Geplante GesetzesänderungBaden-Württemberg will Hürden für Videoüberwachung senken

Seit sieben Jahren bereits wird in Mannheim Videoüberwachung mit automatisierter Verhaltenserkennung getestet. Nun will Baden-Württemberg die Hürden für die Installation von Kameras senken. Der Verfassungsschutz soll künftig auf private Aufnahmen zugreifen dürfen.

Zwei Kameras an einem Mast vor einer Fassade
Videokameras in Mannheim. Allein hier betreibt die Polizei bereits 70 Stück. Nun soll die Videoüberwachung in Baden-Württemberg vereinfacht werden. – Public Domain Martin Schwarzbeck

Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg will mit einer Novelle des Landesdatenschutzgesetzes den Aufbau und Betrieb von Videoüberwachungssystemen erleichtern. Gleichzeitig sollen Behörden Bilder bis zu zwei Monate lang speichern dürfen.

Die Gesetzesänderung würde die sogenannte „Vorrangprüfung“ erleichtern und entsprechende Hürden senken. Gleichzeitig wird dabei dem Schutz von Leben und Gesundheit eine Art absoluter Wert zugeschrieben. Sie gelten künftig als „besonders wichtiges öffentliches Interesse“. Der Schutz der Privatsphäre wird in der Abwägung demnach häufig hintangestellt werden.

Vermutlich steht die geplante Gesetzesänderung auch im Zusammenhang mit dem Test von Verhaltenserkennungssoftware, der im baden-württembergischen Mannheim seit sieben Jahren läuft. Dort kommt es immer wieder vor, dass Areale, die die Stadt gerne überwachen würde, nicht oder nicht mehr als besonders kriminalitätsbelastet eingestuft sind. Das macht die Videoüberwachung nach geltendem Recht unmöglich.

Viele Kommunen wollen Videoüberwachung

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist ein Fan der KI-gestützten Videoüberwachung. Er sagte bei der Vorstellung des Gesetzesbündels, dass sich viele Kommunen eine juristische Vereinfachung des Aufbaus von Videoüberwachungsanlagen gewünscht hätten. Demnach ist davon auszugehen, dass die Zahl der überwachten Areale in Baden-Württemberg künftig deutlich steigen wird.

In Heilbronn etwa ging im September dieses Jahres eine Videoüberwachungsanlage an den Start. Es gab jedoch Kritik daran, dass nach aktueller Gesetzeslage der Marktplatz nur zu bestimmten kriminalitätsintensiven Uhrzeiten überwacht werden darf. Auch war eine Ausweitung auf weitere Räume im Gespräch, die aber eben nicht dem Kriterium eines besonders kriminalitätsbelasteten Ortes genügten.

Zusammen mit der vereinfachten Videoüberwachung will die baden-württembergische Landesregierung dem Verfassungsschutz Zugriff auf private Kamerastreams gewähren. Damit könnte der Geheimdienst etwa Tiefgaragen oder Shoppingcenter videoüberwachen, ohne eigene Systeme aufbauen zu müssen. Ähnliches ist auch in Berlin geplant.

Update, 25.9.2025, 12.30 Uhr: Reihenfolge der Koalitionspartner korrigiert.

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21 Ergänzungen

  1. Und das ausgerechnet in einem Bundesland, in dem die einstmals so freiheitsliebende und grundrechtsfreundliche Partei „Die Grünen“ mitregiert. Einfach nur traurig!!

    Die Grünen schaffen sich ab – und werden zu „Schein“-Grünen.

    1. Die Grünen in BaWü möchten halt gestalten und daher in die Regierung gewählt werden, und das geht zZt nur mit der CDU.

      Ohne Gestaltungsmacht nur fordern ist natürlich einfacher und bequemer, die Oppositionsbank ist gut gepolstert. Dann gestaltet halt der politische Gegner.

      Ich habe eine Menge Probleme mit den Grünen in BaWü und mE könnten sie mehr erreichen. Aber anderswo erreichen sie gar nichts.

      1. „Die Grünen in BaWü möchten halt gestalten und daher in die Regierung gewählt werden, und das geht zZt nur mit der CDU.“

        Dumm nur, wenn der Gestaltungswille genau dem derjenigen Partei entspricht, die genau das Gegenteil von dem Parteiprogramm vertritt, wofür man selbst (also in dem Fall die Grünen) ursprünglich standen…

        1. Sie kennen offensichtlich die Grünen in BaWü und deren Geschichte und Wählerschaft nicht.

          Das ist zT eine ganz andere Partei als in Berlin. Der davon abweichend akademisch-linksgrün geprägte Tübinger Ortsverband hat den OB rausgeworfen und die folgende OB-Wahl dann krachend gegen ihn verloren.

          1. Das „linke“ Beklagen der „Abkehr von den Grünen Werten“ ist zT das klassische Beschwören einer „besseren Vergangenheit“, die es so nie gab. Die Grünen hatten immer auch einen bürgerlichen Anteil, und vielleicht gerade deswegen haben sie aich gehalten und auch Dinge geschafft.

            In der Opposition lassen sich unliebsame Meinungen einfach gegenüber steilen Forderungen vernachlässigen oder übersehen. In der Regierung dreht sich das dann gerne um, wenn man denn trotzdem in die Regierung kommen sollte.

