In Deutschland werden jährlich knapp vier Prozent aller im Versandhandel zurückgeschickten Waren vernichtet, das sind 20 Millionen Produkte im Jahr. Die Vernichtung von Elektrogeräten ist wegen ihrer aufwändigen Herstellung und den enthaltenen kritischen Rohstoffen besonders besorgniserregend. Das gilt vor allem in Zeiten der Klimakrise, in denen sich Ressourcenkonflikte abzeichnen – deshalb hat das Bundesumweltministerium (BMU) am Kreislaufwirtschaftsgesetz geschraubt.
Zu der Novelle gab es am Mittwoch einen Kabinettsbeschluss, jetzt muss sie noch durch den Bundestag. Wir haben uns angesehen, was drin steht und mit einer Expertin für Reparatur darüber gesprochen, ob das reicht.
Was steht drin
Hintergrund der Novelle ist die Anpassung an EU-Abfallrichtlinien. Es geht also um die Korrektur eines Gesetzes, das spätestens im Sommer EU-Maßstäben genügen soll. In ihr vorgesehen sind eine Transparenzpflicht, also die Vorgabe für Hersteller:innen und Händler:innen, haarklein zu dokumentieren, was sie in welchen Mengen vernichten.
Die Novelle ermächtigt die Bundesregierung außerdem, eine Obhutspflicht für Händler:innen und Hersteller:innen zu erlassen: Sie würden dadurch verantwortlich dafür, dass ihre Produkte bestimmten Langlebigkeits-, Ressourceneffizienz- und Reparierbarkeitsansprüchen genügen. Konkreter wird der Text dazu nicht.
Zudem möchte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) recycelten und ressourcenschonenden Produkten einen Vorrang bei der öffentlichen Beschaffung einräumen.
Was bringt das – und was nicht
Katrin Meyer, Koordinatorin des Vereins „Runder Tisch Reparatur“, sagt im Gespräch mit netzpolitik.org, ihr Verein begrüße die grundsätzliche Ausrichtung der Novelle ausdrücklich. Das steht auch im Positionspapier zur Novelle, das der Runde Tisch Reparatur gemeinsam mit anderen Umwelt- und Reparaturverbänden veröffentlicht hat.
Meyer fehlen allerdings einige wichtige Punkte, etwa eine Verpflichtung für Hersteller:innen, Ersatzteile für ihre Geräte zur Verfügung zu stellen. Sie sagt, die Novelle werde dem Problem der Rohstoffverschwendung „nicht in dem Maße etwas entgegen setzen, wie das Umweltministerium sich das vorstellt“. Reparatur sei zentral für Abfallvermeidung – die Umweltministerin hingegen setze noch immer auf „Recycling als Wunderwaffe“, kritisiert sie.
Keine Verpflichtungen, keine Sanktionen, keine Verbindlichkeit, fasst Meyer zusammen. Wie so oft, wenn es um gesetzliche Regelungen gegen die Klimakrise geht, setzt auch das BMU auf Freiwilligkeit der Unternehmen. Das Gesetz könne deshalb nicht wirklich wirken: „Dazu braucht es ganz klare Anforderungen an die Materialeffizienz, Kontrollen und Sanktionen.“
Was notwendig wäre
Frankreich und Schweden zeigen, wie es besser gehen kann. In Schweden wurde schon 2016 die Mehrwertsteuer auf Reparatur gesenkt: Reparaturen werden so erschwinglich und lohnen sich. In Frankreich ist seit längerem ein Reparatur-Label in Planung. Kund:innen könnten so sofort erkennen, wie leicht sie an Ersatzteile kommen könnten und wie anspruchsvoll die Reparatur wäre. „Das ist ein gute Zwischenlösung“, sagt Meyer, „bis eines Tages alle Geräte reparierbar sind.“
Die neue EU-Kommission hat zuletzt ein europaweites „Recht auf Reparatur“ angekündigt, bisher aber keine Details vorgelegt. Eine Petition von Aktivist:innen fordert inzwischen ein solches Recht explizit für Smartphones.
Handelsverband will KI statt Novelle
Der Deutsche Handelsverband (HDE) unterdessen nennt die deutsche Novelle in einer Pressemitteilung „unnötig“, weil die Unternehmen allein aus Kostengründen schon die Zahl der Vernichtungen auf ein Minimum reduzierten. Stattdessen schlägt der HDE den Einsatz künstlicher Intelligenz zur Abfallvermeidung bei Retouren vor, ohne allerdings darauf einzugehen, wie genau er sich das vorstellt.
Unternehmen vernichten Retouren, weil es sich für sie finanziell mehr lohnt, als sie zu spenden oder sie als Ersatzteillager zur Verfügung zu stellen. Privatpersonen werfen defekte Geräte aus dem gleichen Grund lieber weg, als sie zu reparieren. Die Ressourcenverschwendung durch den hohen Verbrauch von Elektrogeräten ist einer der Gründe, aus denen der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU) die Digitalisierung einen „Brandbeschleuniger für die ökologische Krise“ nennt.
Deshalb ist es in den Worten von Katrin Meyer „eine Verschwendung von Potential“, dass die Umweltministerin sich in ihrer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes so wenig getraut hat. Sie hätte den zukunftsvergessenen Gewohnheiten von Produzent:innen, Händler:innen und Konsument:innen Einhalt gebieten können.
In Schweden wurde schon 2016 die Mehrwertsteuer auf Reparatur gesenkt: Reparaturen werden so erschwinglich und lohnen sich.
Dafür hätte ich gern einen Beleg. Eine Mehrwertsteuersenkung reicht doch nie und nimmer, um Reparaturen auch nur annähernd interessant zu machen!
Das „Problem“ ist ja auch nicht, dass Reparaturen so teuer geworden sind. Das „Problem“ ist, dass die Produktion von Neugeräten heute so unglaublich effizient ist, dass sich Reparaturen inzwischen sehr teuer anfühlen.
Wenn man der Meinung ist, dass Rohstoffe gespart werden müssen, dann muss man den Einsatz von Rohstoffen verteuern. Immer an der Quelle des Problems ansetzen, nicht irgendwelche hinterhergeschobenen Scheinlösungen.