Am 23. Februar ist Bundestagswahl. In den Wahlumfragen liegen die Unionsparteien vorne, zwei Parteien sind nahe der entscheidenden Fünf-Prozent-Hürde. Mindestens 59,2 Millionen Menschen dürfen sich fragen: Wen soll ich wählen?
Eine Hilfe bei der Recherche können die Wahlprogramme sein. Hier ist unsere Zusammenfassung der digitalpolitischen Versprechungen von Union, SPD, Grünen, Linken, FDP und BSW. Eine andere Recherche-Hilfe sind interaktive Online-Tools, die Interessierte Klick für Klick durch einen Vergleich der Parteien führen.
Hier vergleichen wir acht Vergleichstools – mit besonderer Rücksicht auf netzpolitische Inhalte.
- (1) Wahl-O-Mat: 38 Thesen, 29 Parteien
- (2) Real-O-Mat: Keine Versprechen, sondern Abstimmungen
- (3) Digital-O-Mat: Fokus auf digitale Grundrechte
- (4) Bitkomat: Fokus auf Digitalwirtschaft
- (5) Digital-Thesen-Check von D64: Acht Thesen, sieben Parteien
- (6) Euromat: Blick über den Tellerrand
- (7) Wahl.Chat: PDFs durchforsten per Sprachmodell
- (8) Quotr: Statements durchforsten per Sprachmodell
(1) Wahl-O-Mat: 38 Thesen, 29 Parteien
🌅 Was erwartet mich? Beim Wahl-O-Mat bekommt man 38 Thesen vorgesetzt und kann dazu per Mausklick Stellung nehmen: „stimme zu“, „neutral“, „stimme nicht zu“ oder „überspringen“. Am Ende kann man die eigenen Positionen mit denen von 29 Parteien vergleichen, die zur Bundestagswahl antreten.
⚙️ Wer betreibt das? Den Wahl-O-Mat betreibt die Bundeszentrale für politische Bildung, die zum Bundesinnenministerium gehört.
💡 Was muss man beachten? Der Wahl-O-Mat ist ein Klassiker, es gibt ihn seit 2002. Eine Stärke ist, dass er auch die Positionen kleinerer Parteien einbezieht, von denen man in Nachrichtenmedien sonst wenig mitbekommt. Eine Schwäche ist, dass er den Vergleich auf 38 Thesen herunterbricht – unabhängig davon, wie realistisch oder gleichwertig sie sind. Zumindest kann man am Ende für einzelne Thesen eine doppelte Gewichtung vornehmen.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Sehr wenig; einschlägig ist etwa die These: „An Bahnhöfen soll die Bundespolizei Software zur automatisierten Gesichtserkennung einsetzen dürfen“.
👉 Ziemlich ähnlich ist der WahlSwiper, betrieben vom Verein VoteSwiper aus Berlin.
(2) Real-O-Mat: Keine Versprechen, sondern Abstimmungen
🌅 Was erwartet mich? Beim Real-O-Mat bekommt man 20 politische Forderungen vorgesetzt, zu denen es auch tatsächliche Abstimmungen im Bundestag gab. Die eigene Position kann man angeben mit: „Ja, finde ich auch“, „Nein, geht mir zu weit“ oder „Nein, reicht mir nicht aus“. Am Ende gibt es eine Übersicht, zu welchem Anteil sich die eigenen Positionen mit dem Abstimmungsverhalten der Fraktionen im Bundestag decken.
⚙️ Wer betreibt das? Hinter dem Real-O-Mat steckt das Projekt FragDenStaat, das sich für staatliche Transparenz einsetzt und von der Open Knowledge Foundation Deutschland getragen wird.
💡 Was muss man beachten? Für das Abstimmungsverhalten der Fraktionen kann es vielerlei Gründe geben. Wer sich näher einlesen möchte, findet im Real-O-Mat unter „Begründungen“ knappe Zusammenfassungen und weiterführende Links.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Sehr wenig; einschlägig ist etwa die Forderung: „Zur besseren Bekämpfung von schweren Verbrechen sollen IP-Adressen länger, nämlich für 3 Monate, gespeichert werden.“
👉 Ziemlich ähnlich ist das Tool „DeinWal“ hier fehlt aber die wichtige Differenzierung zwischen „Nein, geht mir zu weit“ und „Nein, reicht mir nicht aus“.
