Heribert Prantl schreibt über den Wandel zum Präventivstaat im NZZ-Folio: Der Terrorist als Gesetzgeber.
Wenn sich dann ergibt, dass der so Beobachtete, Registrierte, Belauschte und Geprüfte nicht gefährlich ist, wird er wieder zum Bürger. Jeder Einzelne gilt als potentiell verdächtig – so lange, bis sich durch die Kontroll- und Überwachungsmassnahmen seine Entlastung ergibt. Bisher war das umgekehrt: Wer keinen Anlass für staatliches Eingreifen gegeben hatte, wurde in Ruhe gelassen. Jeder konnte also durch sein eigenes Verhalten den Staat auf Distanz halten. Man nannte das Rechtsstaat.
Es geht der Politik, welche die neuen Sicherheitsgesetze schafft, nicht mehr um die Verfolgung begangener Straftaten, auch nicht mehr primär um die Verhinderung einzelner krimineller Handlungen. Es geht vielmehr darum, ein Frühwarnsystem zu errichten. Zwischen Polizei und Geheimdienst wird dabei nicht mehr unterschieden. Es entsteht ein einheitliches vernetztes Sicherheitssystem, in dem geheimdienstliche (also rechtsstaatlich kaum kontrollierte) Ermittlungsmethoden allgemeiner Standard werden. Es werden, und das ist der Preis dieses Frühwarnsystems, Mittel und Methoden angewendet (heimliches Abhören und heimliche Kontrollen), die im Strafrecht nur gegen Verdächtige möglich waren.
So werden Grundrechte banalisiert. Der neue Präventionsstaat zehrt von den Garantien des Rechtsstaats; er entsteht, indem er sie verbraucht. Das ist – weltweit – das Grundproblem der derzeitigen Politik der inneren Sicherheit: Der Präventionsstaat muss, das liegt in seiner Logik, dem Bürger immer mehr Freiheit nehmen, um ihm dafür Sicherheit zu geben; das trägt den Hang zur Masslosigkeit in sich, weil es nie genug Sicherheit gibt.
Jedem Politiker, der von rechtfreien Raum Internet oder Computer redet, sollte man entgegnen:
Der Computer darf kein rechtsstaatsfreier Raum sein.