In der Serie “Remixer/in” geht es um Menschen und ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Dieses Mal: Eduardo Navas.
Eduardo Navas ist der Autor des Bands Remix Theory: The Aesthetics of Sampling. Er bemüht sich vor allem um ein besseres Verständnis davon, wie wir Wissen und Ideen teilen und wiederverwerten, sowohl materiell als auch immateriell – deshalb auch seine Forschung zum Thema Remix. Er ausgebildeter Kunsthistoriker und als Künstler und Medientheoretiker tätig. Er war für rund 15 Jahre DJ in Los Angeles, bevor er ein Künstler und Dozent wurde. Vieles seiner Forschung ist transdisziplinär und betrifft u.a. Felder wie Musik, Kulturwissenschaften, Medienwissenschaften, neue Medien, digitale Geisteswissenschaften und Kunstgeschichte.
Was macht für Dich einen guten Remix aus?
Verschiedene Dinge können ein Remix sein. Es kann ein Rearrangement eines Songs, eines Videos oder eines kulturellen Artefakts sein, das gestaltet wurde um die Verkäufe eines Künstlers oder eines Unternehmers anzukurbeln. Ein Remix kann auch eine kritische Produktionsform sein, die sich ansonsten kommerzielle Werke aneignet und zweckentfremdet, um die kulturellen Implikationen der politischen Agenda hinter solchen Werken sichtbar zu machen. In beiden Fällen sind die besten Remixes solche, die in ihre jeweiligen Zielsetzungen erfüllen und gleichzeitige eine autonom bleiben – in dem Sinne, dass ein Zuhörer oder Seher die einzigartige Interpretation der im Remix verwendeten Quellen wertschätzen kann.
Auf welche Weise verwendest Du selbst Werke Dritter?
Auf unterschiedliche Art und Weise. Es gibt verschiedene Wege um zu remixen. Die populärste Art zu remixen ist Selektivität, was man überall auf YouTube finden kann und zurückreicht in die frühen Tage von Popmusik-Remixes. Ein selektiver Remix nimmt sich Material heraus und lässt den Rest intakt. Manchmal kommt etwas Material hinzu. Diese Art von Selektivität kann sich in Richtung Megamixes von Inhalten sämtlicher Formen von Kommunikation weiterentwickeln. Ein Zusammenschnitt einer Serie von Video-Schnippsel um einen Song zu basteln oder einen bekannten Song nachzubauen ist eine von vielen Weisen, wie das passieren kann.
Ich tendiere dazu, Selektivität in einigen meiner Projekte zu verwenden. Aber das meiste, was ich produziere, bewegt sich in kritischen Sphären, ist reflexiv, das heißt es kritisiert bzw. reflektiert kritisch über das angeeignete Werk.
Hast Du schon einmal aus nur aus rechtlichen Gründen ein Sample oder ähnliches nicht verwendet und warum?
Nein. Normalerweise denke ich sorgfältig darüber nach, was ich ausprobieren möchte und eigene mir Werke an, die zu meinen Interessen passen.
Wurdest Du schon einmal abgemahnt oder hattest rechtliche Probleme wegen Deiner künstlerischen Tätigkeit?
Nein. Ich folge der etablierten Kunstpraxis der Appropriation und ich glaube, dass das meiste was ich im Kunstkontext tue unter Fair Use fällt. Das bedeutet nicht, dass einzelne Verlage nicht trotzdem rechtlich gegen mich vorgehen könnten. Aber ich bin mir der diesbezüglichen Folgen meines Tuns bewusst und würde deshalb damit umgehen können, sollte es soweit kommen.
Was hältst Du von der Idee, ein vergütetes Recht auf Remix einzuführen?
Ich halte das für eine exzellente Idee. Das Konzept hinter dem Urheberrecht kämpft mit vielen ideologischen Konflikten und ist nicht zuletzt durch die je nach Land verschiedenen Gesetzeslagen komplex geworden. Die aktuelle Lage im Bereich der Remixrechte erfordert kulturübergreifende Aufklärung, die alle sozialen Klassen und ethnischen Gruppen erreichen würde. Wir müssen das Konzept von geistigem Eigentum wirklich neu denken. Wir müssen es zumindest so re-definieren, dass Werke ohne Angst vor ökonomischer Vergeltung wiederverwendet werden können.
Zum Abschluss, was ist Dein persönlicher Lieblingsremix?
Gut. Weil ich auf Remix in allen Arten von Medien und Kulturproduktion schaue, würde ich gerne zwei nennen. Der erst ist ein Musik-Remix „Rapture Riders“ von Mark Vidler:
Diesen Musikvideo-Mashup habe ich ausgewählt, weil er entscheidend für die frühen Phasen von Mashups in den Medien ganz allgemein war und weil er rundherum gut gemacht ist.
Der andere Remix ist wirklich ein Kommentar zu Crowdsourcing und dem Kollaborationspotential in Netzwerkmedien. Es ist eine sich ständig weiterentwickelnde visuelle Collage: „The Johnny Cash Project“ von Chris Milk.
Das ist ein Crosspost vom Blog der Initiative Recht auf Remix, die in einer Petition um Unterstützung samt Link zum persönlichen Lieblingsremix bittet. Auf right2remix.org findet sich auch das englische Originalinterview.
Ich denke, wir sollten damit beginnen, nicht mehr von „Geistigem Eigentum“ zu sprechen. In der Enquete-Kommission haben wir uns mit der Problematik des Begriffes beschäftigt: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/078/1707899.pdf (1.3.1 Definition und Problematisierung des
Begriffs) – dazu gab es eine Extra-Arbeitsgruppe!
Bericht dazu: http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Urheberrecht/Urheberrecht_Bericht_Projektgruppe_2011-03-25/index.jsp
mfg // padeluun
Der Begriff Remix hat ja in der Musik eine recht eindeutige Bedeutung. Warum wurde dieses Wort denn eigentlich mehr oder weniger „gekidnappt“ um es auch für andere Sachen zu benutzen? Und soll jetzt ein DJ-set oder ein Videorecut jetzt auch als Remix bezeichnet werden? Wenn man unbedingt einen Oberbegriff für das „Zusammenfügen von Sachen“ braucht (das ist zumindest wie ich diese neue Definition von „remix“ verstehe, auch wenn mixen oder mash up ja eher mischen und vermanschen bedeutet ????) warum hat man da nicht ein neues Wort genommen wie zb cremix (stammt nicht von mir der Begriff, ist aber in dikussionen zu diesem thema aufgetaucht) um zB den kreativen Aspekt mehr zu betonen?
Ich weiss nicht inwieweit oder ob „Samples zu benutzen“ auch zu dieser neuen Bedeutung von Remix gehört, aber vor noch so einigen Jahren gab es sogenannte Sample CD’s zu kaufen, die waren recht teuer (ich habe damals mal bei sound und drumland eine Talvin Singh Sample CD als Geburtstagsgeschenk gekauft und bilde mir ein dass sie ca 99 Mark gekostet hat). Diese CD’s waren ua wohl auch deshalb so teuer weil die Samples explizit zur Benutzung in anderen Musikstücken gedacht waren. Wie ist denn oder war denn da die Rechtslage?