK nur gesessen habe, weil die FAZ ein Stück über Assange geordert hatte, dass ich irgendwo schreiben musste. –Detlef

  25. es gab nach der Rede von Brüderle noch eine Pressekonferenz. Da sagte der Minister auf die Frage, ob er Wikileaks oder die Urheber der Dokumente gemeint habe: „Also um das ganz klar zu stellen, es handelt sich um Sammeln von Informationen, und es ist immer ein Unterschied, ob das bei einer demokratisch kontrollierten, gewählten Regierung geschieht oder bei einer Diktatur. Insofern ist das in dem Punkt nicht vergleichbar, aber bei mir löst das Unbehagen aus, wenn man so viel sammelt dabei. Das wollte ich damit ausdrücken. Vielleicht ist der Vergleich etwas überpointiert und kann, wenn man ihn nicht richtig wertet, missverstanden werden.“

  26. @Yesman:

    „Apropos Stasi. Ich habe gerade mal einen zufällig ausgewählten Mirror ausprobiert. Die Wahl fiel auf wikileaks.psytek.net (zu finden unter den mittlerweile 748 Mirrors erreicht über wikileaks.de). Zu meiner Verwunderung öffnete sich jedoch http://www.cia.gov. Das ist kein Scherz und auch keine Verschwörungstheorie…“

    Laut Whois ist psytek.net auf einen Australier registriert.
    -> jeder kann seine Domain wo auch immer hin weiterleiten. Das geht denkbar einfach, es ist nur eine Zeile Code.

  27. @markus: Natürlich macht es einen Unterschied, den „Stasi 2.0“-Slogan aber trotzdem nicht unproblematischer.

    Der Hinweis von Pascal mag etwas polemisch vorgetragen sein, in der Sache ist er aber nicht unberechtigt: Ich bezweifle, dass diejenigen, denen das Stasi-zwei-null hier in den Kommentaren seit Jahren immer wieder derartig leicht über die Lippen geht, wirklich ausreichend wissen, welchen Vergleich sie da eigentlich ziehen, geschweige dass sie mal ein Standardwerk wie Jürgen Fuchs‘ Gedächnisprotokolle darüber gelesen haben.

    1. @Christian: Schon klar, Anfangs war ich auch unglücklich über „Stasi 2.0“, irgendwann war das Mem aber da und hat mobilisierend funktioniert für die Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung.

  28. @markus: Schon klar – nur ist das keine Begründung, das „Mem“ weiter zu benutzen (jedenfalls keine gute). :)

    Ich lese die gerade die (wirklich empfehlenswerte) Fuchs-Biografie von Udo Scheer, und mit jedem Kapitel empfinde ich nebenbei mehr Abneigung gegen dieses dampfplauderische „Stasi 2.0“. Sicherlich, es mag die geschichtlich Ungebildeten mobilisieren; aber wer sich einmal gründlicher mit den historischen Hintergründen beschäftigt hat, ist zurecht angewidert. Auch so lässt sich ein berechtigtes Anliegen wie der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung leider diskreditieren.

  29. @markus Ne, ich finde es in beiden Fällen gleichermaßen unangebracht. Ein dummer Vergleich ist ein dummer Vergleich ist ein dummer Vergleich. Davon abgesehen: So ganz privat ist die Veranstaltung hier ja mittlerweile auch nicht mehr ;)

  30. Oh Gott, die PK, jetzt das Dementi im Bildblog. Das wird ja immer besser. Wäre wirklich lustig, wenn es nicht so…ach was solls, es IST wirklich lustig.

    Ich glaub ich guck heute mal wieder In The Loop. „You may have heard him say that, but he didn’t say that. And that’s a fact.“

  31. eine kleine korrektur zu deinem bildblog-update im artikel: die aussage kam von brüderles pressesprecherIN.

    es liest sich ein wenig blöd, wenn über dem zitat (im bildblog-link) die männliche form steht, einige zeilen tiefer dann aber „pressesprecherin beatrix brodkorb“

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