Schon bislang bekannten sich alle maßgeblichen öffentlichen Wissenschaftsorganisationen klar und deutlich zu Open Access, dem möglichst offenen Zugang zu öffentlich finanzierter Forschung. Mit der neuen Initiative „Open Access 2020“ unter Federführung der Max-Planck-Gesellschaft soll jetzt Open Access auf breiter Front zum Standard werden („large-scale transition to open access“).
Der Grund für die neue Initiative ist, dass bisheriger Bekenntnisse und entsprechender (auch: finanzieller) Unterstützung für Open-Access-Zeitschriften und -Publikationen zum Trotz der Umstieg nur langsam vorankommt. Eingefahrene Publikationspfade zwingen WissenschaftlerInnen in den meisten Disziplinen dazu, in etablierten, nicht-offenen Zeitschriften zu publizieren, wenn sie weiterhin im Wissenschaftssystem verbleiben bzw. Drittmittel einwerben wollen. Was zählt, ist die wissenschaftliche Reputation einer Zeitschrift und nicht, ob ihre Beitrage frei online zugänglich sind.
Der vielversprechendste Weg wäre deshalb, bereits etablierte Zeitschriften zu Open-Access-Zeitschriften zu machen, sie also quasi zu „befreien“. Vergangenes Jahr wurde genau das vom Herausgeberkreis einer führenden sprachwissenschaftlichen Zeitschrift versucht. Der Verleger Elsevier verweigerte sich jedoch nicht nur dessen Ansinnen, sondern verbreitete auch noch Unwahrheiten über die (ehemaligen) Herausgeber. Letztlich entschied sich das gesamte Herausgeberkollektiv für eine Neugründung unter dem Namen „Glossa“.
Zahlungsströme umlenken
Die Initiative „Open Access 2020“ will die Umstiegslast von den Schultern individueller WissenschaftlerInnen nehmen und möchte „die Mehrheit der heute per Subskription erscheinenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften auf das Publizieren per Open Access (OA)“ umstellen, wie es in einer Presserklärung der Max-Planck-Gesellschaft heißt. Der Umstieg soll wie folgt gelingen:
Dieser Wandel soll erreicht werden, indem die „Mittel, die aktuell für Abonnements von Subskriptionszeitschriften genutzt werden, zur Finanzierung nachhaltiger OA-Geschäftsmodelle eingesetzt werden“.
Der Schlüssel für den Umstieg auf Open Access sind demnach die Bibliotheken, die ihre „Rolle, Verantwortlichkeiten, Profil und Arbeitsprozesse“ weiterentwickeln sollen. Im Zentrum der „Roadmap“ zum Umstieg stehen die vorhandenen Zahlungsströme, die hin zu Open Access umgelenkt werden sollen.
Zu den ersten Unterstützern der Initiative zählen die größten Wissenschaftsfinanzierer in Deutschland und Österreich, konkret die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Die Chancen stehen angesichts derart (finanz-)starker Unterstützer also gut, dass im Ergebnis tatsächlich eine Vielzahl an Zeitschriften auf Open-Access-Modelle umstellen wird.
Open auch im Bereich der Lehre?
Angesichts dieser Dynamik im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens stellt sich allerdings auch die Frage, warum sich im Bereich der universitären Lehr- und Lernunterlagen bislang im deutschsprachigen Raum kaum vergleichbare Entwicklungen zeigen. Offen lizenzierte Lehr- und Lernunterlagen („Open Educational Resources“, OER) sind in Deutschland und Österreich vor allem im Schulbereich ein Thema, kaum jedoch im Bereich universitärer Lehre.
Im angelsächsischen Raum ist das bereits anders, eine Reihe von britischen Universitäten hat sich inzwischen eine OER-Policy verordnet und fordert dazu auf, Lernunterlagen nach Möglichkeit offen lizenziert und in offenen Formaten zu veröffentlichen (vgl. z. B. kürzlich die Universität Edinburgh). Vergleichbare Beispiele gibt es im deutschsprachigen Raum jenseits der gerade im Aufbau befindlichen Hamburg Open Online University noch nicht.
Ein einfaches wie effektives Mittel: Bei der Vergabe von Forschungsgeldern, bei der auch die Publikationen des jeweiligen Lehrstuhls berücksichtigt werden, dürfen lediglich öffentlich zugängliche Quellen gewertet werden. Dies führt zumindest zu einer Veröffentlichung von Pre-Prints, die dem letztlich publizierten Paper nahezu gleichen. Diese sind dann allen zugänglich.
Der in der Forschung übliche laxe Umgang mit dem Urheberrecht etwa beim Verschicken von Papern, dürfte auch seinen Beitrag leisten, dass man den „Schmerz“ (die Einschränkungen der Publikationsform) nicht so sehr spürt. Vielleicht sollte man mal die Verlage inspirieren den Email-Server einer Universität auszuheben und Abmahnungen zu verschicken. :D
Hört sich zwar gut an – aber besser abwarten: Möglicherweise soll durch Einbindung der Verlage deren Geschäftsmodell nur auf eine dauerhafte Grundlage gestellt werden – wenn die MPDL wirklich etwas Substantielles vor hätte, würden die Verlage schon Sturm laufen… immerhin ist deren Geschäftsmodell eine Gelddruckmaschine ohne großartige Vermittlungsleistung, mit riesigen Nachteilen für Bibliotheken, Forschung und Gesellschaft.
Am Ende gibt es vielleicht nur unter großem Tamtam eine Verlagerung von Mitteln von hier nach dort.
Siehe auch:
https://www.helmholtz.de/wissenschaftspolitik/globale-initiative-gestartet-5453/