Spätestens mit der Eröffnung des Datenkatalogs der britischen Regierung (data.gov.uk) ende Januar 2010 wird vielen klar: Deutschland ist beim Thema „open government data“, also beim öffentlich zugänglich machen von Daten aus Regierung und Verwaltung weit abgeschlagen – das muss sich ändern! Das Potential und der gesellschaftliche Nutzen von „offenen Regierungsdaten“ liegt auf der Hand:
- Die Regierung wird offener und transparenter.
- Die Verwaltungen werden bürgerorientiert, interaktiv und effizient.
- Zivilgesellschaft und Wirtschaft können durch Innovationen neuartige Anwendungen für diese Daten schaffen die einen konkreten Nutzen für den Alltag der Menschen bringen.
Doch auch wenn Sinn und Nutzen von offenen Regierungsdaten durch die Ergebnisse der verschiedenen „Opendata Wettbewerben“ (apps4democracy, apps4america, etc.) eindrucksvoll und nachvollziehbar sichtbar werden, wird wohl so etwas wie ein data.gov.de – also ein Datenkatalog für deutsche offenen Regierungsdaten nicht über Nacht entstehen. Was wir brauchen ist zum einen der politischer Wille und zum anderen gute Argumente und konkrete Beispiele.
In den USA hat die Open Government Arbeitsgruppe bereits ende 2008 die 8 Open Government Data Prinzipien für offene Regierungsdaten formuliert. Um die deutsche Regierung und deutsche Behörden bei der Öffnung der Daten zu unterstützen haben wir die Argumente ins deutsche übersetzt und präsentieren euch ab dem heutigen Datum, in loser zeitlicher Abfolge, 8 Thesen zu den Open Government Data Prinzipien.
Wir hoffen damit eine Diskussion anzuregen. Feel free to discuss!
Den Start bereitet der Begriff Vollständigkeit oder wie es im Englischen heißt Complete. Stellt sich die Frage: Vollständigkeit von Was? Die Antwort lautet: Vollständigkeit öffentlicher Daten. Warum dies im Bezug auf Open Data wichtig ist und was dahinter steckt, erfahrt ihr im folgenden Post.
Open Government Data Prinzipien
These 1 – Vollständigkeit:
Alle öffentlichen Daten werden verfügbar gemacht. Als Öffentliche Daten werden hierbei Daten verstanden, die nicht berechtigten Datenschutz-, Sicherheits- oder Zugangsbeschränkungen unterliegen.
Vollständigkeit, im Rahmen von Open Data, meint die freie Verfügbarkeit aller öffentlichen Daten, die nicht einer berechtigten Datenschutz-, Sicherheits- oder Zugangsbeschränkung unterliegen. Gemeint sind hier allen voran vollständige, ungekürzte und nicht voreditierte Rohdaten, die s.g. „raw data“. Denn oftmals erlauben erst unbeschnittene und reine Daten einen sinnvollen Umgang mit dem Datenmaterial.
Stützende Argumente für eine vollständige und umfassende Veröffentlichung von öffentlichen Daten gibt es zahlreiche. Beispielsweise wird die Erhebung einer großen Anzahl an Datensätze durch öffentliche Mittel, und somit direkt vom Steuerzahler, finanziert. Weitaus schwerer als finanzielle Aspekte wiegt indes die Frage nach der Vollständigkeit öffentlicher Daten im Bereich der Forschung. In vielen Fällen benötigt die Wissenschaft den Zugang zur „raw data“, den Rohdaten, um neue Erkenntnisse erzielen zu können. Insbesondere trifft dies für die maschinelle und wissenschaftliche Auswertung und Analyse zu. Nur der Zugang zu Rohdaten garantiert, dass keine wichtigen Daten vorbehalten oder verloren gegangen sind. Umfassende oder semi-umfassende Zugangsbeschränkungen von Datenmaterial blockieren oder zumindest verlangsamen hierdurch den Fortschritt und schaden ergo der Allgemeinheit.