(3) Digital-O-Mat: Fokus auf digitale Grundrechte
🌅 Was erwartet mich? Beim Digital-O-Mat gibt es 12 Positionen von Vorratsdatenspeicherung über Schutz gegen digitale Gewalt bis hin zu autonomen Waffensystemen. Zur Auswahl stehen „stimme zu“, „neutral“, „stimme nicht zu“. Am Ende sieht man das Ausmaß der Übereinstimmung mit Union, SPD, Grüne, Linke, FDP und BSW.
⚙️ Wer betreibt das? Der „Kleindatenverein Braunschweig“. Er hat sich nach eigenen Angaben auf dem 38. Chaos Communication Congress gegründet und besteht aus Ehrenamtlichen, die sich schon seit vielen Jahren in ihrer Freizeit um Datenschutz, digitale Grundrechte und digitale Selbstverteidigung kümmern.
💡 Was muss man beachten? Zu manchen Fragen haben die Parteien nach Einschätzung der Betreiber*innen keine oder keine eindeutige Position – entsprechend fällt das aus der Wertung heraus.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Die Themen beim Digital-O-Mat sind zu 100 Prozent netzpolitisch.
(4) Bitkomat: Fokus auf Digitalwirtschaft
🌅 Was erwartet mich? Der Bitkomat bietet 20 Thesen, aufgeteilt nach den Kategorien: Wettbewerbsfähigkeit, digitale Infrastruktur & Schlüsseltechnologien, digitale Gesellschaft sowie moderner & resilienter Staat. Zur Auswahl stehen „stimme zu“, „neutral“, „stimme nicht zu“ und „überspringen“.
⚙️ Wer betreibt das? Bitkom ist der Industrieverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. „Die Thesen des Bitkomaten wurden ausgehend vom Bitkom Programm zur Bundestagswahl 2025 entwickelt“, heißt es auf der Website.
💡 Was muss man beachten? Aus dem Bitkomat sprechen Wirtschaftsinteressen. Es geht etwa um Investitionsanreize und die angebliche Übererfüllung von EU-Vorgaben. Aber auch um Medienkompetenz statt Smartphone-Verbote. Die teilnehmenden Parteien haben ihre Positionen zu den Thesen vorgelegt.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Alle Thesen sind netzpolitisch, wenn auch in großen Teilen aus Wirtschaftsperspektive.
(5) Digital-Thesen-Check von D64: Acht Thesen, sieben Parteien
🌅 Was erwartet mich? Der Digital-Thesen-Check zeigt die Positionen von Union, SPD, Grünen, FDP, Linken, Volt und BSW zu acht Digitalthemen, etwa Anonymität im Netz oder staatliche Transparenz. Anders als bei den bisherigen Tools klickt man sich nicht durch einzelne Thesen, sondern sieht alle Positionen auf einmal in einer Übersicht, aufgeteilt nach Zustimmung, Ablehnung, keine Position – oder keine eindeutige Position.
⚙️ Wer betreibt das? „D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt“ ist ein sozialdemokratisch geprägter, gemeinnütziger Verein, der sich für progressive Digitalpolitik einsetzt.
💡 Was muss man beachten? Die Grenzen zwischen Ablehnung, keiner Position und keiner eindeutigen Position sind fließend – das gilt allerdings wohl für jedes Vergleichstool. Gerade deshalb lohnt sich der Blick auf die Begründungen, die per Mausklick aufklappen.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Der Digital-Thesen-Check ist zu 100 Prozent netzpolitisch.
