Wochenrückblick KW 47Fakes und Faxen

Unbekannte geben sich auf Twitter als Mediziner:innen aus, Giffey gibt ihren Doktortitel ab (oder auch nicht) und die Debatte um Hintertüren zu Verschlüsselungen geht weiter. Datenschützer beschweren sich über TikTok und Apple und unsere Reihe zum „Medienmäzen Google“ wird fortgesetzt. Die letzte Woche im Rückblick.

Eine Schildkröte beißt herzhaft in ein Blatt.
Vergisst auch im Winter nicht, ausreichend Grünzeug zu essen: Eine Schildkröte. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jude Infantini

Echt von unecht zu unterscheiden ist eine der wichtigsten Aufgaben unseres Jobs als Journalist:innen. Dabei wurden wir diese Woche besonders auf die Probe gestellt – nicht nur beim Anblick der Haare von Trump-Anwalt und Lügensprachrohr Rudy Giuliani. Blicken wir gemeinsam zurück.

Montagmorgen spielte sich ein kleiner Krimi auf Twitter ab, als sich Zweifel an der Echtheit mehrerer Accounts mit Bezug zum Pharmaunternehmen BioNTech ausbreitete. Innerhalb weniger Stunden waren die Accounts, die sich als die Erfinder:innen des Coronaimpfstoffs ausgaben, gesperrt. Allerdings nicht bevor auch ein paar Journalist:innen darauf reingefallen waren – uns allen soll das eine Lehre sein.

Dass Franziska Giffey es mit der Ehrlichkeit nicht so hat, ist mittlerweile auch bekannt – egal wie schön ihre Handschrift ist. Constanze hat die Plagiatsvorwürfe an die Bundesfamilienministerin für uns eingeordnet. Ihr Fazit? „Giffeys Redlichkeit ist dahin“.

Keine Geheimnisse mehr

Die Kontroverse um Verschlüsselungstechnologien geht weiter. Nachdem letzte Woche ein Resolutionsentwurf ans Licht kam, der unspezifisch eine „bessere Balance“ zwischen Verschlüsselung und Sicherheit forderte, dementierte die Bundesregierung. Die EU-Staaten wollen verschlüsselte Kommunikation nicht einschränken, heißt es. So ganz passt das nicht zusammen, denn feststeht: „Ein bisschen Zugriff auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für die Behörden kann es ebenso wenig geben wie ‚ein bisschen schwanger’“.

Anderswo soll dagegen die Verschlüsselung gestärkt werden. Das Bundeskriminalamt leitet ein neues Europol-Projekt zum verschlüsselten Austausch unter europäischen Polizeibehörden. Unter anderem soll dabei ein „WhatsApp für Strafverfolgungsbeamte“ eingeführt werden.

Nach Tinder, Grindr, OkCupid und Lovoo hat nun womöglich auch die Dating-App Bumble ein eigenes Datenleck. Die Sicherheitsanalytikerin Sanjana Sarda hatte das Unternehmen bereits im März auf eine Sicherheitslücke hingewiesen, über die ungehindert Nutzer:innendaten ausgelesen werden konnten. Acht Monate lang erhielt sie keine Antwort, also ging die IT-Expertin an die Öffentlichkeit.

Immer wieder Neuland

Dank einer Kooperation mit Google werden Infokästen des Gesundheitsministeriums auf Google prominent platziert. Deutsche Verleger sind unglücklich: Journalistische Medien würden dadurch benachteiligt. Wie Leonard Kamps berichtet, will eine Medienanstalt das jetzt überprüfen. Die Entscheidung könnte weitreichende Auswirkungen haben.

Ein Update der Corona-Warn-App steht ins Haus. Bald sollen auch aktuelle Informationen zum Infektionsgeschehen in der App bereitstehen. Auch die Mehrsprachigkeit soll verbessert werden. Was fehlt, ist hingegen eine Funktion zum Erfassen von Clustern, beispielsweise bei Veranstaltungen. Dabei gäbe es dafür eigentlich schon einen Vorschlag.

