Netzpolitischer Wochenrückblick KW 25: Evangelischer Kirchentag fordert Recht auf Verschlüsselung

Während evangelische Gläubige symbolisch ein Zeichen gegen staatliche Massenüberwachung setzen, kommt die Debatte um den/die nächste EU-Kommissionspräsident*in in Gang. Wir beschäftigen uns indes mit Biometrie am Südkreuz und einem mutmaßlichen Sockenpuppen-Twitterkonto der Aachener Polizei.

Gleich haben wir ja einen Nachfolger für Juncker. Nur noch eine Woche… – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Paul Hanaoka

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Eine von netzpolitik.org beim evangelischen Kirchentag eingebrachte Resolution mit dem Titel „Sicherheit und Vertrauen in der digitalen Gesellschaft stärken“ wurde mit großer Mehrheit angenommen. Der 37. Evangelische Kirchentag fordert damit offiziell ein Recht auf Verschlüsselung und ein Ende der Ausnutzung von Sicherheitslücken durch staatliche Stellen. Kernthema der Resolution ist das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

Am 15. und 16. November findet in Berlin die „Konferenz Soziale Bewegungen im digitalen Zeitalter“ statt. Sie sucht noch nach Beiträgen. Die Jahrestagung des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung lädt dabei auch zu Performances, Ausstellungen oder aktivistischen Beiträgen ein.

Junckers Nachfolger:innen im Porträt

Die Entscheidung ist zwar vertagt, aber sie dürfte bald kommen: Die Frage, wer nächster EU-Kommissionspräsident oder – erstmals – Kommissionspräsidentin wird. Wir haben zwei der bisherigen Favoriten porträtiert.

Zunächst Margrethe Vestager. Die ehemalige dänische Wirtschafts- und Innenministerin ist nun EU-Kommissarin für Wettbewerb. In diesem Amt sorgte sie mit ihren Rekordstrafen gegen Apple und Google für Aufsehen. Mit ihr dürfte Digitalpolitik in Europa deutlich an Stellenwert gewinnen. Sie ist aber auch eine Wirtschaftsliberale, die sich um Frage drückt, ob große Plattformkonzerne wie Facebook entflechtet werden sollen oder nicht.

Und dann Manfred Weber. Zunächst war er für die CSU in der bayerischen Politik tätig, seit 2004 ist er im EU-Parlament. Dort unterstützte Weber die Weitergabe von Konto- und Fluggastdaten an die USA, nun will er eine Klarnamenpflicht im Internet. Dabei beschwor er zwar stets den Datenschutz, stimmte dann aber doch immer mit seinen Konservativen.

Zweite Versuchsphase am Südkreuz eröffnet

Nachdem dort letztes Jahr die biometrische Gesichtserfassung getestet wurde, sollen Scanner am Bahnhof Südkreuz in Berlin nun Situationen und Verhalten erkennen. Freiwillige stellen Situationen nach, das System soll dann die Mitarbeiter:innen der Bahn warnen. Die Tests sollen bis Ende des Jahres dauern.

Ebenfalls aus dem Bereich Überwachung: Die Polizei Aachen nutzt anscheinend pseudonyme Twitter-Accounts zum Überwachen von Klimaprotesten. Das kam heraus, als eine offizielle Mitteilung zunächst über den Account veröffentlicht wurde.

Feindeslisten und Fernsehrat

25.000 Personen standen auf den Feindeslisten der rechtsextremen Nordkreuz-Gruppe in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Menschen sollten am „Tag X“ festgesetzt oder getötet werden. Das Bundeskriminalamt hat bis jetzt aber nur 29 der Betroffenen informiert – angeblich aus Datenschutzgründen. Die Initiative FragDenStaat verklagt das Amt nun darauf, bei allen Betroffenen anfragen zu müssen, ob sie mit der Herausgabe der Liste einverstanden wären.

Unklarheit herrscht auch beim ZDF-Fernsehrat, und zwar über den Rundfunkbeitrag. Sollte er besser einen anderen Namen tragen? Wie soll er berechnet werden? Und welche Rolle soll die handlich benannte „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ dabei spielen? Das und mehr untersucht Leonhard Dobusch in dieser Ausgabe der Kolumne Neues aus dem Fernsehrat.

Trump bezeichnet die New York Times als Landesverräter

Der Netzaktivist Ola Bini kommt frei. Das entschied ein ecuadorianisches Gericht am Freitag. Seine Festsetzung am 11. April sei illegal gewesen. Außerdem gab es bis heute keine offizielle Anklage, nur vage Vorwürfe des Hackings. Dafür wurden US-amerikanische Experten ins Land geholt, um bei der Entschlüsselung von Binis Geräten zu helfen. Bini ist als Vertrauter des Wikileaks-Gründers Julian Assange bekannt.

Facebook braucht eine unabhängige Aufsicht über seine Moderatoren. Das fordert der UN-Sonderberichterstatter für freie Versammlung. Sein Bericht stellte auch ein Zunehmen an staatlicher Überwachung und die Wichtigkeit von Internetzugang für die Meinungsäußerung fest. Facebook hatte bereits angekündigt, eine solche Organisation aufzubauen. Weitere Details gab es bisher aber noch nicht.

Die USA greifen verstärkt digital die russische Energieinfrastruktur an, berichtete die New York Times am Sonntag. Daraufhin wurde die Zeitung von Präsident Donald Trump auf Twitter des Landesverrats beschuldigt. Die Antwort: Die Story wäre mit Regierungsmitarbeitern abgesprochen gewesen. Die hätten keine Sicherheitsbedenken gehabt.

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