Big Brother AwardsÜberwachungs-Oscar geht an Innenminister Dobrindt

Zum 25. Mal wurden die alljährlichen Big Brother Awards vergeben. Negativpreise gehen in diesem Jahr an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, an TikTok sowie an Google. Erstmals gibt es auch Auszeichnungen in der Kategorie „jung und überwacht“.

Eine Bühne, auf der eine Datenkraken-Puppe und ein Podest zu sehen ist.
Seit dem Jahr 2000 werden die Big Brother Awards in Bielefeld verliehen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ecomedia/robert fishman

Am vergangenen Freitag verlieh der Verein Digitalcourage die deutschen Big Brother Awards. Der Datenschutz-Negativpreis geht an Unternehmen, Organisationen, Behörden und Einzelpersonen, die in besonderem Maße Datenschutz und Privatsphäre aushöhlen.

In insgesamt sechs Kategorien vergab die fünfköpfige, erstmals überwiegend weibliche Jury den sogenannten „Oscar der Überwachung“. Im Vorfeld konnten Interessierte Nominierungen einreichen. Zu den diesjährigen Preisträgern zählen unter anderem Google, das Verwaltungsgericht Hannover und das Bundesarbeitsgericht sowie die Videoplattform TikTok.

Neue Kategorie „jung und überwacht“

Erstmals gab es in diesem Jahr Auszeichnungen in der Kategorie „jung und überwacht“. Kinder und Jugendliche des Vereins Teckids stellten in multimedialen Beiträgen zwei ausgewählte Datenschutzprobleme junger Menschen vor. Die Beiträge veranschaulichen soziale Ausgrenzung am Beispiel von iPads im Schulunterricht sowie im Zusammenhang mit dem Messenger-Dienst WhatsApp.

Laut einer Umfrage im Auftrag der DEVK Versicherungen von Mitte 2024 verwendet in Deutschland mehr als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen im Unterricht ein Tablet. In vielen Schulen ist deren Einsatz sogar verpflichtend. Die Kinder von Teckids kritisieren die fehlende Selbstbestimmung und den eingeschränkten Datenschutz, die mit dem Einsatz einhergehen.

Innenminister Dobrindt für „Sicherheitspaket“ ausgezeichnet

Der „unglückliche Gewinner“ der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ ist Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Zur Begründung verwies die Rechtsanwältin Elisabeth Niekrenz vom Verein Digitale Gesellschaft in ihrer Laudatio auf das sogenannte Sicherheitspaket des Ministers. Es sieht unter anderem den Einsatz biometrischer Datensuche per Gesichtserkennung im Internet vor. Der Einsatz von Gesichtersuchmaschinen verstößt Niekrenz zufolge gegen die Datenschutz-Grundverordnung.

Außerdem hat Dobrindt die Prüfung veranlasst, ob die Analysesoftware des US-Unternehmens Palantir bundesweit vom Bundeskriminalamt eingesetzt werden kann. Das Vorhaben verletzt aus Sicht von Bundes- und Landesdatenschützer:innen verfassungsrechtliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Wir haben beim Bundesinnenministerium nachgefragt, wie es die Auszeichnung bewertet. Eine Sprecherin verwies in ihrer Antwort auf den Koalitionsvertrag, der vorsieht, „dass die Sicherheitsbehörden zeitgemäße digitale Befugnisse erhalten.“ Dabei kämen „selbstverständlich nur Lösungen in Betracht, die den für sie geltenden Rechtsrahmen einhalten“, so die Sprecherin.

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5 Ergänzungen

  1. Das ist ein sehr kurzer Artikel.
    Man könnte/sollte die Hintergründe zum Zustand und Wirksamkeit von Digitalcourage e.V. thematisieren. Stichwort Vorstandswahl, „Schlangen an meiner Brust“ (Padeluun), Austritt von zahlreichen Mitgliedern, fragwürdige neue bezahlte Stellen für Padeluun und Rena Tangens usw.