Der Gesetzesentwurf, mit dem alle 19 Geheimdienste in Deutschland Staatstrojaner bekommen, ging durch den Bundesrat. Die Ausschüsse für Innen und Recht hatten nichts einzuwenden, der Wirtschaftsausschuss sprach sich hingegen für eine Ablehnung aus. Damit geht das Gesetz zurück an die Bundesregierung und dann weiter an den Bundestag, wo kein großer Widerstand zu erwarten ist.

Keine Pause für Datenschützer:innen

Über 100 Millionen Nutzer:innen hat TikTok mittlerweile in Europa. Trotzdem ist noch immer nicht geklärt, welche europäische Datenschutzbehörde die chinesische App kontrollieren soll. Dabei wird bereits in drei Staaten untersucht, ob TikTok die Privatsphäre der überwiegend jungen Nutzer:innen ausreichend schützt. Deutsche Datenschützer zeigen sich verärgert und wünschen sich eine Lösung – am besten gestern.

Die NGO noyb um den Wiener Aktivisten Max Schrems hat in zwei EU-Ländern Beschwerde gegen Apple eingelegt. Drittanbieter könnten iPhone-Nutzer:innen durch eindeutige IDs über verschiedene Apps hinweg tracken, ohne dass diese dem jemals zugestimmt haben. Von Apple angekündigte Änderungen sind laut den Datenschützern unzureichend.

In der Kooperation zwischen NSA und dänischem Geheimdienst FE offenbarte sich ein weiteres Kapitel. So hat FE der NSA nicht nur geholfen dänische Bürger:innen auszuspionieren, auch EU-Nachbarländer und Rüstungsfirmen sind betroffen. Ähnlich wie in Deutschland, erhielt der dortige Geheimdienst im Gegenzug Zugriff auf die Spionagesoftware XKeyscore.

Europapolitik

Nach zwei Jahren könnten die Verhandlungen um eine EU-Verordnung gegen die Verbreitung terroristischer Online-Inhalte demnächst beendet werden. Teil des Gesetzesentwurfs wurden von Kritiker:innen als Uploadfilter gesehen, doch auf verpflichtende „proaktive Maßnahmen“ bei den Internetdienstleistern soll nun verzichtet werden. Matthias Monroy hat die Details in einem Gastbeitrag zusammengefasst.

Ein Sonderbericht des EU-Rechnungshofes hat sich für stärkere Kontrollen von Kartellen ausgesprochen. Aus der Analyse von zehn Jahren Arbeit der EU-Kommission geht hervor, dass wenig unternommen wurde und wenn dann nur sehr langwierig. Unter anderem brauche die EU-Kommission Instrumente, um proaktiv gegen Monopole vorgehen zu können und nicht erst, nachdem sie bereits bestehen.

Erleichtert werden soll hingegen das Spenden von Datensätzen für gemeinnützige Zwecke. Die EU-Kommission arbeitet an einem entsprechenden Gesetzesentwurf. Mit der Data-Governance-Verordnung soll zum Beispiel die Erforschung der Corona-Pandemie erleichtert werden. Offene Fragen gibt es allerdings noch bei der Anonymisierung von persönlichen Daten.

Und sonst so?

Der Medienwissenschaftler Christopher Buschow erzählt netzpolitik.org, was in Deutschland der journalistischen Innovation im Wege steht und was es für Alternativen zum Förderungsmodell Google gibt. Öffentliche Förderung, wenn man sie richtig angeht, kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Damit schließt unsere Reihe „Medienmäzen Google“ zur gleichnamigen Studie. Alle Beiträge der Reihe findest du hier.

Willst du öfter von uns hören? Im bits-Newsletter bereitet unser Chefredakteur Markus Beckedahl jeden Tag das aktuelle Geschehen auf. Diese Woche ging es um die Kampagne „Reclaim Your Face“, die ein europaweites Verbot von Gesichtserkennung fordert. Und um eine Vodafone-Tochter, die in Tansania bereitwillig mit dem Regime zusammenarbeitet, um Textnachrichten über die Opposition zu filtern. Außerdem erinnert er an die Debatte um Google Street View – die mittlerweile zehn Jahre her ist.

Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!

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