Wochenrückblick KW 10Ausspioniert, zensiert, überwacht

Was nach Worst-Case-Szenarien klingt, sind Realitäten, mit denen sich auseinandergesetzt werden sollte. Im netzpolitischen Wochenrückblick geht es um Betroffene von Überwachung, den Hype um die Check-In-App Luca, mögliche Netzsperren in Deutschland und eine verschärfte Anwendung des Urheberrechts durch ein EU-Urteil.

Zwei Luchse nebeneinander im Wald.
Auf Kuschelkurs, Politiker:innen bewerben die Check-In-App „Luca“ des Rappers Smudo. – Vereinfachte Pixabay Lizenz jaclyn928

Corona lässt uns auch weiterhin nicht los. Während das Gefühl entsteht, dass eine Dritte Welle im Anmarsch ist, wird vielerorts der Wunsch nach Lockerungen stark. Wieder in Restaurants gehen, Konzerte, Kinos oder Museen besuchen – das klingt wie ein Traum. Damit das möglich wird, ist eine funktionierende Kontaktverfolgung wichtig. Politiker:innen stürzen sich deshalb auf die Check-In-App Luca, für die der Rapper Smudo ordentlich Werbung macht. Markus Reuter kommentierte den Hype und kritisiert unter anderem, dass der Quellcode momentan nicht open source verfügbar ist. Wenn Politiker:innen eine App so sehr bewerben, solle wenigstens öffentlich einsehbar sein, was in der App passiere und was sie mache.

Die Macher:innen scheinen sich der Kritik schließlich gebeugt zu haben, bis Ende des Monats soll der Quellcode von App und Backend veröffentlicht werden. Sicherheitslücken können dann frühzeitig von vielen Augen entdeckt werden. Welche Sicherheitsfragen noch so mit der Einführung einer solchen App einhergehen und wieso Kritiker:innen fürchten, dass sie nur von der Realität ablenkt, das berichtet Chris Köver.

Vertrauen durch Transparenz

Informationsfreiheit kann das Vertrauen in Politik und Demokratie fördern. Lea Pfau hat sich in einem Gastbeitrag damit beschäftigt, wie Informationsfreiheitsgesetze dazu beitragen, die politische Beteiligung zu stärken. Ihr Beitrag ist keine reine Analyse, Lea gibt auch Empfehlungen, wie die Praxis der Informationsfreiheit verbessert werden kann, damit das demokratische Potenzial voll ausgenutzt wird.

Transparenz ist auch an anderer Stelle gewünscht: Die Überwachungsgesamtrechnung, die seit vielen Jahren gefordert wird, soll einen Überblick über bestehende Sicherheitsgesetze geben. Das bisher rein wissenschaftliche Konzept soll jetzt konkretisiert werden. Hierfür entwickelt das Max-Planck-Institut ein Instrument, mit dem eine Gesamtrechnung erstellt werden kann. Die erste Phase des Projektes ist jetzt abgeschlossen, ein erster Überblick über einen Teil der „Überwachungslandschaft“ wurde veröffentlicht.

Eine Steilvorlage für echte Zensurgesetze

Die Idee der schwarz-gelben Bundesregierung vor über einem Jahrzehnt, Netzsperren gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch einzuführen, wurde nach heftigen Protesten auf Eis gelegt. Doch nun sind Netzsperren wieder auf dem Tisch. Durch sie werden problematische Inhalte freilich nicht gelöscht, sondern nur versteckt. Aber das ist nicht das größte Problem dieses Instruments. Sie kann etwa von autoritären Staaten eingesetzt werden, um die Meinungs- und Informationsfreiheit einzuschränken. Markus Beckedahl kommentiert, wie gefährlich es werden kann, sollte das Konzept in demokratischen Staaten normalisiert werden.

Die Gefahr, ein Vorbild für autoritäre Staaten zu werden, zeigt sich am Netzwerkdurchsuchungsgesetz. Russland hat sich am deutschen NetzDG orientiert und ein Zensurgesetz geschaffen. Diese Woche bereiten russische Behörden Twitter Probleme. Wie Josefine Kulbatzki berichtet, beschuldigt die russische Medienaufsicht Twitter, angeblich problematische Inhalte nicht zu löschen und will deshalb zur Strafe die Geschwindigkeit des Dienstes drosseln. Sollte das keine Wirkung zeigen, droht sie sogar mit einer kompletten Sperrung des sozialen Netzwerkes.