    S.z.B. Auszug aus Wikipedia , Abschnitt Kritik:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Digitalcourage

    „Anfang 2024 wurde das Gedächtnisprotokoll einer Mitgliederversammlung vom November 2023 veröffentlicht, laut dem padeluun mit Auflösung des Vereins und Entlassung aller Mitarbeitenden gedroht haben soll, falls seine nicht erfolgreiche Wahl zum zweiten Vereinsvorsitzenden nicht wiederholt werden würde.[41] Die Wiederwahl padeluuns wurde anschließend ohne Gegenkandidaten wiederholt. In einer ersten Reaktion im Fediverse hatte Digitalcourage eine „Auseinandersetzung“ bestätigt, die Korrektheit des Gedächtnisprotokolls indessen in Zweifel gezogen. In einer zweiten Reaktion einer Tageszeitung gegenüber kritisierte eine Digitalcourage-Sprecherin nur noch, dass das Gedächtnisprotokoll „andere Perspektiven völlig außer Acht lässt“.[42]

    In der Folge wurden neue Vorstandswahlen vorbereitet. Mehrere Beschäftigte verließen die Organisation, der für April geplante Big Brother Award 2024 musste auf Oktober verschoben werden.[1] Im Juni 2024 wurden Thilo Weichert, Daniela Schlegel und Detlev Sieber als neue Vorstände gewählt. Nicht mehr im Vorstand sind Rena Tangens, nun politische Geschäftsführerin, sowie padeluun, für den die Position als künstlerischer Leiter neu geschaffen wurde. Beide wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt.[43] In der Folge wurde der Organisation die mangelhafte Aufarbeitung der Vorgänge bei der letzten Wahl vorgeworfen, in deren Folge mehrere Aktive den Verein verließen.[44] „

  2. „Von der Wiege bis zur Webcam“

    Es ist soweit: Auch Kinder haben jetzt ihre eigene Überwachungskategorie. „Jung und überwacht“ heißt sie – und das ist leider kein Science-Fiction-Titel, sondern bittere Realität. Die Nachwuchs-Netzaktivist:innen von Teckids e. V. haben gezeigt, wie unfrei das digitale Klassenzimmer längst geworden ist. Während andere noch von Medienkompetenz reden, lernen Schüler:innen heute vor allem eines: dass Kontrolle dazugehört.

    In der Schule herrscht iPad-Pflicht, weil „digital“ ja so modern klingt. Datenschutz? Wird offenbar als Zusatzmodul verkauft. Mehr als die Hälfte aller Kinder nutzt Tablets im Unterricht – laut einer Umfrage im Auftrag der DEVK. Dass Apple und Meta sich über neue Datenspuren freuen dürfen, gilt wohl als pädagogischer Kollateralsegen. Wer sich verweigert, ist schnell „nicht teamfähig“ – soziale Ausgrenzung made in Silicon Valley.

    Während Kinder lernen, ihre Privatsphäre abzugeben, wird oben in Berlin geübt, wie man das Ganze noch effizienter macht. Alexander Dobrindt, sonst eher bekannt als Infrastruktur-Romantiker, bekam dieses Jahr die Goldmedaille in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ – für sein Sicherheitspaket. Darin enthalten: biometrische Gesichtserkennung und der mögliche Einsatz der Analysesoftware Palantir. Datenschutz-Grundverordnung? Fehlanzeige!

    Die Laudatorin Elisabeth Niekrenz vom Verein Digitale Gesellschaft nannte das Projekt, was es ist: verfassungswidrig. Dobrindts Ministerium hingegen beruhigt: Alles im Koalitionsvertrag, alles rechtmäßig, alles unter Kontrolle. Das klingt in etwa so, als würde der Wolf versichern, er trage Schafe nur aus Sicherheitsgründen im Maul.

    Kinder und Ministerium lernen längst dieselbe Lektion: Überwachung ist normal. Am Ende bleibt die Illusion, Kontrolle mache die Welt sicherer. Wenn also nächstes Jahr die Kategorie „Alt und überwacht“ eingeführt wird, kann sich niemand mehr beschweren.

  3. >> Nominierung: The Surveillance Empire FirstWap

    https://www.motherjones.com/politics/2025/10/firstwap-altamides-phone-tracking-surveillance-secrets-assad-erik-prince-jared-leto-anne-wojcicki/

    The Surveillance Empire That Tracked World Leaders, a Vatican Enemy, and Maybe You
    Inside the hidden world of First Wap, whose untraceable tech has targeted politicians, journalists, celebrities, and activists around the globe.

    It calls its proprietary system Altamides, which it describes in promotional materials as “a unified platform to covertly locate the whereabouts of single or multiple suspects in real-time, to detect movement patterns, and to detect whether suspects are in close vicinity with each other.”

    Altamides leaves no trace on the phones it targets, unlike spyware such as Pegasus. Nor does it require a target to click on a malicious link or show any of the telltale signs (such as overheating or a short battery life) of remote monitoring.

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