Lange hat sich Pornhub in Deutschland dagegen gewehrt, das Alter seiner Nutzer*innen zu kontrollieren. Pornhub ist eine der weltgrößten Pornoseiten und zugleich eine der meistbesuchten Websites. Im Namen des Jugendschutzes soll Pornhub etwa die Ausweise aller Besucher*innen prüfen, um Minderjährige fernzuhalten. In Deutschland setzt sich die Medienaufsicht dafür ein. Während sich die Pornoseite seit Jahren vor deutschen Gerichten gegen die Regulierungsbehörde stemmt, kündigt Mutterkonzern Aylo nun einen Kurswechsel an.
„Aylo ist einer der ersten Teilnehmer am Pilotprogramm der Europäischen Kommission zur Einführung der Altersverifikation über die europäische Altersverifikations-App“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage von netzpolitik.org.
Die EU ist ein weiterer Player bei der Durchsetzung von Jugendschutz im Netz – und ein größerer als die deutsche Medienaufsicht. Aktuell arbeitet die EU-Kommission an einer App zur Alterskontrolle. Diese App können altersbeschränkte Dienste wie etwa Pornoseiten vorschieben, um ihre Besucher*innen zu filtern. Schon jetzt testen das fünf Mitgliedstaten. Künftig sollen die Funktionen der App in der digitalen Brieftasche (European Identity Wallet, EUDI) aufgehen, die laut Plan im Jahr 2026 kommen soll.
Widersprüchliche Signale von Pornhub-Mutter Aylo
Warum bekennt sich Pornhub plötzlich zum Einsatz dieser Alterskontroll-App – sogar als einer der ersten? Auf Anfrage teilt der Konzern mit, sich schon seit Jahren für effektive und durchsetzbare Alterskontrollen eingesetzt zu haben. „Wir alle wollen die Sicherheit von Minderjährigen im Internet gewährleisten, und wir alle tragen gemeinsam die Verantwortung dafür“, so ein Sprecher auf Englisch.
Noch vor einem Jahr führte die Argumentation von Pornhub allerdings in eine andere Richtung. In ihrem ersten Interview mit einem deutschsprachigen Medium sagte Alex Kekesi, Leiterin für Community- und Markenmanagement bei Pornhub, damals gegenüber netzpolitik.org: Wenn Websites des Alter von Nutzer*innen kontrollieren, berge das „reale Gefahren“. Konkret sagte sie:
Wie viele Websites für Erwachsene gibt es weltweit? Vermutlich Hunderttausende, wenn nicht Millionen. Wie soll eine Regierung all diese Seiten überwachen können? Es ist schlicht unmöglich, überall das Alter zu kontrollieren. Bei Kontrollen auf Website-Ebene werden gerade große Plattformen zur Zielscheibe, weil sie dann gesperrt werden oder schwerer zugänglich sind. Das treibt das Publikum zu kleineren Websites, die oft nicht einmal ihre Inhalte prüfen und sich an keine Altersvorgaben halten.
Stattdessen plädierte die Pornhub-Managerin für Kontrollen auf Ebene von Betriebssystemen. Demnach sollte das Alter direkt bei der Einrichtung eines Geräts geprüft werden. Nun scheint es, dass Pornhub doch klein beigibt und sich den Anforderungen der EU-Kommission beugen will.
Mit Sicherheit sagen lässt sich das derzeit aber nicht. Denn auf konkrete Rückfragen zu den geplanten Alterskontrollen reagierten sowohl die EU-Kommission als auch Aylo nebulös.
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Die Pressestelle der EU-Kommission konnte auf Anfrage von netzpolitik.org zunächst nichts Näheres dazu sagen, ob Pornhub überhaupt Teil eines „Pilotprogramms“ ist. Wenn wir eine weitere Antwort erhalten, werden wir den Artikel ergänzen.
Alyo wiederum möchte auf Nachfrage nicht näher benennen, wann genau Pornhub die Alterskontroll-App für EU-Nutzer*innen einführen will. Einerseits schreibt der Sprecher: „Wir sind entschlossen, in allen Ländern, in denen wir geschäftlich tätig sind, stets die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.“ Das deutet auf eine zeitnahe Einführung der Alterskontrollen hin.
Andererseits schreibt der Sprecher: „Wir glauben, dass eine solche Lösung wirksam sein kann, wenn sie branchenweit eingesetzt wird.“ Zudem müsse die Abwanderung von Nutzer*innen zu anderen Websites verhindert werden. Das deutet darauf hin, dass Pornhub den Einsatz der App an Bedingungen knüpft – die auf absehbare Zeit nicht eintreten. Denn technisch lässt sich nicht zuverlässig verhindern, dass Menschen genervt eine Seite ohne Alterskontrollen ansteuern.
Strategie: Testballon
Die Widersprüche ergeben mehr Sinn, wenn man die zugrundeliegende Strategie der Plattform betrachtet. Während Regierungen weltweit den Druck auf Pornoseiten erhöhen, erprobt Pornhub je nach Land verschiedene Reaktionen – wohl um herauszufinden, was dem Konzern am meisten nutzt. Pornhubs Reaktionen lassen sich mit Testballons vergleichen.
- In einigen Bundesstaaten der USA hat Pornhub selbst den Zugriff auf die Seite blockiert. Statt sich den dortigen Gesetzen für Alterskontrollen zu beugen, hat Pornhub den Einbruch von Klicks in Kauf genommen.