(6) Euromat: Blick über den Tellerrand
🌅 Was erwartet mich? Wer in Deutschland regiert, muss viele Regelungen der EU umsetzen hat umgekehrt auch großen Einfluss auf kommende EU-Gesetze. Genau hier setzt der Euromat mit 25 EU-politischen Thesen an – von bezahlbarem Wohnraum bis zu Frontex. Zur Auswahl stehen „stimme zu“, „stimme nicht zu“, „neutral“, „überspringen“. Verglichen werden die Positionen der sieben Parteien, die am ehesten Chancen auf Einzug in den Bundestag haben.
⚙️ Wer betreibt das? Hinter dem Euromat stehen der Verein Pulse of Europe – eine Bürgerinitiative, die sich für europäische Öffentlichkeit einsetzt – und drei weitere Initiativen. „Alle Projektpartner sind parteipolitisch unabhängig“, heißt es auf der Website.
💡 Was muss man beachten? Nach Vorbild des Wahl-O-Mats kann man einzelne Positionen doppelt gewichten; die Begründungen der einzelnen Parteipositionen lassen sich am Ende pro Partei genauer erkunden.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Sehr wenig. Einschlägig ist die These: „Die EU soll ihre öffentlichen Investitionen in digitale Technologie und andere industrielle Innovationszweige massiv ausbauen.“
(7) Wahl.Chat: PDFs durchforsten per Sprachmodell
🌅 Was erwartet mich? Im Gegensatz zu den sonstigen Tools muss man bei Wahl.Chat nicht etwa die eigene Position zur kuratierten Thesen angeben, sondern formuliert selbst Fragen. Dafür wählt man zuerst, von welcher Partei man etwas wissen möchte und tippt dann die Frage ins Chatfenster. Mithilfe von Sprachmodellen wird eine Antwort generiert – inklusive Verweis auf die genauen Seiten im Wahlprogramm. Auch das Abstimmungsverhalten der Partei lässt sich per Sprachmodell zusammenfassen. Die dazugehörigen PDFs aus dem Dokumentations-System des Bundestags sind nur wenige Mausklicks entfernt.
⚙️ Wer betreibt das? Fünf KI-affine Studierende aus München, die nach eigenen Angaben täglich 250 Euro für den Betrieb des Tools hinlegen. Im Hintergrund sollen ChatGPT und Perplexity AI laufen.
💡 Was muss man beachten? Sprachmodelle machen Fehler. In KI-generierten Zusammenfassungen kann Quatsch stehen. Teils tun sich schon Menschen schwer darin, die Wahlprogramme zu deuten, etwa weil sie nachweislich verwirrend formuliert sind. Dennoch ist Wahl.Chat ein mächtiges Recherche-Instrument, um in kurzer Zeit an PDFs – also die Original-Quellen – heranzukommen, die man sich ansonsten kaum zu Gemüte geführt hätte.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? So viel man möchte. Auf der Website heißt es: „Grundsätzlich kannst du alle Fragen stellen, die du zu den Wahlprogrammen der Parteien oder deren Grundsatzprogrammen hast.“
(8) Quotr: Statements durchforsten per Sprachmodell
🌅 Was erwartet mich? Quotr ist eine Datenbank aus automatisiert gesammelten Statements von Parteipolitiker*innen, geäußert in YouTube-Interviews oder Bundestagsreden. Dafür wurden die Transkripte der Aufzeichnungen per Sprachmodell durchforstet, heißt es auf der Website. Bei der Zuordnung zu den Politiker*innen soll Gesichtserkennung geholfen haben. Erschließen lässt sich die Datenbank anhand von Fragen wie: „Sollte die Ukraine mit Waffen unterstützt werden?“ Es gibt eine Übersicht, von welchen Parteien sich Vertreter*innen dazu positioniert haben. Mausklicks führen zur Original-Quelle.
⚙️ Wer betreibt das? Betrieben wird das Tool vom Verein Quotr, die Entwickler sind Daniel Otto de Mentock und Michael Malkin. Das Projekt ist recht neu, die Macher beschreiben es selbst als „experimentell“ und bitten um Feedback.
