VDS und GesichtserkennungFaeser will noch vor Wahl mehr Überwachung

Nancy Faeser würde gerne auf den letzten Metern ihrer Amtszeit zusammen mit der Union noch mehr Überwachung durchsetzen. Dafür sei sie laut einem Medienbericht mit der Partei im Gespräch. Doch die Christdemokraten bestätigen das nicht.

Frau sitzt an einem Pult, hinter ihr eine Wand
Will auf den letzten Metern noch mehr Überwachung: Bundesinnenministerin Nancy Faeser. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Jürgen Heinrich

Noch-Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich für die Vorratsdatenspeicherung und die Ausweitung der Gesichtserkennung ausgesprochen. Das erklärte Faeser vergangene Woche in ihrer Rede auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes. Sie möchte beides in ihrer verbleibenden Amtszeit umsetzen.

Faeser behauptete in der Rede, dass die Vorratsdatenspeicherung „oft“ der einzige Weg sei Täter zu identifizieren. Der Aussage stehen fast 3,5 Millionen aufgeklärte Straftaten im Jahr 2023 gegenüber. In der Rede sprach Faeser sich auch indirekt für einen Einsatz von „KI“ beim Schreiben von Polizeiberichten und bei der Suche nach Opfern aus.

Union bestätigt Gespräche nicht

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (€) führt Nancy Faeser nach eigener Aussage seit dem Bruch der Koalition Gespräche mit der Union darüber, wie man bei den Themen Vorratsdatenspeicherung und Gesichtserkennung noch vor der Bundestagswahl zusammenkommen könne.

Wir haben nachgefragt. Bei der Union will man die Gespräche allerdings nicht bestätigen. Der innenpolitische Sprecher der Union, Alexander Throm, antwortete auf mehrere Fragen dazu nur: „Wir haben die in der Presse wiedergegeben Äußerungen der Bundesinnenministerin zur Kenntnis genommen.“

Das Bundesinnenministerium hingegen ließ die Frist unserer Presseanfrage zu diesem Thema verstreichen und antwortete dann auf Rückfrage, dass man sich zu vertraulichen Gespräche nicht äußere.

Faeser wollte Vorratsdatenspeicherung schon immer

In der Ampel-Koalition hatte Faeser immer die Vorratsdatenspeicherung verfolgt, konnte sich mit dieser aber vor allem nicht gegen das FDP-geführte Justizministerium durchsetzen. Dieses hatte immer statt der umstrittenen anlasslosen Massenüberwachung das zielgenauere Quick-Freeze-Verfahren favorisiert, welches wiederum das Innenministerium blockiert hatte. Quick-Freeze liegt seit dem Bruch der Ampel auf Eis.

Nun hofft die Ministerin noch auf eine Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung mit den Unionsparteien, denn die Ampel hat keine eigene Mehrheit mehr und die Zustimmung des grünen Noch-Koalitionspartners dürfte – vor allem im Wahlkampf – eher unwahrscheinlich sein.

Super-Datenbank für Biometrie

Die Gesichtserkenung hingegen stammt aus dem Teil des Sicherheitspaketes der Ampel-Koalition, welchen der Bundesrat angelehnt hat. Hier wollte die Ampel-Regierung das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei mit neuen Fahndungsmöglichkeiten ausstatten: Sie sollten per Foto oder Stimmprobe im öffentlichen Internet nach Personen fahnden dürfen, nach Tatverdächtigen wie nach Opfern.

Für diese Art der Fahndung ist eine biometrische Super-Datenbank nötig, in der alle verfügbaren Bilder und Videos und die Milliarden darin abgebildeten Personen biometrisch vermessen und gespeichert werden. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll die biometrische Online-Suche einsetzen dürfen, um Menschen ohne Papiere im Asylverfahren zu identifizieren. Die Unionspolitiker hatten gesagt, dass ihnen die Maßnahmen nicht weit genug gingen.

Auch Chatkontrolle-Ablehnung in Gefahr?

Unklar ist, ob sich das Ausscheiden der FDP und das Ende der Ampel schon jetzt bei der Chatkontrolle auswirken wird. Hier wollte Faeser von Anfang an eine Zustimmung zur Massenüberwachung, musste aber aufgrund des Widerstandes in der Koalition, vor allem bei Grünen und FDP, eine ablehnende Haltung bei den EU-Ratsverhandlungen einnehmen.

Das Innenministerium ist für Deutschland federführend bei den Chatkontrolle-Verhandlungen im Rat, wo das Überwachungsvorhaben immer wieder an einer Sperrminorität scheiterte. Die nächste Verhandlungsrunde  könnte am 12. und 13. Dezember stattfinden. Noch steht das Thema Chatkontrolle dort nicht auf der Tagesordnung.

Die Frage von netzpolitik.org, ob das Innenministerium bei der bisherigen ablehnenden Ampel-Position bei der Chatkontrolle bleibe, ließ dieses unbeantwortet.

3 Ergänzungen

  1. Das war die Befürchtung. Als Preis für eine Zusammenarbeit, z.B. zum Schutz der Verfassung, muss nun getan werden, was die Groko versäumt hatte zu tun.

  2. Interessant wie unsere Volksvertreter, die eigentlich abgewählt wurden, in den letzten Zügen noch Vollgas geben, solange sie noch formal im Amt sind.

  3. „Die Frage von netzpolitik.org, ob das Innenministerium bei der bisherigen ablehnenden Ampel-Position bei der Chatkontrolle bleibe, ließ dieses unbeantwortet.“

    Tja, warum wohl?
    Faeser hat doch schon immer zu denen gehört, denen die Überwachung nie weit genug gehen kann. Und zur CDU… zu der braucht man nichts mehr zu sagen, von der ist inzwischen klar was man erwarten kann. Nichts, was sich positiv für die Bürger auswirken würde.
    Wer permanent VDS und ausgeweitete Gesichtserkennung fordert und den Strafverfolgern Befugnisse für (Wohnungs-)Einbrüche erteilen will (Stichwort BKA-Gesetz), der macht auch vor der Chatkontrolle nicht halt.
    Mich wundert es, dass die nicht im „Sicherheitspaket“ der Union vorkam. Alles andere an grund- bzw menschenrechtswidriger Überwachung ist da ja quasi drin.

    Und wenn Faeser jetzt dann auf Kuschelkurs mit der Union geht, die ja bekanntlich auch schon immer für totale Überwachung gestanden bzw steht, ist das doch kein Wunder.
    Wann hat sich die CDU denn jemals gegen Massenüberwachung und Abbau von Bürgerrechten ausgesprochen? Kann mich nicht erinnern, dass das je der Fall war.

    Nachdem ja offensichtlich alle Parteien verschwinden, die sich auch nur ein bisschen für Grund-/ und Bürgerrechte einsetzen, ist eine solche Entwicklung aber auch kein Wunder.
    Erst fliegen auf EU-Ebene die Piraten nach der Europawahl aus dem Parlament
    und jetzt hat in Deutschland die FDP die Koalition verlassen.
    Im Grunde haben die Überwachungsfanatiker damit jetzt freie Fahrt.

    Wenn Deutschland jetzt die Position zur Chatkontrolle ändert, kann man bei den nächsten Verhandlungen fast schon sicher sein, dass sie durchkommt, wenn man bedenkt, dass es jetzt schon immer ein extrem knapper Ausgang war

    Der EUGH mag solche Sachen am Anfang vielleicht noch verhindern, aber wie man an den Urteilen zur VDS oder dem Zugriff auf Handydaten sieht, gibt auch der über kurz oder lang immer mehr nach.

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