- Im Juni 2025 hat Pornhub dasselbe in Frankreich getan und den Zugang für dortige Nutzer*innen blockiert. „Website-basierte Altersüberprüfung funktioniert nicht. Es schützt keine Kinder und setzt die Daten von Millionen Franzosen Datenschutzverletzungen und Hacking aus“, warnte der Konzern auf Englisch und plädierte einmal mehr für Alterskontrollen auf Ebene von Betriebssystemen. „Ihre Regierung wird Ihnen diesbezüglich nicht die Wahrheit sagen, aber wir werden es tun.“
- In Großbritannien wiederum hat Pornhub im Sommer 2025 Alterskontrollen eingeführt, wie es der dortige Online Safety Act verlangt.
Warum also zeigt sich Pornhub neuerdings offen für Alterskontrollen in der EU? Ein Faktor könnte sein, dass Brüssel ein weiteres Druckmittel in der Hand hat. Dort hat die EU-Kommission Pornhub nämlich als „sehr große Plattform“ (VLOP) nach dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) eingestuft. Diesen Status haben nur die größten Online-Dienste in der EU. Er geht mit erweiterten Pflichten einher. Betroffene Dienste müssen besonders transparent sein und verstärkt Risiken eindämmen, auch für Minderjährige. Andernfalls drohen Geldbußen. Pornhub wehrt sich gegen die Einstufung als VLOP und beruft sich auf angeblich gesunkene Nutzungszahlen.
Ein weiterer Faktor dürfte sein, dass die geplante Alterskontroll-App der EU zumindest ein Stück weit den Anforderungen von Pornhub entgegenkommt. Zwar bringt die App keine Alterskontrolle auf Ebene des Betriebssystems, wie es der Konzern oftmals gefordert hat. Aber die App verspricht – je nach konkreter Ausgestaltung – Datensparsamkeit. Das könnte verhindern, dass zahlreiche externe Anbieter sensible Ausweisdaten horten, wie es Gutachter*innen jüngst in Australien beobachtet haben.
Verwaltungsgericht Düsseldorf kippt Netzsperren
Im Ringen zwischen Pornhub und EU-Kommission ist das letzte Wort also noch lange nicht gesprochen. Zumindest in Deutschland hat die Plattform jüngst einen Etappensieg erzielt. Am 19. November hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die gegen Pornhub und die Schwesterseite YouPorn verhängten Netzsperren wieder gekippt.
Angeordnet wurden die Netzsperren von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, nachdem Pornhub in Deutschland keine Alterskontrollen einführen wollte. Sowohl Pornhub als auch betroffene Provider sind deshalb vor Gericht gezogen. Auch wenn sich Netzsperren kinderleicht umgehen lassen, gelten sie als besonders gravierende Maßnahme, das vor allem autoritäre Staaten gerne einsetzen.
Der Rechtsstreit auf Deutschland-Ebene macht anschaulich, wie unterschiedlich Pornhub gemäß seiner Testballon-Strategie handelt. In den USA und Frankreich hatte Pornhub den Zugang zur Website freiwillig blockiert. In Deutschland wiederum ging die Plattform vor Gericht, um nicht blockiert zu werden.
Der Grund für Pornhubs jüngsten Etappensieg in Düsseldorf liegt im Wandel der Zuständigkeiten auf nationaler und EU-Ebene. Die Plattform konnte mit Blick auf die verhängten Netzsperren erfolgreich argumentieren, dass nicht etwa die Anordnungen der deutschen Medienaufsicht Vorrang haben, sondern EU-Recht. Deshalb durften die betroffenen Internet-Provider die Netzsperren wieder aufheben.
Medienaufsicht kämpft um Zuständigkeit
All das ist aber nicht endgültig. Die deutsche Medienaufsicht will die Einschränkung ihrer Kompetenzen nicht hinnehmen und hat bereits Beschwerde gegen die Beschlüsse aus Düsseldorf eingelegt. Das bestätigt die Behörde auf Anfrage von netzpolitik.org. Darüber entscheiden wird das Oberverwaltungsgericht in Münster. Auch das Hauptsacheverfahren läuft weiter. In diesem Verfahren geht es ebenso darum, ob für Pornhub der europäische oder der nationale Rechtsrahmen Vorrang hat.
Vor den deutschen Verwaltungsgerichten werden also noch zwei Konflikte ausgetragen. Für Pornhub geht es darum, mit welcher Regulierungsbehörde sich die Plattform künftig herumschlagen muss. Für die deutsche Medienaufsicht geht es darum, ob sie nach jahrelangem Kampf gegen frei verfügbare Pornografie in Deutschland ihre Zuständigkeit gegenüber Brüssel einbüßt.
„Den betroffenen Kindern ist es vermutlich ziemlich egal, wer sie schützt, nur passieren müsste es“, kommentiert Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW. Ganz so entspannt, wie das Zitat es nahelegt, dürfte die Haltung seiner Behörde jedoch nicht sein. Denn mit ihrem Vorgehen gegen Pornoseiten konnte die Landesanstalt für Medien über viele Jahre lang öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Arbeit gewinnen und sogar ihre Instrumente erweitern.
Jüngst hat die Novelle des Staatsvertrags für Jugendmedienschutz (JMStV) der Medienaufsicht zwei neue mächtige Werkzeuge beschert. Diese Machterweiterung geht direkt auf das Engagement der Behörde gegen Pornoseiten zurück. So soll die Medienaufsicht künftig einfacher Netzsperren anordnen können und widerspenstigen Diensten über Zahlungsdienstleister den Geldhahn abdrehen dürfen. Selbst wenn die Medienaufsicht bald einen Teil ihrer Zuständigkeit für Pornoseiten verlieren sollte – diese Instrumente bleiben.

da werden vermutlich die einnahmen ins bodenlose einbrechen. niemand wird wirklich seine identität bei so einem intimen lebensbereich freiwillig preisgeben wollen. kann man sich kaum vorstellen.