Es war ein Amtsantritt mit Ansage: Während der neue US-Präsident mit militärischen Interventionen drohte und sein enger Berater Elon Musk den Hitler-Gruß zeigte, stellten sich gleich mehrere Tech-Oligarchen demonstrativ hinter die neue US-Regierung. Neben Musk lauschten Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Tim Cook, Sundar Pichai und Shou Chew, die Chefs von Meta, Amazon, Apple, Google und TikTok – alle großen Plattformen vereint – der ersten Rede von Donald Trump als frischgebackenem Präsidenten.
Direkt nach dieser folgte der erste Schwall an Maßnahmen, mit denen Trump die Richtung seiner Administration vorgibt. Über 40 Erlasse, sogenannte Executive Orders, hat der US-Präsident an seinem ersten Tag unterzeichnet. Viele, wenn nicht alle davon, werden juristisch angefochten werden. Wie ein Alleinherrscher durchregieren, das kann Trump also nur bedingt.
Praktisch umgehend reichten etwa mehrere NGOs Klagen gegen das schon im Vorfeld angekündigte DOGE (Department of Government Efficiency) ein. Das irreführend als „Ministerium“ bezeichnete Beratungsgremium sollte eigentlich unter der Leitung von Elon Musk und des früheren republikanischen Präsidentschaftskandidaten und Unternehmers Vivek Ramaswamy das Haushaltsbudget der USA sowie Regulierung insgesamt drastisch zusammenkürzen.
Rohrkrepierer DOGE
Kenner:innen der Materie hatten dem Gremium ohnehin nur geringe Erfolgschancen eingeräumt, auch Musk dämpfte zuletzt die selbst geweckten Erwartungen. Nun scheint es sich endgültig zum Rohrkrepierer zu entwickeln: Zum einen hat Ramaswamy inzwischen das Handtuch geworfen und dürfte sich um das Amt des Gouverneurs in Ohio bewerben. Zum anderen versucht Trump das Problem, nicht eigenmächtig echte Ministerien mit echten Befugnissen in die Welt setzen zu können, durch die Umbenennung des bereits bestehenden United States Digital Service zu umschiffen.
Entsprechend ändert sich der Arbeitsauftrag von DOGE. Im Fokus soll nun vor allem stehen, die IT-Systeme des Bundes zu modernisieren. Damit dürfte sich das vollmundige Versprechen, jährlich 500 Milliarden US-Dollar einzusparen, nicht einmal ansatzweise erfüllen lassen. Potenzial für Konflikte lauert zudem in Bundesvorschriften, die Mindestvorgaben an die Transparenz stellen – die Musk und seine Berater:innen nicht erfüllen, wie die Klagen kritisieren.
Rechtlich ebenfalls auf wackligen Beinen steht die Anweisung Trumps an seine designierte Justizministerin Pam Bondi, das am Sonntag in Kraft getretene Verbot des chinesischen Video-Dienstes TikTok für 75 Tage nicht durchzusetzen. Die Debatte rund um das urprünglich von Trump höchstselbst angestoßene Verbot, später vom US-Kongress und Präsident Joe Biden in ein Gesetz gegossen und kürzlich vom Verfassungsgericht bestätigt, geht also weiter. Dass darauf etwa ein effektives Datenschutzgesetz folgt, mit dem sich zumindest ein Teil des Problems an der Wurzel packen ließe, ist jedoch fraglich.
Schattenboxen mit Wirkung
Die angeblich unter Joe Biden eingeschränkte Meinungsfreiheit soll die Erklärung wiederherstellen, Online-Diensten wie Facebook oder Google etwa keine Hinweise mehr auf fragwürdige Inhalte zu liefern. Solche – unverbindlichen – Hinweise hatten staatliche Einrichtungen wie Gesundheits- oder IT-Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit tatsächlich gegeben, auch unabhängige Forscher:innen hatten regelmäßig mit sozialen Netzwerken kooperiert. Wahr ist auch, dass die Accounts mancher Hetzer:innen, darunter die von Donald Trump, von großen Online-Diensten zeitweise gesperrt wurden – was deren in der US-Verfassung verankertes Recht ist.
Der Vorwurf, dass es sich dabei um eine beispiellose Welle staatlicher Zensur gehandelt habe, ließ sich freilich nie erhärten, trotz einer breit angelegten Einschüchterungskampagne im US-Kongress oder in rechten Medien. Erfolg hatte die Kampagne trotzdem. In den vergangenen Jahren mussten mehrere prominente Forschungsinstitute ihre Pforten schließen oder Stellen streichen, genauso wie die jüngste Kehrtwende von Meta bei der Inhaltemoderation auf den Druck von Rechts zurückzuführen ist. In diese Kerbe wird auch die Telekom-Aufsicht FCC schlagen, deren künftiger Chef ein „Zensurkartell“ herbeifantasiert.
Den aktuellen Erlass von Trump halten Expert:innen, die sich teils demonstrativ nicht einschüchtern lassen wollen, entsprechend für „bedeutungslos und (wenig überraschend) zynisch“ – nicht zuletzt, weil Trump US-Medien immer wieder beispielsweise mit dem Entzug von Sendelizenzen und sonstigen Repressalien gedroht hatte, sollten sie weiter kritisch über ihn berichten. Auf diesen eklatanten Widerspruch weist unter anderem der ehemalige UN-Sonderberichterstatter zur Meinungsfreiheit, David Kaye, hin und spricht von „Propaganda“. Trump sei „der größte Gegner der freien Meinungsäußerung und keineswegs ihr Retter“, schrieb Kaye.
Rechtsextremisten jubeln
Per Dekret hat Trump zudem über 1.000 Menschen aus dem Gefängnis entlassen, die im Januar 2021 am Sturm des Kapitols beteiligt waren. Viele derer, die damals gewaltsam die Zertifizierung der Wahl Joe Bidens verhindern wollten, sind in der rechtsextremen Szene verwurzelt. Zu den Freigelassenen zählen unter anderem Stewart Rhodes, Chef der Oath Keepers, und Henry „Enrique“ Tarrio, Chef der Proud Boys, beides rechtsextreme Milizen. Sie wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, nun wurde ihre Freilassung in einschlägigen und dunklen Ecken des Internets, etwa auf X oder 4chan, laut bejubelt.
Dort macht sich auch Vorfreude auf die angekündigten Repressionen gegen Migrant:innen breit, die ebenfalls Gegenstand mehrerer Trump–Dekrete sind. Bei der Umsetzung dürfte, wenn der neue Kuschelkurs ein Zeichen ist, auch die Tech-Branche kräftig mithelfen.
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