💡 Was muss man beachten? Software macht Fehler, und bei Quotr gibt es gleich mehrere mögliche Fehlerquellen: Wenn die gesprochene Sprache in Text umgewandelt wird; wenn ein Sprachmodell innerhalb des Textes Behauptungen aufspüren soll; wenn diese Behauptungen Politiker*innen zugeordnet werden. Deshalb sollte man KI-basierte Tools Quotr weniger als fertiges Info-Angebot betrachten, sondern als Recherche-Werkzeug – um sich innerhalb kurzer Zeit Original-Quellen zu erschließen, um die Behauptungen des Sprachmodells zu prüfen.
🔌 Wie viel Netzpolitik steckt drin? Eine gute Portion. Unter Kategorien wie Digitalisierung, Datenschutz und Technologie sind gleich mehrere netzpolitische Fragen versammelt, die zu zahlreichen Statements und Quellen führen.
Zum Thema „Wen soll ich wählen“ könnte man noch ergänzen die Seite https://zweitstimme.org/erststimme/ : „Hier finden Sie für alle Wahlkreise und Parteien die vorhergesagten Erststimmenanteile und Gewinnwahrscheinlichkeiten.“
Je nach dem kann es Sinn machen taktisch zu wählen. Z.B. einer Kandidatin seine Erst-Stimme zu geben damit diese via Direktmandat in den Bundestag einzieht, auch wenn man eigtl. eine andere Partei/Kandidatin bevorzugt.
Z.B. in Berlin-Lichtenberg (Wahlkreis 85) kann es Sinn machen, der Linken die Erststimme zu geben statt Grünen/SPD/Volt/… , wenn man AfD verhindern will. Stand 20.02.25:
Linke 17-30%
AfD 14-26%
Vielen Dank für die Ergänzung! Als Ergänzung zur Ergänzung noch ein Hinweis auf die Ungenauigkeit solcher Schätzungen: https://taz.de/Fragwuerdige-Prognosen-fuer-Wahlkreise/!6067015/
In der Aufstellung fehlt der Wahl Spider https://www.voteswiper.org/de/deutschland/bundestagswahl-2025. Er hat nicht den Bias wie der Wahl-O-Mat.
hi mw! der ist schon drin, wenn auch nur als kurzer hinweis, siehe „👉 Ziemlich ähnlich ist der WahlSwiper, betrieben vom Verein VoteSwiper aus Berlin.“
Ich finde den Kandidierendencheck von Abgeordnetenwatch noch erwähnenswert, da man über die Kandidaten des eigenen Wahlkreises meist nicht viel weiß. man kann hier auch mit den Kandidaten in Kontakt treten und weitere Infos nachlesen:
https://www.kandidierendencheck.de/auswahl
Der bitkomat hat auch sehr spezielle, für mich teils problematische / nicht unbedingt bürgerfreundliche Fragestellungen. S.z.B.:
„Um den Mangel an Wachstums- und Risikokapital zu beheben, müssen institutionelle Investoren wie z. B. Pensionskassen befähigt werden, stärker als bisher in Venture Capital zu investieren.“
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„Um mit Drohnen, KI, Robotern & Co. die Verteidigungsfähigkeit zu steigern, muss die Bundeswehr die Beschaffung weiter vereinfachen und Lösungen von innovativen KMUs berücksichtigen.“
„Informatik als Pflichtfach“
„Deutschland muss zukünftig auf Sonderregeln und Übererfüllung bei der Umsetzung von EU-Vorgaben verzichten.“
„Übererfüllung“ ist tendenziös und keine neutrale Formulierung für eine Fragestellung.
Hier noch einer von abgeordnetenwatch.de:
https://www.kandidierendencheck.de/bundestag
„In nur 5 Minuten:
1 Bewerte 18 Thesen zu Themen, die für die Bundestagswahl 2025 relevant sind.
2 Gib deine PLZ ein, um deinen Wahlkreis auszuwählen.
3 Erfahre, welche Kandidierenden in deinem Wahlkreis deine Positionen teilen. Du kannst diese mit deiner Erststimme
wählen.“
ich würde hiermit gern noch gehalt-o-mat.eu und wahltraut.de ergänzen :)
Ich habe auch noch eine Empfehlung: https://wahl-kompass.de/