Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat am vergangenen Freitag ihren Jahresbericht für das Jahr 2021 vorgestellt. Darin geht die Einrichtung besonders auf Missstände im Maßregelvollzug und bei Abschiebungen ein. Immer öfter würden Familien nachts abgeholt und Kinder dadurch dem Risiko einer Traumatisierung ausgesetzt. Der Bericht erwähnt auch technische Aspekte, durch die Rechte beeinträchtigt werden können, etwa Kameraüberwachung und Videotelefonie.
Die Beobachtungen der Nationalen Stelle ergeben sich aus Besuchen in Vollzugsanstalten und anderen Einrichtungen, wo sich Menschen im Freiheitsentzug befinden. Dabei war sie auch bei Abschiebungen vertreten und stellte mehrfach Mängel fest. Seit Beginn der Corona-Pandemie beobachtete die Antifoltereinrichtung eine starke Zunahme von Abholungen zur Nachtzeit, selbst bei Familien mit Kindern. Besonders bei Kindern könne diese Maßnahme Traumata hervorrufen, heißt es in dem Bericht.
Traumatische Abschiebungen von Minderjährigen
In einem Fall beobachtete die Nationale Stelle die Abschiebung einer Familie vom Flughafen Düsseldorf, bei der ein Elternteil einen psychotischen Anfall erlitt und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Die zuständige Behörde hat dem Bericht zufolge dennoch die Trennung der Familie angeordnet, was auch vier Kinder zwischen vier und elf Jahren betraf. Erst nach der Landung des Flugzeugs in Aserbaidschan untersagte ein Gerichtsbeschluss die Abschiebung, woraufhin die Familie zurückreiste und erst am nächsten Tag wieder in Deutschland landete. „Aus Sicht der Nationalen Stelle wurden die betroffenen Personen, insbesondere die Kinder, einer unzumutbaren Situation ausgesetzt“, heißt es dazu im Bericht.
Im Maßregelvollzug kritisiert die Einrichtung besonders die Überbelegung vieler Vollzugsanstalten. Damit gehe ein Verlust an Rückzugsräumen einher, die zur Konfliktvermeidung essenziell seien. Auch Fixierungen stellen laut dem Bericht weiterhin ein Problem dar. Zu den Forderungen der Nationalen Stelle gehört zum Beispiel die konsequentere Umsetzung von Mindeststandards wie etwa Richtervorbehalt oder ärztliche Überwachung. Diese Mindeststandards wurden in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2018 festgelegt. Die Anforderungen wurden laut der Nationalen Stelle nicht in allen Bundesländern umgesetzt, wodurch „in vielen Fällen unrechtmäßig in das Recht auf Freiheit von Untergebrachten eingegriffen“ werde.
Unverpixelte Toilettenüberwachung
Auch problematische Aspekte von Techniknutzung spricht der Bericht an. Besonders durch Überwachungskameras können im Freiheitsentzug Rechtsverletzungen stattfinden. So waren in einigen Justizvollzugsanstalten die Toiletten unverpixelt sichtbar, in der Berliner Justizvollzugsanstalt Tegel habe eine Vorführung des eingebauten Verpixelungssystems nicht funktioniert. Die Nationale Stelle kritisiert dies als einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Beim Abschiebungsprozess empfiehlt sie außerdem immer wieder, Mobiltelefone nur im begründeten Einzelfall sicherzustellen.
Ein größtenteils positiver Aspekt sei die Möglichkeit für Videotelefonie, die sich während der Pandemie ausgeweitet habe. Die Nationale Stelle fordert, digitale Kommunikationsmöglichkeiten beizubehalten, dabei aber nicht die Zeiten für reale Besuche einzuschränken.
Die unabhängige Nationale Stelle soll nicht nur Folter, sondern auch Anzeichen für Misshandlung im Blick behalten. In ihrem Bericht erwähnt sie auch positive Beispiele der Prävention, etwa durch die Abwesenheit von Videoüberwachung. Außerdem verfasst sie Empfehlungen für Verbesserungen an die Behörden. Die Stelle wurde 2008 als Teil des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe eingerichtet und kontrolliert seither Einrichtungen mit Freiheitsentzug. In der Vergangenheit monierten ihre Vertreter:innen immer wieder die mangelnde Umsetzung ihrer Empfehlungen. Auch sei die Stelle bei weitem nicht so gut ausgestattet, dass sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen könne.
interessanter bericht, vielen lieben dank! nur:
> einen psychotischen Anfall erlitt
in der regel spricht man im psychiatrischen sinne von „einer psychose“ oder einer „psychotischen episode“.
„anfall“ erzeugt das kopfbild einer epilepsie, eines ausrastens und um sich schlagens. das ist nicht typische symptomatik für diese erkrankung, die in aller regel doch in den köpfen der menschen statt findet.
Danke für diese wichtige Anmerkung! Bei der Formulierung habe ich mich an dem Bericht der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter orientiert, daher dieser Ausdruck.