Warum Vermummungsverbote problematisch sind. Nicht nur in Hongkong.

In Hongkong wurde heute ein Vermummungsverbot eingeführt, in Deutschland gibt es ein solches Gesetz seit den 80er Jahren. In Zeiten von Gesichtserkennung müssen wir über die Abschaffung des Vermummungsverbotes nachdenken, um das Versammlungsrecht und damit die Demokratie zu stärken. Ein Kommentar.

Frauen mit Masken demonstrieren
Demonstrantinnen in Hongkong schützen sich mit Masken gegen politische Repression und persönliche Nachteile. CC-BY 2.0 Studio Incendo

Die Regierung in Hongkong hat heute ein Vermummungsverbot bekanntgegeben. Dazu hat die Regierung von Carrie Lam ein Notstandgesetz aus der Kolonialzeit aktiviert. Zum Schutz vor Repression hatten sich in den letzten Monaten viele Demonstrierende vermummt. Auch auf friedlichen Demonstrationen. In Hongkong gehen seit Juni Hundertausende Menschen auf die Straße, um Demokratie und Grundrechte zu verteidigen.

Die Begründung für ein Vermummungsverbot ist auf der ganzen Welt gleich: Straftaten auf Demonstrationen sollen besser verfolgt werden können. Dieser Vorteil des Vermmungsverbotes ist nicht von der Hand zu weisen. Eine Folge eines Vermummungsverbot ist aber auch, dass Menschen für die Teilnahme an Protesten verfolgt werden können – nämlich wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot. Doch das Vermummungsverbot hat sich wegen etwas ganz anderem überlebt: dem technischen Fortschritt.

Gesichtserkennung macht Vermummungsverbote gefährlich

In Zeiten von leicht verfügbarer, kostengünstiger Gesichtserkennung müssen die Vorteile eines Vermummungsverbotes zur Strafverfolgung neu abgewogen werden gegen die massiven Nachteile, die dieses Verbot gegenüber dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit sich bringt. Mit heutiger Gesichtserkennungstechnologie und dem seit 2017 erlaubten automatisierten Zugriff auf biometrische Passdatenbanken haben Sicherheitsbehörden die technischen Möglichkeiten, innerhalb kürzester Zeit Teilnehmerlisten von Demonstrationen zu erstellen.

Dies könnte Menschen davon abhalten, an Demonstrationen teilzunehmen. Mit dieser Begründung ist es Polizeien in Deutschland auch nicht erlaubt, Demonstrationen einfach so zu filmen oder zu fotografieren. Den Eingriff des Vermummungsverbotes in die Versammlungsfreiheit beschreiben auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages.

Versammlungsrecht muss in Krisenzeiten Demonstrierende schützen

Das Versammlungsrecht ist nicht nur für sonnige Zeiten politischer Harmonie gemacht. Es muss auch stabil sein in Krisen- und Spannungssituationen und bei geänderter politischer Wetterlage. Demonstrationen können das entscheidende Korrektiv politischer Fehlentwicklungen oder eines autoritären Umschwungs sein. Hier schwächt ein Vermummungsverbot die Rechte und damit die Ausgangsposition von Demonstrierenden. Und das nicht nur in Hongkong, sondern auch hierzulande.

Wir sollten vor dem Hintergrund von Gesichtserkennung über eine Abschaffung des Vermummungsverbotes nachdenken – um die Demokratie zu stärken.

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3 Ergänzungen

  1. Ich möchte hiermit eine Richtigstellung einbringen.
    Es existiert kein Vermummungsverbot in Deutschland. Das ist eine fehlerhafte widergabe von §17a VersammlG. https://dejure.org/gesetze/VersG/17a.html
    Einzig und allein gilt die Wortwahl im Gesetz:
    Zitat Absatz 2:
    (2) Es ist auch verboten,

    1.
    an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen.
    2.
    bei derartigen Veranstaltungen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände mit sich zu führen, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern.

    Eine Identitätsfeststellung bei so große Veranstaltungen kann nicht durch egal welche art von Kleidung verhindert werden, da bei Straftaten jeder Mensch und natürlich damit inbegriffen die Polizei, Ordnungsbehörden, Oma Liese von nebenan, … gemäß §127 StPO ( https://dejure.org/gesetze/StPO/127.html ) berechtigt ist jeden Menschen fest zu nehmen bis seine Identität zur sicherstellung der Rechtstaatlichkeit festgestellt wurde.

    Wenn euch das auf eine Versammlung von einen Polizisten vorgeworfen wird:
    1. holt sofort eine Videokamera raus und filmt diesen Polizisten
    2. lasst euch zuerst seinen Dienstausweis vorzeigen bevor ihr egal was anderes sagt und notiert euch die Daten die auf dem Dienstausweis stehen damit ihr eine Dienstaufsichtbeschwerde später gegen den (oder bei mehrere Polizisten die) Polizist(en) abgeben könnt
    3. zeigt anschließend einen Lichtbildausweis NACHDEM ihr sichergestellt habt, dass jegliche Bodycam oder sonst etwas seitens der Polizei physikalisch entfernt wurde und haltet auf Kamera fest, dass die Aussage von der Polizei kommt, dass die Polizei gerade nicht filmt
    4. Fertig. Ihr habt während der Versammlung sicherstellen können, dass eure Privatsphäre durch unerlaubtes Fotografieren nicht verletzt wurde und/oder ihr habt sicher gestellt, dass ihr das tragen könnt, was ihr tragen wolltet (z.B. eine Burka). Und gleichzeitig habt ihr §17a VersammlG nicht verletzt.

    Wenn ihr euch nicht auf juristische ebene mit der Polizei unterhalten könnt/wollt, dann behaltet dennoch das hier geschriebene im Hinterkopf und sagt der Polizei, dass ihr euch vor der Polizei schützt damit diese nicht erneut illegal Fotos von euch macht und dann auf Server der USA/NSA ungefragt hoch lädt: https://netzpolitik.org/2019/urteil-polizei-darf-keine-fotos-von-versammlungen-in-sozialen-netzwerken-veroeffentlichen/
    Dies hat die Polizei DEFINITIV schon mal gemacht und somit könnt ihr nie wieder sicher sein, dass dies nie wieder passieren würde.

    1. Sofern du auch nur ein Urteil findest, in dem eine Vermummung als rechtskonform erachtet wurde, so lass dieses doch bitte in einer Ergänzung hier.
      Gesetze sind in Deutschland idR abstrakt formuliert, um eine Vielzahl von Fällen abzudecken. Zu schreiben, dass man auch § 17 Nr.1 VersammlG kein Vermummungsverbot herleiten könne, mag deine ganz persönliche Meinung sein und das kann sie ja auch bleiben. In Rechtsprechung in Literatur ist man sich einig, dass die Regelung ein Vermummungsverbot darstellt. (Bsp.: OLG Sachsen zur abstrakten Gefahr der Vermummung: 2 OLG 21 Ss 693/13)

  2. Das Vermummungsverbot ist problematisch, weil es gegen das Recht auf Schutz der Privatsphäre und gegen das Recht, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen verstößt.

    Ebenso problematisch ist das Verbot der Passiv-Bewaffnung, weil es verfassungswidrig ist (es verstößt gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art.2 GG) ohne dieses Recht unter Angabe des Artikels zu nennen, wie es Artikel 19 GG verlangt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.