Betrachtet man die oben genannten Forderungen und vergleicht sie mit dem gegenwärtigen Stand der Dinge, lässt sich daraus folgendes schließen: Ein Großteil der bisher von öffentlicher Hand erhobenen Daten, sollten bzw. müssten für die Allgemeinheit verfügbar und zugänglich sein. Dies ist bisher in den meisten Staaten nicht die Regel. Als Schritt in die richtige Richtung und aktuelles Beispiel, ist die Veröffentlichung von über 3000 öffentlichen Datensätzen durch die britische Regierung auf http://data.gov.uk/ anzusehen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vollständigkeit von öffentlichen Daten von Interesse für die breite Öffentlichkeit ist. Ausgehend von diesem Standpunkt, sollten öffentliche Daten in vollem Umfang und unveränderter Erstfassung für Jedermann frei zugänglich sein.
Abschließend der Hinweis auf zwei Beispiele nicht öffentlicher aber von öffentlicher Hand erhobenen Daten in Deutschland:
- Statistiken über die Luftverschmutzung in Großstädten
- die Anzahl an Krankhausaufenthalten auf Grund von Alkohlmissbrauch
Die 8 Open Government Data Principles in der Übersicht:
Daten der öffentlichen Verwaltung gelten als offen, wenn sie der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht werden, die im Einklang mit den nachstehenden Grundsätzen steht:
1. Vollständigkeit
Alle öffentlichen Daten werden verfügbar gemacht. Als Öffentliche Daten werden hierbei Daten verstanden, die nicht berechtigten Datenschutz-, Sicherheits- oder Zugangsbeschränkungen unterliegen.
2. Primärquelle
Die Daten werden an ihrem Ursprung gesammelt. Dies geschieht mit dem höchstmöglichen Feinheitsgrad, nicht in aggregierten oder sonstwie modifizierten Formaten.
3. Zeitnah
Daten werden so zügig, wie zur Werterhaltung, notwendig zur Verfügung gestellt.
4. Zugänglich
Daten werden so vielen Nutzern wie möglich für möglichst viele Verwendungszwecke bereit gestellt.
5. Maschinenlesbar
Daten werden zur automatisierten Verarbeitung strukturiert zur Verfügung gestellt.
6. Nicht diskriminierend
Daten sind für Alle verfügbar, ohne dass eine Registrierung notwendig ist.
7. Nicht proprietär
Daten werden in standardisierten Formaten bereit gestellt, über die keine juristische Person die alleinige Kontrolle hat.
8. Lizenzfrei
Daten unterliegen keinem Urheberrecht, Patenten, Markenzeichen oder Geschäftsgeheimnissen. Sinnvolle Datenschutz-, Sicherheits- und Zugangsbeschränkungen sind zulässig.
Die Einhaltung dieser Prinzipien ist überprüfbar.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Blog des Open Data Network erschienen, der Autor ist Lucas Mohr. Wir werden von nun an in loser zeitlicher Folge hier Artikel zu „Open Government“ und „Open Data“ veröffentlichen um dieses Thema der Leserschaft von Netzpolitik.org vorzustellen.
Nicht Deutschland ist abgeschlagen. Sondern die Briten sind allen weit voraus.
Die PSI-Richtlinie ist der derzeitige gemeinsame EU-Stand, kam aber um Jahre zu spät und mit sehr schwachen Minimum-Standards. Irgendwann demnächst kommt sie in die Revision.
http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/index_en.htm
http://ec.europa.eu/information_society/newsroom/cf/itemlongdetail.cfm?item_id=5084
Wohlgemerkt alles Sachverhalte, bei denen Briten und Deutsche mindestens 10 Jahre verschlafen haben.
Hallo Andre,
das die Briten derzeit allen andern in Europa weit voraus sind stimmt. Dennoch ist es nicht so, als käme nach den Briten lange nichts und dann alle anderen auf dem selben Niveau. Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark und die Niederlande – in allen diesen Ländern arbeiten bereits Leute im Hintergrund an offenen Datenkatalogen für Regierung und Verwaltungen. Auch die mangelhafte PSI-Richtline ist nicht in allen Ländern gleich umgesetzt. Und in Sachen Beteiligung und Transparenz sind ebenfalls einige Länder, wie etwa die baltischen Staaten und die Skandinavier, um Jahre voraus.
In diese Richtung zielte die Formulierung „Deutschland ist weit abgeschlagen“. Mir geht es auch nicht um das Ansehen Deutschlands im internationalen Vergleich, sondern darum das sich hierzulande endlich etwas in Richtung Open Government, Open Data, Transparenz und Partizipation bewegt – zum Wohle der Allgemeinheit.