Jahrelang kämpft ein tapferer Videoblogger gegen Zensur, bis an einem Morgen im Februar das Bundeskriminalamt vor seiner Tür steht – so lautet die Erzählung über den Rechtsradikalen Torsten Donnerstein. Daniel Laufer ist dieser Geschichte nachgegangen und stellt fest, dass sie erfunden ist. Eine Recherche über den Opfermythos, den Rechte sich häufig zu Nutze machen.

Durch Technik überwacht oder diskriminiert

Nicht nur in sozialen Netzwerken können Inhalte von Regierungen überwacht werden. Manche Regierungen nutzen Staatstrojaner, um missliebige Aktivist:innen und Journalist:innen auszuspionieren. Einen großen Skandal gab es um die Spionagesoftware „Pegasus“, die eine Sicherheitslücke von WhatsApp nutzte, wodurch Handys von Aktivist:innen auf der ganzen Welt ausspioniert wurden. Auf Basis eines Berichts von Access Now haben wir Erzählungen Betroffener veröffentlicht. Sie verdeutlichen, wie schmerzhaft Überwachung ist und wie bedrohlich Spionagesoftware für die Menschenrechte sein kann.

Die Einsätze von Staatstrojanern bleiben meist unentdeckt und es gibt wenig Möglichkeiten sich gegen sie zu wehren. Wogegen sich aber gewehrt werden kann, sind Fehlentscheidungen automatisierter Entscheidungen, etwa die Verkehrsumleitung durch eine Fahrradstraße. Die NGO Algorithm Watch hat hierfür eine Plattform ins Leben gerufen. Mit Unding.de soll dafür gesorgt werden, dass Stimmen zu Negativbeispielen an den richtigen Stellen gehört werden.

Was im Stillen verhandelt wird …

Zölle sind ein wichtiges Instrument, um mit exportierten Waren Geld zu verdienen. Die Mitglieder der WTO haben 1998 Zölle auf elektronische Übertragungen verboten. Das Moratorium, in dem nicht geklärt ist, was elektronische Übertragung überhaupt bedeutet, führt immer wieder zu Diskussionen. Das Moratorium für digitale Zölle läuft nun aus, die Verhandlungen über eine Neuauflage scheinen festgefahren. Wie Maximilian Henning berichtet, verhandeln einige Staaten am Rande der Welthandelsorganisation – praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Vor allem die Digitalwirtschaft ärmerer Länder könnte unter der Dominanz der großen Digital-Exporteure leiden.

Eine Entscheidung gab es hingegen vor dem europäischen Gerichtshof. Ein Lizenzstreit zwischen der VG Bild-Kunst und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde hier verhandelt. Wie Vincent Först analysiert, verschärft das Urteil die Anwendung des Urheberrechts.

Und zum Schluss noch etwas zum Abschalten: Jean Peters hat ein neues Buch rausgebracht, das Einblicke in die Aktionskunst bietet. Es geht um Aussteigerprogramme für Geheimdienstler und zurückgerufene Waffen. Bei uns könnt ihr einen kleinen Vorgeschmack auf das Buch bekommen.

Wer keine Lust mehr hat zu lesen, kann es sich am wohl grauen Wochenende in Deutschland auch mit unserem Podcast gemütlich machen. Dieses Mal ging es dort, ganz Meta, um Podcasts und die Entwicklungen der Audio-Welt.

Wir wünschen ein schönes Wochenende!

1 Ergänzungen

  1. Ist doch konsequent, wenn man Leute und Meinungen in Echtzeit unterdrücken können will.

    Einen Teil machen die Filter, nämlich wo Inhalte Dritter bei einem Anbieter zu sehen sind.

    Den anderen Teil machen die Netzsperren, nämlich wo z.B. auf der Homepage legal Meinungen ausgedrückt werden.

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