            Links vom Realo-Flügel gibt es zZt keine Machtoption. Leider wollen die „linken“ keine Macht sondern ein gutes Gewissen, und damit letztlich eine CDU-dominierte Regierung. Muss man sich leisten können, nur kann sich das angesichts der Klimakrise eigentlich niemand mit Verantwortungsgefühl für folgende Generationen leisten…

        2. Baden-Württemberg Kretschmann und Özdemir wollen Autoindustrie bei Verbrenner freie Hand geben

          Stand: 08.10.2025 12:55 Uhr

          Das Autoland BW leidet unter der Absatzkrise der Industrie. Die CDU BW das Verbrenner-Aus komplett kippen. Kretschmann und Özdemir sind nicht weit davon entfernt.

          https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-kretschmann-und-oezdemir-wollen-autoindustrie-bei-verbrenner-freie-hand-geben-100.html

      2. Hat man ja bei der Bundestagswahl gesehen: die „progressiv-linken“ wollen ein reines Gewissen in der Opposition und sind offensichtlich ausreichend privilegiert für ein Leben mit einer ungebremsten CDU Regierung.

      3. Seit die Piratenpartei nicht mehr stark ist interessiert das Thema die Grünen halt einfach nicht mehr. Denn man muss ja keine Wähler mehr „zurück“ holen. Also machen Grüne jetzt eben auch beim Überwachungsstaat mit.

    2. Die Grünen sind auf Länderebene schon sehr lange die Palantir-Partei schlechthin und haben auf Bundesebene auch immer wieder bewiesen, dass sie sobald sie in Regierungsverantwortung sind, genauso gut und nachhaltig Grundrechte bekämpfen und zerstören können, wie die CDU und die SPD. Das haben die Grünen schon in ihrer ersten Regierungszeit gemacht und den Weg in die immer weiter ausartende Überwachungsgesellschaft und Freiheitsrechtsbekämpfung ab 2001 mitgeebnet. 2021 haben sie dann mit Habecks rassistischer Vollstreckungsoffensive bewiesen, dass sie sich noch weiter radikalisiert haben. Es kam und kommt demnach mit langer, langer Ansage, nur scheint der Mythos der Grünen Grundrechtsfreund*innen aus den 80ern und 90ern noch immer zu Unrecht zu überdauern oder in selbstbemitleidende Opfernarrative (Sachzwänge, Koalitionsfrieden usw.) gegossen.

        1. „Ist halt bequem, nichts tun zu können und die verhassten Umstände zu genießen 8)“
          Was soll der Bürger denn sonst machen? Statistisch gesehen ist die Zahl der Helden gering. Menschheitsgeschichte. Beim Andiewandfahren des Systems haben weitestgehend alle Reichen und Mächtigen immer mitgemacht, trotz denen verfügbarer Informationen und Bildung, und am Ende erkannten einige Gelegenheiten, andere eine rudimentäre Form von Umdenken. Wer ist wer?

          Naja, es gibt Konzepte die Demokratie zu retten, dafür muss man sie allerdings auch verteidigen. Der Weg geht eindeutig über moderne Konzepte von Demokratie, nicht das willenlose Zurückschneiden. Gleichzeitig müssen militärische wie geostrategische, aber bereits jetzt auch solarstrategische Aspekte mit bedacht werden. Der Feind im Inneren muss eingedämmt werden, d.h. ähnlich wie es bei KI-Systemen imperativ gewesen wäre, hätte man auch hier für Nachvollziehbarkeit in Stellungnahme und Recht sorgen müssen. Prinzipal, nicht nur in der PR.

    1. Einige Polizeien wissen, dass die Kamera alleine keine Wunder bewirkt. Und sie bewirkt gar nichts ohne einen Beamten hinter dem Bildschirm, dessen Arbeitskraft möglicherweise anderswo wirklich gebraucht wird.

      Kontrollfantasien von Politikern…

  2. Wenn die es wenigstens richtig machen würden!
    Es werden sicher nur Orte für „Unterschichtdelikte“ überhaupt als überwachenswert angesehen. Statt Kameras also bei Banken in vornehmen Gegenden, Steuerberatern oder spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien aufzustellen, wo unter anderem auch gesetzeswidrige Aktionen mit Schäden in Millionenhöhe angestellt werden, werden nur Handtaschendiebstähle aufgeklärt.

  3. > Ich freue mich schon darauf, in Zukunft zu sehen, welche besonders kriminalitätsbelasteten Orte in Heilbronn neu etabliert werden, die ja eben *nicht* genügen, um überwacht zu werden

    Heilbronn ist eine besondere Stadt. Einerseits, wegen Dieter Schwarz (lt. Forbes 2023: 39,2 Milliarden US-Dollar Vermögen), andererseits hat die Stadt den dritthöchsten Migrantenanteil Deutschlands. Ohne Zweifel ist die Differenz zwischen dem über-reichsten Menschen in Deutschland und der Bevölkerung in Heilbronn am größten.

    2021 widmete Wolfram Weimer (damals noch ohne Avatar) dem 1939 geborenen Dieter Schwarz, diesen Artikel:
    https://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Deutschlands-geheimnisvollster-Milliardaer-article22620018.html

    Sogar „sein“ Wikipedia-Artikel ist auffällig dünn.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Schwarz

    Dieter Schwarz war schon immer nur Avatar, denn leibhaftig war und ist er in der Öffentlichkeit nicht präsent. Um so mehr nimmt er Einfluss, in gönnerhafter Manier. Er beglückt die Stadt mit Stiftungsaktivitäten, schenkt der Stadt einen „Bildungscampus“ (Wirtschaftswissenschaften+IT).

    Heilbronns Innenstadt (1944 durch Luftangriffe total zerstört) war vor 20 Jahren noch eine für das Umland attraktive Einkaufsstadt. Jetzt ist sie durch Leerstände und Pleiten geprägt, hat den Flair eines Zustands nach Dekadenz, daran konnte auch die BuGa 2019 kaum etwas ändern.

    Die Zu- und Umstände der Stadt Heilbronn sollte man kennen, um zu verstehen warum die Stadt für Überwachungstechnologie so empfänglich ist.

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